Wie sich die Abschaffung der fiktiven Hin- und Rücklieferung bei KWK-Anlagen auf die Umsatzsteuer auswirkt
Insbesondere bei Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) wird der erzeugte Strom häufig vollständig selbst verbraucht, sodass keine Einspeisung in das Elektrizitätsversorgungsnetz erfolgt. Bislang wurde in solchen Fällen erst eine Lieferung des in der Anlage erzeugten Stroms an den Netzbetreiber fingiert und sodann entsprechende Rücklieferungen in Höhe des Eigenverbrauchs. Hintergrund war, dass die Zuschläge, die der Anlagenbetreiber nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) vom Netzbetreiber erhält, an die erzeugten Strommengen anknüpfen.
Hier stellte sich die Frage, wie diese fiktiven Lieferungen umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Die Lieferung von Strom unterliegt grundsätzlich der Umsatzsteuer. Durch die Fiktion der Lieferung sowie der Rücklieferung unterlagen die gewährten KWK-Zuschläge bislang ebenfalls der Umsatzsteuer.
Diese seit Jahren praktizierte Handhabung war nur für Anlagenbetreiber problematisch, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren. Hierzu zählten insbesondere Abwasserentsorger, die auf ihren Kläranlagen oftmals nach dem KWKG geförderte Blockheizkraftwerke betrieben.
Warum die Umsatzsteuerpflicht entfällt
Nachdem die beiden für das Umsatzsteuerrecht zuständigen Senate des Bundesfinanzhofs (BFH, Az. V R 22/21 vom 11.5.2023, Az. XI R 18/21 vom 29.11.2022) entschieden haben, dass der dezentral verbrauchte Strom weder an den Netzbetreiber geliefert noch an den Anlagenbetreiber zurückgeliefert wird, konnte die Finanzverwaltung ihre Lieferfiktion nicht mehr aufrechterhalten. Der BFH begründete seine Entscheidungen damit, dass eine steuerbare Lieferung das Verschaffen von Verfügungsmacht erfordere. Diese fehlt jedoch bei dem vom Anlagenbetreiber erzeugten und selbst verbrauchten Strom, da dieser bereits verwendet wurde. Es liegen daher keine Lieferungen vor, womit auch eine Umsatzsteuerpflicht entfällt.
Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 31.3.2025 auf die vorgenannten Urteile reagiert, ihre im Umsatzsteueranwendungserlass niedergelegte Auffassung geändert sowie die oben genannten Urteile zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt freigegeben. Damit sind die Grundsätze der beiden BFH-Entscheidungen über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anwendbar.
Konkret bedeutet das: Strom, der zwar erzeugt, aber nicht eingespeist, sondern direkt vor Ort verbraucht wird, begründet keine umsatzsteuerpflichtige Lieferung. Weil kein Leistungsaustausch zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber vorliegt, ist der für den Direktverbrauch oder die Direktvermarktung nach dem KWKG gezahlte KWK-Zuschlag ein nichtsteuerbarer echter Zuschuss an den Anlagenbetreiber. Dies hat für den nicht vorsteuerabzugsberechtigten Anlagenbetreiber den Vorteil, dass er den selbst erzeugten Strom nicht mehr als umsatzsteuerpflichtige Leistung erwerben und damit eine Kürzung seines KWK-Zuschlags hinnehmen muss. Allerdings entfällt dann auch der Vorsteuerabzug bei Erwerb bzw. Herstellung der KWK-Anlage.
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Gleichzeitig beanstandet die Finanzverwaltung nicht, wenn die Beteiligten für vor dem 1. Januar 2026 ausgeführte Umsätze übereinstimmend weiterhin von einer Umsatzsteuerpflicht ausgehen.
Anlagenbetreiber sollten Netzbetreiber kontaktieren
Nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Anlagenbetreiber sollten den jeweiligen Netzbetreiber kontaktieren, um eine Korrektur der Hin- aber insbesondere auch der Rücklieferung zu prüfen und etwaige Ansprüche gegenüber dem Netzbetreiber durchsetzen. Sofern und so weit eine Berichtigung der Umsatzsteuer noch möglich ist, ist auch mit Blick auf die bereits geltend gemachten Vorsteuerabzugsrechte zu prüfen, ob und inwieweit die Berichtigung auch tatsächlich sinnvoll ist. In manchen Fällen kann es vorteilhaft sein, die bisherige Abrechnungspraxis unter Ausnutzung der Übergangsregelung fortzuführen. Unsere Experten unterstützen Sie selbstverständlich gerne dabei und vertreten Ihre Interessen gegenüber den Netzbetreibern.
Ansprechpartner:innen: Tobias Sengenberger/Niko Liebheit/Sophia von Hake/Björn Jeske/Hilda Faut
Ansprechpartner:innen KWKG: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel/Dr. Heiner Faßbender