Wenn die Ermittler vor der Tür stehen … Teil 1: Die Durchsuchung

Man kann sich noch so rechtstreu verhalten, das eigene Unternehmen kann perfekt aufgestellt, alle Mitarbeiter sorgfältigst ausgewählt und geschult sein: Eine Behörde kann morgens vor der Tür des Unternehmens stehen und eine Durchsuchung durchführen wollen.

Da bei einer Durchsuchung der Behördenbesuch im Regelfall unangekündigt und somit überraschend kommt, ist es für die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens sehr wichtig zu wissen, wie sie sich in der Situation praktisch verhalten sollen. Wir geben auf die wichtigsten Fragen kurz und bündig Antwort.

Was ist eine Durchsuchung?

Eine Durchsuchung ist im Amtsdeutsch das unangekündigte Aufsuchen und Betreten von Grundstücken und Wohn- bzw. Unternehmensräumen zwecks Suche nach und Sicherstellung von Gegenständen, welche die Behörde zur Aufklärung eines Sachverhaltes und/oder zu Beweiszwecken benötigt.

Wie sollte ich mich generell verhalten bei einer Durchsuchung? Und wie bereite ich mich darauf vor?

Jede Durchsuchung begründet fast zwangsläufig erst einmal Beunruhigung und Aktionismus im Unternehmen. Empfehlenswert ist aber das Gegenteil. Es gilt, soweit möglich, Ruhe zu bewahren und überlegt und sachlich zu handeln. Gegenüber den Durchsuchungspersonen soll höflich und sachlich aufgetreten werden. Dabei gilt aber vor allem, dass die Kommunikation mit diesen nur auf die für den Vollzug der Durchsuchung und das Verhalten vor Ort notwendigen Informationen beschränkt wird und keine allgemeinen, informellen oder unverbindlichen Unterhaltungen mit den Durchsuchungspersonen geführt werden sollten.

Jedes Unternehmen muss sich auf die Ausnahmesituation Durchsuchung vorbereiten. Klare Handlungsanweisungen, funktionierende Kommunikationsketten und eventuell Schulungen oder Training sollten existieren – und das nicht erst „nach dem Ernstfall“.

Ist für eine Durchsuchung ein Durchsuchungsbefehl nötig?

Für eine Durchsuchung ist grundsätzlich ein Beschluss des zuständigen Amtsgerichts am Sitz des betroffenen Unternehmens nötig. Die richterliche Durchsuchungsanordnung enthält die Rechtsgrundlage, den Gegenstand und den Zweck der Durchsuchung. Kein Durchsuchungsbefehl ist nötig bei „Gefahr in Verzug“. Damit ist eine Situation gemeint, in der ein Zuwarten auf den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses nicht möglich ist, weil die Aufklärung des Sachverhaltes oder die Sicherstellung von Beweismitteln durch jede weitere Verzögerung erschwert oder unmöglich würde, z.B. wegen der Gefahr des Verschwindens/Vernichtens von Beweismitteln.

Was wird durchsucht?

Die Behörde kann – soweit der Durchsuchungsbeschluss ihr nicht ausdrückliche Beschränkungen auferlegt – alle Geschäftsräume und -grundstücke, darin bzw. darauf befindliches Mobiliar, Unterlagen, Korrespondenz, Dokumente, elektronische Dateien, Register, Skizzen etc. durchsuchen, sofern die Örtlichkeit oder durchsuchten Gegenstände nicht offensichtlich ungeeignet sind, die zur Aufklärung des Sachverhaltes oder zur Beweisführung benötigten Gegenstände aufzufinden.

Wann kann durchsucht werden?

Hat die Behörde einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss erwirkt, kann die Behörde in der Regel sowohl während als auch außerhalb der üblichen Geschäftszeit durchsuchen. Ohne einen solchen Beschluss ist die Durchsuchung außerhalb der Geschäftszeiten unzulässig. Durchsuchungen zur Nachtzeit (= zwischen 21.00 und 4.00/6.00 Uhr) sind aber nur erlaubt, wenn jede weitere Verzögerung den Zweck der Durchsuchung (Auffinden von Gegenständen) vereiteln könnte. Der Hausrechtsinhaber, in der Regel also ein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vertreter des Unternehmens, hat aber auch bei Durchsuchungen außerhalb der Geschäftszeit ein Recht auf Anwesenheit. Schafft es dieser nicht, sollte ein Vertreter anwesend sein.

Wer darf durchsuchen?

Eine Reihe von Behörden ist zu Durchsuchungen ermächtigt. Für die Energiewelt sind dies insbesondere:

Die Einzelheiten sind dann etwas genauer geregelt. Regulierungs- und Kartellbehörden bspw. dürfen zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtsbefugnisse über die Energieunternehmen Sachverhaltsermittlungen anstellen und entsprechend Beweiserhebungen durchführen. §§ 69 Abs. 4 Satz 4 EnWG, 59 Abs. 4 Satz 5 GWB sehen dabei vor, dass „die in Absatz 3 bezeichneten Personen während der Geschäftszeit die erforderlichen Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung vornehmen können“.

