TEHG: Länderfürsten am „Katzentisch“

„Länderfürsten“ werden die Ministerpräsidenten oft genannt. Das war vielleicht früher so, als in München, Dresden und Hannover Herzöge und Könige souverän über ihre Landeskinder herrschten. Von solcher Souveränität können die Seehofers, Tillichs und McAllisters unserer Tage nur träumen: Auch wenn sie gelegentlich das Gegenteil behaupten, wissen sie längst, dass die Zentralgewalt in Berlin in Gestalt von Angela Merkel im Konfliktfall die Hosen anhat.

Wenn sie aber, wie im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG ), trotz einigermaßen klarer Ansagen im Grundgesetz (GG) überhaupt nicht mehr gefragt werden, dann dürften die Grenzen der Duldungsfähigkeit der „Länderfürsten“ erreicht sein.

Nach dem Grundgesetz gehört das Recht der Länder, an der Gesetzgebung des Bundes mitzuwirken, zum unabänderlichen Kernbestand deutschen Verfassungsrechts. Tatsächlich ist inzwischen die Zustimmung des Bundesrats, der Kammer der Bundesländer, nur noch bei verhältnismäßig wenigen Entscheidungen gefragt, die im Grundgesetz ausdrücklich aufgeführt sind. Die wichtigsten Regel ist dabei: Wenn etwas die Länder Geld kostet oder ihnen Aufwand verursacht, dann müssen sie aktiv zustimmen und können damit mitgestalten. In allen anderen Fällen dürfen sie höchstens Einspruch einlegen, der dann vom Bundestag überstimmt werden kann.

Doch selbst in den inzwischen wenigen Fällen, in denen der Bundesrat noch aktiv zustimmen müsste, werden die Bundesländer inzwischen nicht selten übergangen. Ein prominentes Beispiel: Der „Ausstieg aus dem Ausstieg“ – also die Verlängerung der Restlaufzeiten der deutschen Atomkraftwerke – hätte nicht nur nach Ansicht von Becker Büttner Held (vgl. auch Beitrag vom 21. März) der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Aber auch in politisch weniger brisanten Fällen lässt man die Länder inzwischen gern einmal links liegen. Bisweilen mögen handwerkliche Schnitzer oder ganz grundsätzliche politische Nöte Ursache solcher Versäumnisse sein. In anderen Fällen aber vermuten wohl nicht nur Berliner Politikinsider, dass es den Ministerialbeamten ganz recht wäre, die lästigen Länder mit ihren Befindlichkeiten und Wünschen nicht berücksichtigen zu müssen.

Im Streit um das TEHG, das Stammgesetz für den Emissionshandel, sollen die Länder an den politischen „Katzentisch“ verbannt werden: Ihre Zustimmung ist im aktuellen Entwurf nicht vorgesehen. Dies aber stößt den Bundesländern nicht zu Unrecht übel auf. Schließlich gibt es gleich zwei Gründe, die für eine Zustimmungspflicht sprechen.

So soll das Gesetz zum einen an versteckter Stelle (Art. 13) das Umsatzsteuergesetz ändern. Diese Steuer steht teilweise den Ländern zu, so dass sie nach Art. 105 Abs. 3 GG um ihre Zustimmung gebeten werden müssten, wenn sich hier etwas ändert.

Zum anderen macht das Gesetz den Behörden der Bundesländer mehr Arbeit, was nach Art. 84 Abs. 1 GG ebenfalls die Zustimmungspflicht auslöst. Künftig sollen diese nämlich nicht mehr – wie bisher – die etablierten Immissionsschutzgenehmigungen nur um einen kurzen Passus erweitern, der die Emission von CO2 erlaubt. Stattdessen sollen sie eine gesonderte Genehmigung für die Emission von Treibhausgasen erlassen, für die Strukturen geschaffen, Gebührenordnungen zu erlassen und Stellen einzurichten sind. Solche zusätzlichen Anforderungen machen das Gesetz zustimmungspflichtig, selbst wenn – wie hier – an anderer Stelle der Bund für die Zukunft Aufgaben übernimmt, die heute noch die Länder leisten.

Dass es am Ende im Emissionshandel auch um viel Geld geht, bestreiten die Länder nicht. Sie verlangen aktuell eine Beteiligung an den künftig zu erwartenden Milliardenerlösen des Emissionshandels. Der Bund dürfe sich nicht alles in die Tasche stecken. Auch die Länder wollen ihren Teil, wenn ab 2013 Emissionsberechtigungen zugunsten der Staatskasse versteigert werden.

Doch auch unabhängig von Verteilungsfragen: Die Spielregeln des Grundgesetzes sind wie sie sind. Auch wenn ein Gesetz ohne TEHG zunächst einmal schneller erlassen werden kann, droht bei einem Verfahrensfehler bekanntlich die Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dann würde der Erlass der für die dritte Handelsperiode erforderlichen Regelungen noch länger dauern.

Die Bundesrepublik ist jetzt schon im Verzug gegenüber Brüssel. Zudem sollte auch der Respekt vor den Grundprinzipien des Grundgesetzes den Bundesgesetzgeber motivieren, es nicht auf eine solche Verzögerung ankommen zu lassen. Denn dies würde – kommt es häufiger vor – die grundlegende Selbstdefinition der Bundesrepublik auf die Dauer aushöhlen: Die Bundesrepublik Deutschland wäre dann zwar gemäß Art. 20 Abs. 1 GG noch demokratisch und sozial. Sie wäre aber kein Bundesstaat mehr, und ein Ministerpräsident nicht mehr Inhaber des „schönsten Amts auf Erden“ (so traditionell die Ministerpräsidenten Bayerns), sondern nur noch ein kleiner, regionaler Verwalter in einer unwichtigen Behörde irgendwo in der deutschen Provinz.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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