Wie die Agrar-Photovoltaik zukunftsfähige Landwirtschaft und nachhaltige Energieerzeugung miteinander vereint

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Im EEG 2021 (wir berichteten) soll das Ziel verankert werden, dass der gesamte Strom in Deutschland 2050 treibhausgasneutral ist. Dies soll sowohl für den hier erzeugten als auch für den hier verbrauchten Strom gelten. Um dies zu erreichen, wird derzeit u.a. eine Steigerung der installierten Leistung von Solaranlagen auf 100 Gigawatt im Jahr 2030 angestrebt. Werden solche Anlagen auf Agrarböden installiert, drohen Nutzungskonflikte und der notwendige Ausbau könnte gebremst werden. Agrar-Photovoltaik (APV) – teilweise auch als Agro-Photovoltaik bezeichnet – kann dieses Problem entschärfen. So stehen beispielsweise die APV-Module einer Versuchsanlage des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Heggelbach auf sechs Meter hohen Ständern. Große Traktoren und Mähdrescher können unter den Solaranlagen daher problemlos fahren und eine Bewirtschaftung der Felder ist damit nach wie vor möglich. Vertikale APV-Anlagen erlauben, mit Maschinen zwischen den Modulen zu arbeiten. Auch eine Beweidung mit Nutztieren ist eine Option. Allerdings sind bei der Agrar-Photovoltaik noch einige rechtliche Fragen ungeklärt. Wir haben mit BBH-Partner, Rechtsanwalt und Dipl.-Forstwirt (Univ.) Jens Vollprecht darüber gesprochen, wo die Probleme liegen.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Vollprecht, eine Doppelverwertung von Flächen, sowohl zur Erzeugung von Strom als auch zur Produktion von Nahrungs- bzw. Futtermitteln, das klingt ja nach einer absoluten Win-Win-Situation für die Landwirtschaft und die Energiewende. Warum wird das nicht flächendeckend gemacht?

Vollprecht: Hemmnisse ergeben sich insbesondere aus dem komplexen Rechtsrahmen. Dies betrifft beispielsweise das öffentliche Recht und das Energierecht. Für Landwirte stehen aber häufig die Fragen rund um die EU-Agrarsubventionen im Vordergrund.

BBH-Blog: Sie spielen auf die Frage an, ob eine landwirtschaftliche Fläche wegen der Agrar-PV ihre Beihilfefähigkeit für EU-Agrarsubventionen verliert. Können Sie uns die juristische Zwickmühle etwas näher erklären?

Vollprecht: Nach der DirektZahlDurchfV werden Flächen, auf denen sich Anlagen zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie befinden, hauptsächlich für eine nicht-landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt. Damit könnten für diese Flächen keine Beihilfen beansprucht werden. Meines Erachtens muss man diese Vorschrift jedoch mit der „europarechtlichen Brille“ lesen: Die landwirtschaftliche Tätigkeit darf durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der Agrar-PV „nur“ nicht zu stark eingeschränkt werden. In diesem Fall hat man gute Karten, die Voraussetzungen für die Beihilfen zu erfüllen.

BBH-Blog: Gibt es daneben auch bauplanungsrechtliche Hürden für die Agrar-PV?

Vollprecht: Häufig liegen die Flächen ja im sog. unbeplanten Außenbereich. Dieser soll grundsätzlich von einer Bebauung frei bleiben. Allerdings gibt es Ausnahmen. Sind diese erfüllt, ist der Weg frei. So beispielsweise – verkürzt gesagt –, wenn das Vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Hier kommt es sehr auf die Verhältnisse „vor Ort“ an. Die richtige Konzeption des Projekts ist wichtig. Im Bereich eines Bebauungsplans können die Festsetzungen zur Art der Nutzung eine Herausforderung sein. Denn die in der BauNVO vorgesehenen Siedlungsbausteine berücksichtigen die hier vorliegende Doppelnutzung der Fläche nicht so, wie man es sich wünschen würde. Ideal wäre daher die Einführung eines Sondergebiets „Agrar-Photovoltaik“.

BBH-Blog: Sie erwähnten auch das Energierecht. Was ist hier zu beachten?

Vollprecht: Wird Strom verbraucht, fällt die EEG-Umlage an. Diese liegt dezeit bei 6,756 Cent pro Kilowattstunde, also ein nicht unerheblicher Betrag. Es gibt allerdings Möglichkeiten, die Umlage zu reduzieren. So beispielsweise im Falle der Eigenversorgung. Da kann es allerdings schnell kompliziert werden. Andere Abgaben und Umlagen, nicht zu vergessen die Stromsteuer, sind darüber hinaus im Auge zu behalten.

Mit Blick auf die finanzielle Förderung nach dem EEG ist zu bedenken, dass diese für Strom aus Anlagen auf Ackerflächen grundsätzlich nicht in Anspruch genommen werden kann. Manche Bundesländer haben dies für „Ausschreibungsanlagen“ ermöglicht. Verkürzt gesagt also derzeit Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 750 kW. Auch bei APV-Anlagen auf Gebäuden oder baulichen Anlagen, die vorrangig zu anderen Zwecken als der Solarstromerzeugung errichtet wurden, lassen sich Wege finden. Denkbar ist aber auch ein Leben ohne EEG-Förderung und die damit einhergehenden Einengungen, insbesondere mit Blick auf die Flächenkulisse. Zauberwort sind hier die sog. PPA.

Unabhängig von der Flächenkulisse hat der Betreiber allerdings Anspruch auf vorrangigen Netzanschluss und auf vorrangige Abnahme des Stroms aus seiner APV-Anlage.

