Wenn die Ermittler vor der Tür stehen … Teil 2: Die Beschlagnahme

Soll man gesuchte Gegenstände oder Unterlagen freiwillig herausrücken?

In der Regel sollten Unterlagen, Dokumente und sonstige Gegenstände nicht freiwillig an die Durchsuchungspersonen übergeben werden. Dies gilt unabhängig davon, ob Mitarbeiter oder Leitungspersonen um die Herausgabe solcher Gegenstände gebeten werden. Natürlich gilt aber auch hier, dass ein selbständiges Auffinden dieser Gegenstände durch die Durchsuchungspersonen auch nicht behindert werden darf. Dies wäre als aktiver Widerstand gegen Vollstreckungsmaßnahmen zu werten. Deshalb müssen Räume, Türen, Schränke, Schubfächer auf Bitte bzw. Anordnung der Durchsuchungspersonen geöffnet werden.

Im Einzelfall kann es auch angebracht sein, den Durchsuchungspersonen bestimmte Unterlagen freiwillig zu übergeben – etwa wenn zu befürchten steht, dass ansonsten mehr Nachteile wie z. B. Chaos als zumutbar entsteht.

Angebracht kann die freiwillige Herausgabe der gesuchten Gegenstände auch dann sein, wenn sonst zu befürchten steht, dass für die Fortführung des Geschäftsbetriebes wichtige Materialien von den Durchsuchungspersonen mitgenommen werden und dies durch die freiwillige Herausgabe verhindert werden kann. Durch eine freiwillige Herausgabe der gesuchten Gegenstände wird der Durchsuchungszweck erreicht und damit jede weitere Durchsuchung rechtswidrig.

Weder vor dem Beginn der Durchsuchung der Geschäftsräume durch die Durchsuchungspersonen noch während der Durchsuchung dürfen Gegenstände, Unterlagen oder Dokumente vernichtet, weggeworfen oder sonst beseitigt werden. Diese Aktivitäten werden von den Durchsuchungspersonen als Anzeichen für Gesetzeswidrigkeiten des Unternehmens gewertet werden, denn bei einem gesetzmäßigen Geschäftsbetrieb ist es nicht erforderlich, Gegenstände zwecks Vermeidung deren Auffindens zu beseitigen.

Dürfen die Ermittler Gegenstände und Unterlagen mitnehmen?

Im Rahmen von Durchsuchungen von Geschäftsräumen und Betriebsgrundstücken dürfen die zuständigen Behörden auch Gegenstände, die sich in den Räumen/ auf den Grundstücken befinden, beschlagnahmen.

Zur Beschlagnahme befugt sind u.a.

Eine Beschlagnahme von Gegenständen kann mit der Anordnung einer Durchsuchung verbunden werden.

Die vorstehenden Vorschriften ermächtigen die Behörden zur Verwahrungsnahme von Gegenständen, die als Beweismittel für Ermittlungen von Bedeutung sein können. Eine Inverwahrungnahme von Gegenständen mit Einwilligung des besitzenden Unternehmens ist eine Verwahrung, während eine Verwahrungnahme ohne oder gegen den Willen des besitzenden Unternehmens eine Beschlagnahme ist.

Die Mitarbeiter der Behörden dürfen anlässlich einer Einsichtnahme und Prüfung von Unterlagen vor Ort Dokumente und Unterlagen, in die sie Einsicht nehmen, auch in Verwahrung nehmen bzw. beschlagnahmen. Dieselbe Möglichkeit haben die Mitarbeiter der Behörde bei einer Durchsuchung hinsichtlich solcher Gegenstände, die zur Aufklärung des Sachverhaltes und/oder zu Beweiszwecken erforderlich oder nützlich sind.

Was darf mitgenommen werden?

Bei einer Vororteinsichtnahme in Unterlagen ist – wegen Beschränkung dieser Maßnahme – auf die in dem Beschluss oder der Einzelverfügung, in denen die Einsichtnahme angekündigt wurde, bezeichneten Unterlagen und Dokumente beschränkt. Eine Suche nach sonstigen Beweismitteln und Gegenständen, die zur Aufklärung der Sachlage dienlich sein könnten, kommt bei dieser Maßnahme nicht in Betracht. Bei einer Durchsuchung können die Mitarbeiter der Behörde gezielt nach sachdienlichen Beweismitteln, Gegenständen und Informationen suchen. Diese können dann auch gegen den Willen des Unternehmensinhabers oder der satzungsmäßigen Vertreter des Unternehmens beschlagnahmt werden.

Kann man die Mitnahme verweigern?

Die Mitarbeiter sollen die Durchsuchungspersonen nicht am Auffinden und der Sicherstellung bestimmter Gegenstände hindern. Sie sollen die Mitnahme aber grundsätzlich auch nicht durch Hinweise oder Herausgabe von Gegenständen fördern. Es empfiehlt sich daher, die Mitarbeiter anzuweisen, passive Duldung der Durchsuchungsmaßnahmen bei Vermeidung jeder aktiven Unterstützung nahe zu legen.

