Wenig schmackhaft – der Pancaking-Effekt auf der Verteilernetzebene (Teil 1)

Pfannkuchen Pancake Banane Erdbeere
© BBH

In der Energiewirtschaft gibt es den einen oder anderen Begriff, der Assoziationen weckt, die leider so gar nichts mit der Realität zu tun haben. So setzt „Entflechtung“ nicht unbedingt das Vorhandensein von Haaren voraus, und „Pooling“ ist auch nichts, was im Sommer zum Planschen einlädt. Ebenso trügerisch ist der Begriff des „Pancaking“ – und das gleich in doppelter Hinsicht: Nicht nur, dass es nichts mit Pfannkuchen zu tun hat, für die Betroffenen ist es auch alles andere als schmackhaft. In Teil 1 unserer kleinen Serie wollen wir Ihnen erklären, warum es den Stromnetzbetreibern nicht schmeckt und in einem Teil 2 uns dann ganz den Gasnetzbetreibern widmen.

Pancaking-Effekt = Aufsummierung von Netzentgelten

Unter Pancaking-Effekt wird in der Energiewirtschaft die Aufsummierung von Netzentgelten, insbesondere in der Verteilernetzebene, verstanden. Wie kann es dazu kommen? Nun, bei den Netzentgelten im Strom gilt bekanntlich das Prinzip der Kostenwälzung. Das bedeutet, dass ein Netznutzer nicht nur für die Netzebene bezahlen muss, an der er angeschlossen ist, sondern auch einen Anteil an den Netzkosten aller vorgelagerten Netzebenen. Ist der Kunde beispielsweise in Mittelspannung angeschlossen, enthält sein Mittelspannungsentgelt zugleich anteilig das Entgelt der vorgelagerten Höchst- und Hochspannungsebenen inkl. der jeweiligen Umspannebenen. Ein in Niederspannung angeschlossener Netznutzer zahlt anteilig für alle Spannungs- und Umspannebenen – von der Höchstspannung bis zur Niederspannung. Wenn alles richtig läuft, finanziert dadurch der Netzkunde jede vorgelagerte Netzebene, unabhängig davon, wie viele Leitungen er für seine Versorgung wirklich braucht, solidarisch jeweils einmal mit – und das fortlaufend über die verbrauchsabhängigen Netzentgelte. Nicht so, wenn es zum Pancaking kommt. Dann muss der Netznutzer für eine Netzebene zweimal zahlen.

Zu diesem Pancaking-Effekt kann es immer dann kommen, wenn die Eigentumsgrenze zwischen einem vor- und einem nachgelagerten Netz nicht zwischen zwei Netzebenen, sondern innerhalb einer Netzebene (z.B. in der Mittelspannung) liegt. Dann entstehen für beide Teilstücke der Mittelspannungsebene Kosten, die dann auch entsprechend weitergewälzt werden (müssen). Der vorgelagerte Netzbetreiber wälzt also seine Netzkosten für die gemeinsame Netzebene auf den nachgelagerten Netzbetreiber. Der nachgelagerte Netzbetreiber fügt seine Netzkosten für dieselbe Netzebene hinzu. Verbraucher, die an das nachgelagerte Netz angeschlossen sind, zahlen für die betreffende Netzebene also zwei Netzentgeltkomponenten. Dagegen zahlen Verbraucher, die direkt an das vorgelagerte Netz angeschlossen sind, nur den Netzkostenanteil der vorgelagerten Netzebene. Die Solidarität bei der Finanzierung der Netzebenen geht in diesem Fall also nur in eine Richtung. Der Pancaking-Effekt tritt ganz häufig dann auf, wenn ein Stadtwerk an das Netz eines regionalen Verteilernetzbetreibers angeschlossen ist. Die gemeinsame Netzebene ist ganz häufig die Mittelspannungsebene.

Schlecht für Netznutzer und betroffene Stadtwerke

Der unmittelbare Nachteil aus dem Pancaking-Effekt trifft zunächst die Netznutzer des nachgelagerten Stadtwerks: Sie zahlen zu viel. Denn sie finanzieren die regionalen Mittelspannungsleitungen des vorgelagerten Verteilernetzbetreibers solidarisch mit, wohingegen die Kunden des vorgelagerten Netzbetreibers das Mittelspannungsteilstück des Stadtwerks nicht mitfinanzieren. Und die betroffenen Stadtwerke? Sind deren Vornetzkosten nicht glücklicherweise ohnehin nur ein „durchlaufender Posten“? Leider nicht ganz. Die Netzentgeltregulierung dient ja bekanntlich dazu, im natürlichen Monopol „Netz“ eine Wettbewerbssituation zu simulieren. Das heißt, dass grundsätzlich nur die „erforderlichen“ Kosten eines Netzbetreibers anerkannt werden, also die, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Wettbewerb anfallen würden.

