Und weil‘s so schön war… noch einmal: Erneuerbare Energien vor dem EuGH

Zum zweiten Mal hat der Europäische Gerichtshof (EuGH)bestätigt, dass die nationale Förderung von Erneuerbaren Energien europarechtlich möglich ist. Am 11.9.2014 erging das Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-204/12 bis C-208/12, bekannter unter dem Name Essent. Darin bekräftigte der EuGH seine Linie aus dem Urteil C-573/12 – Ålands – (wir berichteten), nämlich dass Fördersysteme für Erneuerbare Energien, die nur eine Förderung für im Inland erzeugten Strom vorsehen, nicht zwangsläufig die Warenverkehrsfreiheit verletzen, weil sie nämlich unter Umständen gerechtfertigt sein können.

Ähnlich wie im Ålands-Fall hatte das nach den Schlussanträgen des Generalanwalts noch ganz anders ausgesehen (wobei im Fall Ålands der Generalanwalt noch weiter gegangen war  (wir berichteten) und die Aufhebung von Teilen der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (EE-RL: 2009/28/EG) gefordert hatte; das tat er hier nicht ). Nach Ansicht des Generalanwalts stellte das flämische Fördersystem für Erneuerbare Energien eine so genannte Maßnahme gleicher Wirkung wie eine quantitative Importbeschränkung dar und wäre eben nicht zu rechtfertigen. Heute sei, anders als zu Zeiten früherer Rechtsprechung in dieser Sache, über Herkunftsnachweise die grüne Qualität des Stroms nachzuweisen sei. Zudem trenne Flandern nicht sauber zwischen Herkunftsnachweisen und den im Rahmen des Fördersystems zur Erfüllung der den Energieversorgern aufgelegten Quoten genutzten grünen Zertifikaten. Dass der flämische Regulierer scheinbar inländische Herkunftsnachweise bei Bedarf in grüne Zertifikate umwandle, ausländische Herkunftsnachweise aber nicht, sei eine diskriminierende Praxis, die nicht mit dem EU-Recht zu vereinbaren sei.

Interessanterweise sind diese Umstände aus dem Urteil des EuGH nunmehr verschwunden. Der Grund dafür? Nun, zumindest haben nach den Anträgen des Generalanwalts im Mai 2013 der flämischen Regulierer und die flämische Regierung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlungen beantragt, da man zum flämischen Fördersystem inhaltlich einiges klar stellen wollte. Geklagt hatte ein Energieversorger aus Belgien, der mehrfach zu Strafzahlungen verurteilt worden war, weil er die auferlegte Erneuerbare-Energien-Quote nicht erfüllen konnte, was – laut Vortrag – daran lag, dass die Flandern sich weigerten, die „ausländischen Herkunftsnachweise“ für diese Zwecke anzuerkennen. Dieser hatte übrigens, nachdem das Urteil des EuGH in der Rs. „Ålands“ ergangen war, auch die Wiedereröffnung beantragt; man ahnte vermutlich bereits was kommen würde.

Allerdings war die Lage im Essent-Fall eigentlich gar nicht so eindeutig wie in Ålands, denn immerhin schien es in Flandern derzeit wirklich unklar zu sein, was denn nun ein Herkunftsnachweis und was ein grünes Zertifikat ist bzw. sein kann. Die Gesetzestexte sprachen hier nur von Zertifikaten.

Nun, der EuGH ging darauf nicht ein, sondern diskutierte die Trennung von Herkunftsnachweisen und Fördermechanismen (hier insbesondere Zertifikate zur Förderung von Erneuerbaren Energien) im Rahmen des EU-Rechts. Er betonte entsprechend, dass hier – auch unter der derzeit anwendbaren Vorgänger-Richtlinie zur heutigen Erneuerbare-Energien-Richtlinie – sehr wohl strikt unterschieden werden müsse, und dass Herkunftsnachweise nach ihrer EU-rechtlichen Definition eben keine Rolle im Rahmen der Förderung spielen würden. Ob sie Waren im Sinne der Warenverkehrsfreiheit darstellen, klärte er jedoch nicht: Denn selbst wenn ein Hindernis bestehen würde, sei dieses gerechtfertigt.

Was die Rechtfertigung betrifft, wiederholt das Urteil im Prinzip die aus Ålands bekannten Argumente, inkl. der Unklarheit, ob es jetzt der Umweltschutz oder der Schutz von Gesundheit und Leben ist, der das Hindernis rechtfertigt. Es sei in jedem Fall so, wie auch schon in Ålands, dass Mitgliedstaaten nationale Fördersysteme beibehalten könnten. Allerdings wurde, wie in Ålands, keine Carte Blanche erteilt. Der EuGH sprach von Quotensystemen mit grünen Zertifikaten, wobei es darauf ankomme, dass Mechanismen die Existenz echter Märkte für diese Zertifikate sicherstellen und die Versorger, die die Quote zu erfüllen haben,  sie auch tatsächlich erfüllen können. Außerdem dürfe die Strafzahlung bei Nichterfüllung der Quote nicht übertrieben hoch sein. Diese Punkte waren dem EuGH offenbar wichtig genug, um sie – anders als noch in Ålands in die Urteilsformel selbst hineinzuschreiben. Was das für die Vereinbarkeit anderer nationaler Fördersysteme mit der Warenverkehrsfreiheit bzw. generell für die Förderung der Erneuerbaren Energien zu bedeuten hat, bleibt indessen etwas vage.

Festzuhalten ist, dass – nicht zuletzt aufgrund des Drucks der scheidenden Europäischen Kommission, unter anderem im Zusammenhang mit den im Juli in Kraft getretenen neuen Beihilfeleitlinien (wir berich­te­ten) – die Mitgliedstaaten ernsthaft über Konzepte zur Förderung von Energie auch im EU-Ausland, das heißt jenseits der eigenen Grenzen, nachdenken. Wie wir aus der EEG-Reform wissen, wird auch Deutschland zukünftig wohl Erneuerbare Energien in anderen Mitgliedstaaten finanziell unterstützen (müssen). Wenngleich nunmehr in zwei Urteilen der EuGH zumindest unter bestimmten Bedingungen nationale Förderung zulässt, bleibt doch der Trend zur Öffnung – angetrieben allerdings von anderer Stelle, nämlich der Kommission.

Auch vor dem Hintergrund der neuen Kommission unter der Leitung des neuen Kommissionspräsidenten Juncker stellt sich allerdings die Frage, ob die Mitgliedstaaten nun nicht etwa über den Europäischen Rat im Oktober 2014 die Kommission auffordern sollten, im Angesicht von Ålands und Essent die Beihilfeleitlinien entsprechend zu korrigieren.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Martin  Altrock

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