Wärmewende im Immobiliensektor: Was der Methodenwechsel in der Primärenergiebewertung von Wärmenetzen bedeutet

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Soviel ist sicher: Die Immobilienwirtschaft und die Energieversorger werden mit wachsenden Anforderungen konfrontiert, die Energieversorgung von Gebäuden effizienter zu machen. Das gilt vor allem für den Jahres-Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung und Kühlung des Gebäudes nach der Energieeinsparverordnung (EnEV). Diese Anforderung kann man auf zwei Wegen erfüllen, durch baulichen Wärmeschutz und durch die Qualität der Wärme- und Kälteversorgung, beschrieben über den Primärenergiefaktor. Primärenergiefaktoren bewerten die Energiequellen für die Versorgung von Gebäuden nach ihrer Herkunft und stellen zur Erfüllung der Anforderungen einen wesentlichen Hebel dar.

Änderungen durch das Gebäudeenergiegesetz

Die Berechnung der Primärenergiefaktoren wird sich bald ändern. Angetrieben wird dies nach dem inoffiziellen Startschuss der Wärmewende durch die Zusammenlegung von EnEG, EnEV und EEWärmeG zum neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG). Treibender Faktor ist die EU-Gebäuderichtlinie (RL 2010/31/EU), die bis 2019 einen Effizienzstandard für Gebäude der öffentlichen Hand und bis 2021 für den privaten Neubau fordert. Zum anderen hat die EU-Kommission in dem sog. Winterpaket (wir berichteten) ihre Ambitionen bekräftigt, mit einer Reform der EU-Energieeffizienz-Richtlinie (RL 2012/27/EU) bis 2030 die Energieeffizienz um 30 Prozent zu steigern.

Für die Immobilienwirtschaft und Bauträger wird es darauf ankommen, wie das Bauvorhaben einzuordnen ist, da hier Unterschiede zu erwarten sind. Das Referenzgebäude wird im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage nur unwesentlich verändert, weshalb Primärenergiefaktoren in einer CO2-Vermeidungsstrategie um so wichtiger werden – insbesondere für Immobilien, die Wärmeenergie über Fernwärmenetze beziehen.

Methodenwechsel bei der Berechnung des Primärenergiefaktors

Der Primärenergiefaktor für die Energieversorgung von Wohn- und Nichtwohngebäuden wird in der Regel nach DIN V 4701, DIN V 4108 oder DIN V 18599 berechnet. Für Fernwärmenetze hat sich das von der AGFW erarbeitete Arbeitsblatt FW 309-1 als Standard etabliert, der auch die Berechnung des Primärenergiefaktors von Versorgungskonzepten für Einzelgebäude erlaubt. Mit dem Übergang auf das GEG soll die FW 309-1 nun durch die FW 309-7 ersetzt und damit ein signifikanter Methodenwechsel in der Berechnung vollzogen werden. Dieser bezieht sich insbesondere auf die Bewertung von gleichzeitiger Strom- und Nutzwärmeerzeugung.

Gebäudeenergiegesetz Infografik
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In der bisherigen Berechnung wird für durch gekoppelte Wärmeerzeugung verdrängter Strom gutgeschrieben. Die Stromgutschriftmethode begünstigte bisher KWK-Anlagen mit einer hohen Stromkennzahl. Dadurch wurden in Versorgungskonzepten mit KWK-Anlagen, insbesondere bei Einsatz von Biomethan, niedrige Primärenergiefaktoren erzielt. Demnach war bei isolierter Betrachtung einer KWK-Anlage ein negativer Primärenergiefaktor für die Wärme möglich. So gibt es bundesweit etwa 200 Wärmenetze mit einem Primärenergiefaktor von 0,0 – dem definierten Minimum.

