Was lange währt … Kommission überarbeitet die Leitlinien für Umwelt- und Energiebeihilfen noch einmal

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Die Europäische Kommission war mit ihrem Entwurf für Leitlinien für Umwelt- und Energiebeihilfen, den sie am 18. Dezember 2013 zur Konsultation veröffentlicht hatte (wir berichteten), auf harsche Kritik gestoßen, vor allem was die Erneuerbaren Energien betrifft: Die sollten nur noch über technologieneutrale Ausschreibungen zu fördern sein. Die Möglichkeit, besonders stromintensive Unternehmen zu entlasten, wiederum sollte voraussetzen, dass der Handel mit Drittstaaten im jeweiligen Sektor 10 Prozent übersteigt und die Produktionskosten sonst mindestens um 5 Prozent – gemessen an der Bruttowertschöpfung – ansteigen würden. Für das deutsche Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) war dieser erste Aufschlag der Kommission in Kombination mit der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens und der drohenden Einstufung des EEG als Beihilfe brisant: Denn wäre das deutsche Fördersystem, anders als bisher angenommen, als Beihilfe einzustufen, müsste das EEG grundlegend reformiert werden. So wurden auch in Deutschland Stimmen laut, der Entwurf müsse dringend zurück auf’s Reißbrett …

Die Kommission ist nach Ende der Konsultation am 14.2.2014 dann offensichtlich noch einmal in sich gegangen und hat auf die über 3.000 eingegangenen Stellungnahmen reagiert. In der Tat: der Entwurf, wie er jetzt aussieht, lässt einige Änderungen erkennen.

Förderung der Erneuerbaren – noch nicht alles gut … 

Was die Förderung der Erneuerbaren Energien betrifft, so bleibt zwar der Grundfehler der neuen Leitlinien erhalten, nämlich die Realität der dezentralen Energieversorgung mit immer mehr Erneuerbaren Energien und den dazu passenden Fördersystemen schlicht zu negieren. So wird der neue Entwurf nach wie vor von dem Primat der Ausschreibungsmechanismen getragen. Geblieben ist auch die Standardbilanzkreisverantwortung des „Beihilfe“empfängers, soweit es wettbewerbliche Intraday-Märkte für Regel- und Ausgleichsenergie gibt. Obwohl gerade zu diesem Punkt die Kommission besonders um Stellungnahmen gebeten hatte, berücksichtigt sie derzeit noch nicht den dringenden Wunsch der Erneuerbaren-Industrie, die Intraday-Situation genauer zu spezifizieren und zu klären, welche Verantwortung hier genau dem Produzenten von variabler Erneuerbarer Energie zugerechnet werden kann. Ohne eine Spezifizierung erscheint die Regelung diskriminierend.

Schließlich scheint der Entwurf zumindest die Tür dafür offen zu halten, dass die Kommission die neuen Leitlinien auch für einen Beurteilungszeitraum vor dem beabsichtigten Wirksamkeitsdatum des 1.7. 2014 anwenden will.

Förderung der Erneuerbaren – aber zumindest manches besser …

Im Übrigen ist die Generaldirektion Wettbewerb etwas  flexibler geworden: So ist es in dem Entwurf, der jetzt zwischen den Generaldirektionen abgestimmt werden muss, möglich, dass die Kommission den Mitgliedsstaaten genehmigt, keine Ausschreibungen durchzuführen. Allerdings müssen sie dafür vortragen können, dass es entweder nur ein Projekt bzw. nur eine beschränkte Anzahl Projekte gibt, die überhaupt im Rahmen einer Ausschreibung in Betracht kämen, dass Ausschreibungen zu höheren Fördersätzen führen würden, oder dass nur wenige Projekte realisiert würden. In Mitgliedstaaten, die dies begründen können und daher keine Ausschreibungen einführen müssen, sollen statt dessen Marktprämien ausgezahlt werden, wobei die Erneuerbaren Energien Standard-Balancing-Aufgaben übernehmen sollen und keine Prämien bei negativen Marktpreisen gezahlt werden können. Ein bisschen lustig ist der Verweis in der Fußnote, dass solche negativen Preise nur sehr selten vorkommen …

Anlagen unter 500 kW (bzw. 3 MW für Wind) sollen von den Marktprämien und damit von der Verpflichtung, am Markt ihre Erzeugnisse zu verkaufen, ausgenommen werden können. Hier wird dann auch nicht bestimmt, was die Mitgliedstaaten für diese Anlagen an Fördermechanismen nutzen können. Einspeisetarife, wie sie nach dem derzeitigen EEG in Deutschland bekannt sind, scheinen damit zumindest nicht ausgeschlossen.

Auch soll es möglich sein, bestimmte Erzeuger von den Ausschreibungen auszunehmen, zum Beispiel aus Gründen der Technologiediversifizierung, Netzsicherheit oder Systemkosten. Interessant ist, dass Biomasse auch grundlos ausgeschlossen werden kann und dann keinerlei anderweitige Betriebsbeihilfen erhalten darf.

Förderung der Erneuerbaren – erstmal noch keine Ausschreibungen …

Generell soll die Umstellung auf Ausschreibungen langsamer stattfinden: Ab 2015 sollen zunächst Marktprämien unter oben genannten Voraussetzungen gezahlt werden. Bis 2017 sollen nur mindestens 5 Prozent der geplanten Erneuerbare-Energien-Kapazität ausgeschrieben werden. Dabei muss die Ausschreibung auch noch nicht allen Erzeugern offen stehen. Was die Bundesregierung im Rahmen der EEG-Reform zu planen scheint, nämlich Ausschreibungen zunächst nur für Pilotprojekte, sollte demnach also prinzipiell gangbar sein.