Genau da haben aber einige Regulierungsbehörden mit den Zusatzkosten durch den Pancaking-Effekt so ihre Zweifel. Darüber hinaus haben die betroffenen Stadtwerke aber auch einen handfesten wettbewerblichen Nachteil. Spätestens alle 20 Jahre müssen sie sich dem Wettbewerb um die Konzession stellen. Wie preisgünstig sie die Energieversorgung anbieten können, ist dabei in der Regel eines der zentralen Vergabekriterien der Kommune (vgl. §§ 46 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. 1 EnWG). Aber auch im Wettbewerb um große Stromkunden haben vom Pancaking-Effekt betroffene Stadtwerke oft das Nachsehen. Für stromintensive Unternehmen hat die Höhe der Netzentgelte mittlerweile durchaus Einfluss auf die Standortwahl. Und im Zweifel können sich einzelne Unternehmen über eine Direktleitung auch schnell an das vorgelagerte Netz anschließen lassen.

Dazu kommt, dass vorgelagerte Netzbetreiber teilweise Kosten aus niedrigeren Spannungsebenen der gemeinsamen Netzebene zuordnen. Im Ergebnis optimieren sie dadurch ihre Niederspannungsentgelte zu Lasten der Kunden der Stadtwerke. Das ist natürlich missbräuchlich und regulierungswidrig. Aber soll vorkommen….

Also – was tun?

Der Verordnungsgeber hat das Problem glücklicherweise erkannt. Nur mit der Lösung tut er sich etwas schwer. So sollen sich die Netzbetreiber nach § 14 Abs. 2 S. 3 StromNEV auf eine „sachgerechte Sonderregelung“ einigen, wenn der Pancaking-Effekt für die an das nachgelagerte Netz (in der gemeinsam genutzten oder in unterlagerten Ebenen) angeschlossenen Netzkunden zu einer „unbilligen Härte“ führt oder wenn die Betriebsmittel des vor- und nachgelagerten Netzbetreibers im betroffenen Netzbereich vermascht sind.

Soweit so unklar. Kaum verwunderlich also, dass es mittlerweile ein ganzes Panoptikum an Lösungen gibt: z.B. ein entfernungsabhängiger Rabatt auf die Netzentgelte des Vornetzbetreibers (so Landesregulierungsbehörde Baden-Württemberg) oder ein pauschaler Abschlag (wird so z.B. in Bayern flächendeckend angewendet), Kürzung auf die Kosten einer fiktiven Direktleitung (entsprechend § 20 Abs. 2 GasNEV) oder eine Pacht-Lösung. Vielfach wurden für die verschiedensten möglichen Pancaking-Konstellationen sinnvolle Lösungen getroffen, gleichwohl haben kleinere nachgelagerte Stadtwerke zuweilen Probleme, gegen den Vornetzbetreiber eine auch für sie angemessene Lösung durchzusetzen. Teilweise kündigen vorgelagerte Netzbetreiber auch ohne erkennbaren Rechtfertigungsgrund in der Vergangenheit gefundene Modelle auf.

Für bestimmte Pancaking-Standardsituationen gibt es ein Lösungsmodell, das die Bundesnetzagentur (BNetzA) entwickelt hat und das die Nachteile unter Wahrung der Prinzipien der Netzentgeltregulierung beseitigen kann. Demnach bildet der vorgelagerte Netzbetreiber für die gemeinsame Netzebene ein einheitliches Netzentgelt, dass dann für alle an die gemeinsame Netzebene angeschlossenen Kunden gilt (sog. „virtuelle Miet- oder Pachtlösung“).

Dieses Modell eignet sich für die Konstellationen, in denen der vorgelagerten Netzbetreiber die Betriebsmittel der gemeinsam genutzten Ebene in dem betroffenen Netzbereich ganz überwiegend selbst betreibt. Liegt der umgekehrte Fall vor – wenn also ein Großteil der Betriebsmittel zum nachgelagerten Netz gehört (oftmals in Hochspannung der Fall) – ist es hingegen sachgerecht, dass der nachgelagerte Netzbetreiber die Betriebsmittel des vorgelagerten Netzbetreiber „virtuell anpachtet“ und die gemeinsame Briefmarke bildet.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Matthias Albrecht/Stefan Missling/Dr. Thies Christian Hartmann

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