Das neue Arbeitsblatt soll einen Methodenwechsel in der Bewertung des KWK-Stroms vollziehen. Wahrscheinlich wird die Allokationsmethode auf die „Carnot-Methode“ wechseln. Diese sieht eine Aufteilung der zur gekoppelten Strom- und Nutzwärmeerzeugung eingesetzten Primärenergie aus dem Brennstoff auf die Koppelprodukte vor. Der Methodenwechsel rückt die Bewertung näher an die Physik und führt zu teils deutlich abweichenden Ergebnissen. Ein zusätzlicher Einflussfaktor für die primärenergetische Bewertung der Wärme wird zukünftig neben dem eingesetzten Brennstoff und der Stromkennzahl der KWK-Anlage die Auskopplungstemperatur der Wärme.

Im Ergebnis führt die neue Methode zu höheren Primärenergiefaktoren für alle KWK-Anlagen, insbesondere für Anlagen mit hoher Vorlauftemperatur, mit hoher Stromkennzahl oder mit erneuerbaren Brennstoffen. Bei einer beispielhaften Vergleichsrechnung eines Kraftwerks mit Kondensationsstromerzeugung und KWK-Scheibe mit Gesamtnutzungsgrad von rund 69 Prozent stieg der Primärenergiefaktor der erzeugten Nutzwärme von 0,29 auf 0,7. Es ergab sich also eine eindeutige Verschlechterung. Wärmenetze mit einem Primärenergiefaktor von 0,0 wird es mit dem neuen Arbeitsblatt nicht mehr geben.

Was zu tun ist

Mit der Einführung des GEG und der Novellierung der FW 309-1 werden die Anforderungen an den Primärenergieeinsatz im Neubau und im Wärmesektor gleichzeitig angezogen. Diese ergeben sich insbesondere aus der zu erwartenden Senkung des Jahres-Primärenergiebedarfs des Referenzgebäudes (GEG) und aus der schlechteren Bewertung von KWK-Anlagen (FW 309). Die neuen Anforderungen kosteneffizient zu erfüllen, bedeutet eine große Herausforderung für die Immobilienwirtschaft und Energieversorger.

Für Wärmenetzbetreiber wird die Bedeutung der primärenergetischen Bewertung des Wärmenetzes zunehmen, um langfristig einen für Bauträger und -herren attraktiven Primärenergiefaktor ausweisen zu können. Im ersten Schritt sollten Wärmenetzbetreiber die Auswirkungen der neuen Allokationsmethode auf den Primärenergiefaktor ihres Wärmenetzes individuell analysieren, um nachfolgende Schritte abzuleiten.

Die verbleibende Laufzeit der gültigen Primärenergiegutachten sollte gut genutzt werden. Bei anstehenden Neubegutachtungen ist zu beachten, dass auch eine Übergangsfrist mit verkürzten Laufzeiten nicht auszuschließen ist. In der verbleibenden Zeit sollten Handlungsoptionen entwickelt und nach Verabschiedung des GEG und der FW 309-7 mit der Planung und Umsetzung begonnen werden. Um den Primärenergiefaktor zu optimieren, sollte man grundsätzlich:

  • Erzeugungsanlagen und Wärmenetz technisch optimieren,
  • zu anderen Energieträgern in bestehenden Anlagen wechseln, z.B. aus regenerativen Quellen,
  • besser bewertete Erzeugungsanlagen zubauen bzw. den Anlagenpark modernisieren,
  • Handlungsspielräume der gegenwärtigen Fördersystematik nutzen.

Es spricht somit alles dafür, sich als Unternehmen der Immobilienwirtschaft oder der Energieversorgung in den kommenden 1 bis 2 Jahren intensiv mit der eigenen integrierten Wärmestrategie zu beschäftigen und ein flexibles Lösungspaket zu entwickeln, um von den Entwicklungen nicht überrollt zu werden.

Ansprechpartner BBHC: Marcel Malcher/Roland Monjau

Ansprechpartner BBH: Wolfram von Blumenthal/Ulf Jacobshagen

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