Ab dem 1.1.2017 erst soll dann die Ausschreibung flächendeckend eingeführt werden, zumindest sofern es den Mitgliedstaaten nicht gelingt, die Kommission davon zu überzeugen, dass dies für sie speziell keinen Sinn macht, und sie daher keine individuelle Genehmigung eines anderen Systems erhalten. Bei den Ausschreibungen soll die Höhe der Förderung vom jeweiligen Gebot des Bieters abhängig gemacht werden, dass heißt es sollen keine Nachverhandlungen möglich sein. Allerdings müssen kleine Anlagen unter 1 MW (6 MW für Wind) nicht einbezogen werden. Hier ist aus dem Text nicht ganz eindeutig erkennbar, welche Regelung dann für diese Anlagen gelten soll, insbesondere nicht, ob die Mitgliedstaaten hier weiter Einspeisetarife nutzen können. Dem scheint aber – da nichts anderes bestimmt wird – prinzipiell so zu sein.

Stromintensive – man nähert sich an …

Auch bei der Entlastung für stromintensive Unternehmen hat sich einiges getan: Während der erste Entwurf der Beihilfeleitlinien noch so hohe Hürden für eine Entlastung vorsah, dass nur vereinzelte Branchen in einem sehr geringen Ausmaß entlastet werden konnten, kommt der neue Entwurf den Unternehmen entgegen, wenn auch nicht alle schon zufrieden sein werden.

Der neue Leitlinienentwurf listet nun 62 Branchengruppen auf, die von den Zusatzkosten der Förderung der Erneuerbaren Energien entlastet werden können, und ermöglicht daneben den Mitgliedstaaten, auch einzelne Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zu entlasten. Die Hürden für die Einzelfall-Entlastung bleiben aber relativ hoch, und die Entlastung wird deutlich niedriger sein als im EEG 2012. Die größte Veränderung könnte für einige Unternehmen aber sein, wenn der Strom aus Eigenerzeugung nicht mehr privilegiert und von den Zusatzkosten der Förderung der Erneuerbaren Energien befreit würde.

Stromintensive – im Einzelnen …

Maßgebliches Kriterium für die Entlastung der Unternehmen bleibt weiterhin die Abwanderungsgefahr. Der Leitlinienentwurf listet im Anhang III 62 Branchengruppen (mit 65 Branchen) auf, die nach Ansicht der Kommission abwanderungsgefährdet sind. Nach den Kriterien der Kommission ist eine Branche dann abwanderungsgefährdet, wenn sie eine Stromintensität von 10 Prozent und eine Handelsintensität mit Drittstaaten von ebenso 10 Prozent aufweist. Das gleiche gilt, wenn der Sektor eine Stromintensität von 25 Prozent und eine Handelsintensität von 4 Prozent bzw. eine Stromintensität von 7 Prozent und eine Handelsintensität von 80 Prozent aufweist.

Aufgrund der Heterogenität mancher Branchen kann es vorkommen, dass  eine Branche die Kriterien nicht erfüllt, auch wenn einzelne ihr zugehörige Unternehmen dies tun. Die Mitgliedstaaten dürfen deshalb auch für einzelne Unternehmen, die nicht zu Annex 3-Branchen gehören, Entlastungen vorsehen. Dabei sieht die Kommission eine Abwanderungsgefahr jedoch nur dann gegeben, wenn das Unternehmen eine Stromintensität von 25 Prozent und dessen Sektor eine Handelsintensität mit Drittstaaten von 4 Prozent aufweist. Diese hohe Hürde ist ein Punkt, an dem die Unternehmen sicherlich weitere Nachbesserungen fordern werden. Viele Unternehmen beklagen sich, dass im Rahmen der Einzelfallentscheidung nicht alle Kriterien vom Mitgliedstaat verwendet werden dürfen, wie sie die Kommission bei der Erstellung der Liste im Anhang III verwendet hatte.

Aber auch bei der Höhe der Entlastung hat sich beim neuen Leitlinienentwurf etwas getan. Statt die Unternehmen fix mit mindesten 15 Prozent und ab 2018 20 Prozent der Zusatzkosten zu belasten, tragen die Unternehmen 20 Prozent der Zusatzkosten, jedenfalls soweit dies nicht 5 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung übersteigt. Bei besonders stromintensiven Unternehmen, deren Stromintensität über 20 Prozent liegt, ist die Zusatzbelastung auf 2,5 Prozent der Bruttowertschöpfung beschränkt.

Stromintensive – was heißt das für Deutschland?

Dies bedeutet aber für viele stromintensive deutsche Unternehmen, dass sich ihre Zusatzkosten durch die Förderung der Erneuerbaren Energien vervielfachen. Die Bundesregierung befürchtet, dass die besonders stromintensiven Unternehmen dies nicht ohne Einbußen ihrer Wettbewerbsfähigkeit tragen können. Sie peilt daher – dem Vernehmen nach – in den Verhandlungen mit der Kommission an, die Maximal-Belastung von 5 Prozent auf 2,5 Prozent bzw. von 2,5 Prozent auf 1 Prozent abzusenken.

Positiv ist zum Schluss noch zu erwähnen, dass die Kommission nun nicht mehr darauf besteht, dass die Unternehmen durch eine jährliche Pauschalzahlung im Nachhinein entlastet werden, was die Unternehmen durch unnötige Zinszahlungen weiter belasten würde.

Es bleiben aber noch immer  verschiedene Baustellen,  an denen die Kommission noch nachbessern muss. Immerhin sind wir einstweilen auf einem guten Weg.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Prof. Dr. Ines Zenke

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