BBH-Blog: Werden wir für die Agrar-Photovoltaik ein völlig neues Förderinstrument einführen müssen oder reiht sich das in den bestehenden Rechtsrahmen ein?

Vollprecht: Wie bereits angedeutet, ist die finanzielle Förderung nach dem EEG für APV-Anlagen teilweise mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden. Da bei Agrar-PV eine Doppelnutzung vorliegt – landwirtschaftliche und energetische Nutzung – und diese Anlagen damit ein wichtiger Motor für die Energiewende werden können, sollte meines Erachtens ein eigener Fördertatbestand im EEG geschaffen werden. Der Sachverhalt ist mit der Doppelnutzung bei Gebäuden bzw. baulichen Anlagen vergleichbar. Deshalb könnte die Regelung für APV-Anlagen ganz ähnlich ausgestaltet werden. Wichtig ist allerdings: Es muss sichergestellt werden, dass die Fläche tatsächlich landwirtschaftlich genutzt und „Feigenblattkonzepte“ damit von einer finanziellen Förderung klar ausgeschlossen sind.

Derzeit sind die Investitionskosten für APV-Anlagen noch etwas höher als bei herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen. Deshalb müsste für einen Übergangszeitraum noch eine Zusatzvergütung gewährt werden. Eine solche Zusatzvergütung könnte den Betreibern von APV-Anlagen bei entsprechender Ausgestaltung auch helfen, sich in den Ausschreibungen durchzusetzen.

Interessant finde ich, dass im derzeitigen Entwurf des EEG 2021 aufgrund der höheren Kosten für Aufdachanlagen eine eigene Ausschreibung für diesen Anlagentypus vorgesehen ist. Vielleicht könnte man dann im gleichen Zuge auch eine Ausschreibung speziell für APV-Anlagen einführen.

BBH-Blog: Wie muss man sich die gesellschaftsrechtlichen Konstellationen vorstellen? Der Grundstückseigentümer ist gleichzeitig Eigentümer der PV-Anlage oder sind hier Pachtmodelle vorgesehen?

Vollprecht: Das hängt ganz davon ab, was man möchte. Anlagenbetreiber und Stromverbraucher müssen – neben anderen Voraussetzungen – personenidentisch sein, wenn die EEG-Umlage über den Weg „Eigenversorgung“ reduziert werden soll. Entscheidend ist dabei aber nicht das Eigentum: Auch wenn ein Dritter Eigentümer der APV-Anlage ist, kann der Landwirt Betreiber der Anlage werden. Dies gelingt über entsprechende Pachtverträge. Diese müssen aber richtig ausgestaltet werden – und hier steckt der Teufel im Detail.

Dabei noch ein kurzer Hinweis: Selbstverständlich ist es auch denkbar, dass Anwohner in das Projekt „einsteigen“. Für die Konzeption solcher Bürgersolargesellschaften ist dann gesellschaftsrechtliches Know-how gefragt.

BBH-Blog: In dem bereits erwähnten Pilotprojekt auf einem Demeter-Hof in Heggelbach wird die Machbarkeit für die Agrar-Photovoltaik analysiert. Wie sind hier die Erkenntnisse?

Vollprecht: In technischer Hinsicht ergeben sich keine gravierenden Schwierigkeiten. Die verwendeten Solarzellen sind halbtransparent und können deshalb sogar beidseitig Licht absorbieren. Dies steigert den Stromertrag um acht Prozent. Am erstaunlichsten sind aber die landwirtschaftlichen Erträge: Obwohl die Sonnenstrahlung rund ein Drittel geringer war als auf den Freiflächen, erzielten die Biobauern im Jahr 2018 unter der APV-Anlage bessere Ergebnisse als auf den Vergleichsflächen daneben: Bei Kartoffeln und Winterweizen lagen die Erträge um je drei, bei Sellerie sogar um zwölf Prozent höher. Lediglich bei Klee gab es ein Minus von acht Prozent. Schattenliebende Pflanzen profitieren am meisten, aber geringere Verdunstung und niedrigere Bodentemperaturen kommen allen Gewächsen zugute.

BBH-Blog: Wie ist Ihre Einschätzung: Wird die Agrar-PV „a next big thing“ in der Erneuerbaren-Branche werden?

Vollprecht: Für mich spricht derzeit tatsächlich viel dafür, dass diese Technik zukünftig eine wichtige Rolle spielen wird. Diese Anlagen könnten ebenso wie z.B. Agrarforstsysteme integraler Bestandteil einer zukunftsfähigen Landwirtschaft werden. Denn die mit dem Klimawandel einhergehenden Extreme wie Starkregen, hohe Sonneneinstrahlung, Hagel oder Hitzeperioden können für erhebliche Ernteeinbußen sorgen. APV kann die Kulturen bei entsprechender Konzeption vor diesen Einflüssen schützen und ist damit insoweit auch für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und die Ernährungssicherung wichtig. Zusätzlich werden die Wertschöpfung in der Region und die ländliche Entwicklung gefördert. Denn APV-Projekte sind prädestiniert dafür, dezentral von Landwirten, Kommunen sowie klein- und mittelständischen Unternehmen getragen zu werden. Auch für Stadtwerke können diese Konzepte meines Erachtens ein interessantes Betätigungsfeld sein! Wichtig ist und bleibt allerdings das berühmte Augenmaß – insbesondere mit Blick auf das Landschaftsbild.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Vollprecht, herzlichen Dank für das spannende Gespräch.

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