Benennt der Durchsuchungsbeschluss nur die Suche nach und die Sicherstellung von konkret bestimmten Gegenständen, so dürfen nur diese unter Hinweis auf den Durchsuchungsbeschluss mitgenommen werden. Von dem Durchsuchungsbeschluss klar nicht erfasste Gegenstände dürfen dann nicht mitgenommen werden. Darauf können die Durchsuchungspersonen hingewiesen werden. Häufig wird allerdings der Durchsuchungsbeschluss extensiver gefasst sein und die Möglichkeit vorsehen, alle relevanten Gegenstände mitnehmen zu können. Im Übrigen gilt auch hier, dass die Durchsuchungspersonen bei „Gefahr im Verzug“ auch weitere, vom Beschluss nicht erfasste Gegenstände mitnehmen dürfen.

Es besteht die Möglichkeit, dass vertretungsberechtigte Personen der Beschlagnahme ausdrücklich widersprechen. In diesem Falle muss die Behörde binnen drei Tagen die richterliche Bestätigung über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme einholen (vgl. etwa §§ 98 Abs. 2 StPO, 70 Abs. 2 EnWG, 59 Abs. 2 GWB, § 399 Abs. 1 AO). Es mag daher logisch (und verführerisch) erscheinen, immer und gleichsam automatisch Widerspruch einzulegen. Allerdings ist von einem solchen Verhalten im Normalfall, also insbesonders, wenn keine offenkundig rechtswidrige Beschlagnahme vorliegt, eher abzuraten, da der Widerspruch und die anschließende gerichtliche Prüfung in der Regel nur zur Verzögerung des Ermittlungsverfahrens führt und damit den Zeitpunkt, an dem beschlagnahmte (und im Unternehmen benötigte!) Gegenstände/Unterlagen von der Ermittlungsbehörde zurückgegeben werden, vielleicht nur hinauszögert.

Weiterhin sollte darauf geachtet werden, dass in einer anzufertigenden Niederschrift über die Durchsuchung (vgl. §§ 69 Abs. 4 EnWG, 107 StPO, 59 Abs. 4 GWB) oder in einem Anhang dazu diejenigen Dokumente, Unterlagen und Gegenstände aufgeführt werden, welche von den Durchsuchungspersonen beschlagnahmt werden. Die beschlagnahmten Gegenstände sollten dabei so genau wie möglich erfasst werden, so dass eine jederzeitige Identifizierung ermöglicht wird.

Sind Dokumente und Unterlagen von der Durchsuchung betroffen, deren Inhalt für den ordnungsgemäßen weiteren Geschäftsablauf des Unternehmens entscheidend ist, sollte gebeten werden, von diesen Dokumenten Kopien anfertigen zu dürfen. Auf die Anfertigung von Kopien besteht zwar kein gesetzlicher Anspruch. Allerdings steht die gesamte Durchsuchungsmaßnahme als hoheitlicher Eingriff unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Sprechen also keine zwingenden Gründe gegen die Anfertigung von Kopien von geschäftlichen Unterlagen, könnte die Verweigerung der Anfertigung von Kopien in einer gerichtlichen Überprüfung als unverhältnismäßig betrachtet werden, was die Rechtswidrigkeit der Maßnahme und damit deren Aufhebung bewirken könnte.

Wie wehrt man sich gerichtlich?

Gegen die Durchsuchung und gegen Beschlagnahmen können Rechtsbehelfe eingelegt werden. Gegen eine richterliche Anordnung der Durchsuchung und/oder der Beschlagnahme kann Beschwerde bei dem Amtsgericht eingelegt werden, das die Anordnung erlassen hat (vgl. etwa §§ 69 Abs. 4 EnWG, 59 Abs. 4 GWB, 399 Abs. 1 AO jeweils i.V.m § 306 ff. StPO).

Die Beschwerde hemmt jedoch die Vollziehung der Durchsuchung oder der Beschlagnahmeanordnung nicht. Das bedeutet, dass trotz der Beschwerde die mit der Durchsuchung betrauten Personen die Durchsuchung und ggf. Beschlagnahme von Gegenständen vornehmen können.

Deshalb ist zur Aussetzung des Vollzuges ein Antrag bei dem Gericht, das die Anordnung der Durchsuchung oder Beschlagnahme erlassen hat oder bei dem Beschwerdegericht entsprechend § 307 Abs. 2 StPO erforderlich. Beschwerdegericht ist in diesem Fall das übergeordnete Landgericht.

Nach vollzogener Durchsuchung ist die Beschwerde entsprechend § 306 StPO unzulässig. Stattdessen kann entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung beantragt werden. Dasselbe gilt, wenn das Unternehmen Einwände (nur) gegen die Art und Weise der durchgeführten Durchsuchung hat.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

Ansprechpartner im Rahmen der Regulierung: Prof. Dr. Christian Theobald/Prof. Dr. Ines Zenke

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