Wie läuft eine Durchsuchung normalerweise ab?

Gehen wir von folgender Szene aus: Es ist Montagmorgen, 6.10 Uhr. Mehrere Wagen fahren vor. Die Mitarbeiter der Behörde, die mit der Durchsuchung betraut sind (die sog. „Durchsuchungspersonen“), begehren Einlass in die Geschäftsräume/auf die Grundstücke des Unternehmens.

Der oder die mit dem Begehren konfrontierte Mitarbeiter (z.B. der Pförtner) muss unter allen Umständen sofort die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertreter des Unternehmens oder – bei deren Abwesenheit – deren Stellvertreter informieren. Hinterlegen Sie die wichtigsten Kontaktmöglichkeiten dort, wo sie benötigt werden: Pförtnerloge, Empfang, Vorstandsbürovorzimmer etc. Die Unternehmensleitung sollte nämlich möglichst schnell die Kommunikation mit den Durchsuchungspersonen selbst übernehmen.

Sie sollte sich nach dem Durchsuchungsbeschluss und den Namen der Durchsuchungspersonen und des Leiters der Durchsuchung sowie nach deren Telefonnummern erkundigen. Die Namen und ggf. auch Telefonnummern sollten notiert werden, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. In der Regel wird von den Durchsuchungspersonen ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss vorgezeigt werden.

Der Unternehmer hat keinen Anspruch auf eine Kopie des Durchsuchungsbeschlusses. Um eine solche Kopie sollte dennoch gebeten oder diese selbst angefertigt werden. Bei Verweigerung soll darauf hingewiesen werden, dass sonst die Möglichkeit fehlt, Inhalt und Grenzen der Durchsuchung zu prüfen.

Wenn sich die Durchsuchungspersonen auf Gefahr im Verzug berufen, sollte die Unternehmensleitung nach den konkret gesuchten Gegenständen und den Umständen fragen, die eine „Gefahr im Verzug“ begründen. Der Adressat der Durchsuchung hat ein Recht auf Beantwortung dieser Fragen, weil er sonst Umfang und Grenzen der Durchsuchung nicht nachprüfen kann.

Was passiert, wenn man die Durchsuchung verweigert?

Der Durchsuchungsbeschluss berechtigt die Durchsuchungspersonen zum Eintritt in die Geschäftsräume/auf die Unternehmensgrundstücke. Nur in Ausnahmefällen, wenn der richterliche Durchsuchungsbeschluss evidente Mängel aufweist, z. B. nicht zutreffende Firmen-, Namens- oder Adressangaben (es soll augenscheinlich ein anderes Unternehmen durchsucht werden) oder bei Ungültigkeit (ein Durchsuchungsbeschluss ist höchstens 6 Monate gültig) darf der Vollzug der Durchsuchung unter Hinweis auf diese eklatanten Mängel verweigert werden.

Im Übrigen darf der Vollzug der Durchsuchung nicht durch Verweigerung des Zutritts oder sonstige Verhinderungsmaßnahmen verweigert werden. Eine aktive Abwehr des Vollzugs der Durchsuchung kann ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB und damit eine Straftat sein.

Auch bei Gefahr im Verzug gilt, dass der Vollzug der Durchsuchung – außer im Falle eklatanter Verstöße, z. B. Durchsuchung während der frühesten Morgenstunden, der Nachtzeit oder am Wochenende (keine Geschäftszeit) – nicht verweigert werden darf, sondern geduldet werden muss.

Muss man sich mit der Durchsuchung einverstanden erklären?

So wie der Vollzug der Durchsuchung nicht behindert werden darf, darf auf der anderen Seite auch kein ausdrückliches oder stillschweigendes Einverständnis mit der Maßnahme erklärt werden. Dies kann in dem Falle, dass Rechtsmittel gegen die Durchsuchung nach §§ 306 ff. StPO eingelegt werden sollen, eine Schmälerung der eigenen Rechtsposition wegen zuvor einmal erteilten Einverständnisses bewirken. Dem Vollzug der Durchsuchung sollte daher deutlich widersprochen werden.

Darf man sich anwaltlichen Beistand holen?

Es empfiehlt sich dringend, schon zum Zeitpunkt des Einlassbegehrens, der Durchsuchungspersonen einen mit dem Unternehmen vertrauten Rechtsanwalt über die Durchsuchung zu informieren und auch zu der Durchsuchung hinzu zu bitten.

Die telefonische Unterrichtung eines Rechtsanwaltes dürfen die Durchsuchungspersonen nicht untersagen. Ein gesetzliches Anwesenheitsrecht hat der Rechtsanwalt nicht. Dies bedeutet aber noch nicht, dass der Rechtsanwalt nicht bei der Durchsuchung anwesend sein darf. Das Hausrecht steht auch im Falle der Durchsuchung weiterhin dem Unternehmen zu und wird durch den Unternehmer ausgeübt. Diese bestimmen daher auch über die Anwesenheit anderer Personen, wie z. B. des Rechtsanwaltes.

Grenzen ergeben sich hier aus dem Recht der Durchsuchungspersonen zur unbeeinträchtigten Durchführung der Durchsuchung. Personen, welche die Durchsuchungshandlungen stören, müssen entfernt werden. Die bloße Anwesenheit eines Rechtsanwaltes oder anderer Dritter, denen Unternehmer die Anwesenheit gestattet, ist aber noch keine Störung der Durchsuchung.

Darf man den Ermittlern etwas zu Trinken anbieten?

Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass in jedem Fall der Verdacht vermieden werden sollte, dass Mitarbeiter des Unternehmens den Durchsuchungspersonen Vorteile gewähren wollen, um auf diese Weise Einfluss auf die Ausführung der Durchsuchung oder weiterer hoheitlicher Maßnahmen zu nehmen.

Ein solches Handeln wäre gemäß §§ 333, 334 StGB strafbar. Bei den Durchsuchungspersonen handelt es sich um hoheitlich tätig werdende Personen, das heißt, um Amtsträger. Das wesentliche Merkmal ist hier der „Vorteil“, der gewährt werden muss. Ein Vorteil ist jede Leistung eines Zuwendenden, auf die der Amtsträger keinen gesetzlichen Anspruch hat und die ihn materiell oder immateriell in seiner persönlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Lage objektiv besser stellt. Obwohl diese Definition sehr weit gefasst ist, besteht Einigkeit darüber, dass Angebote, die einem höflichen Umgang und sozialadäquatem Verhalten entsprechen, nicht als Vorteile im Sinne des Bestechungstatbestandes gelten. Das Angebot von Kaffee, Tee oder Wasser entspricht einem sozial üblichen und höflichen Verhalten und ist kein Vorteil, der einem Amtsträger gewährt wird. Daher kann den Durchsuchungspersonen Kaffee, Tee oder Wasser angeboten werden.

Soll man mit den Ermittlern reden?

Unternehmensvertreter können gegenüber Behörden zur Erteilung von Auskünften verpflichtet sein. So etwa gegenüber den Energieregulierungsbehörden (§ 69 Abs. 2, 7 EnWG), der EU-Kommission (Art. 20 Abs. 2 lit. e VO Nr. 1/2003), den Finanzbehörden (§ 93 AO), den Bankaufsichtsbehörden (§§ 44 Abs. 1 KWG) und den deutschen Kartellbehörden (§ 59 GWB). Diese Verpflichtung gilt in der Regel aber nur, wenn das Auskunftsverlangen durch Beschluss der Behörde angeordnet wurde. Dabei sind normalerweise Rechtsgrundlage, Gegenstand und Zweck des Auskunftsverlangens anzugeben und es ist eine angemessene Frist zur Erteilung der Auskunft zu bestimmen.

Diese formalen Voraussetzungen können bei einem während einer Durchsuchung formulierten Auskunftsverlangen nicht eingehalten werden. Das heißt zugleich, dass sie dies auch nicht tun sollen. Mögen die Durchsuchungspersonen auch noch so informell und verbindlich wirken, es gilt, dass nur ein Schweigen verhindert, dass Informationen, Hinweise oder sonstige Aussagen von den Durchsuchungspersonen verwertet werden können.

Grundsätzlich gilt, dass Mitarbeiter des Unternehmens, sofern sie nicht dessen gesetzliche oder satzungsmäßige Vertreter sind, nicht verpflichtet sind, den Durchsuchungspersonen Auskunft auf Fragen zu erteilen.

Eine Aussagepflicht haben solche Mitarbeiter nur gegenüber Beamten der Staatsanwaltschaft in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sowie im Rahmen von Durchsuchungen der EU-Kommission und das auch nur insoweit, als sie durch eine Aussage nicht sich selbst oder nahe Angehörige in den Verdacht einer Straftat begeben.

Daher gilt auch, dass sich in der Regel kein Mitarbeiter gegenüber den Durchsuchungspersonen äußern sollte. Jede Spontanäußerung oder auch Äußerungen aufgrund von Andeutungen der Durchsuchungspersonen (Beispiel: „Schweigen macht alles schwieriger.“) sollten vermieden werden. Jede Aussage steht unwiderrufbar im Raum und kann von den Durchsuchungspersonen verwertet werden.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

Ansprechpartner im Rahmen der Regulierung: Prof. Dr. Christian Theobald/Prof. Dr. Ines Zenke

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