Windwasserstoff – Die Energiewende nutzt neue Energieträger

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Bisher dreht sich die Diskussion um die Energiewende hauptsächlich darum, wie man regenerativen Strom erzeugt. Daneben aber geraten zunehmend andere Fragen in den Blick – wie transportiert man ihn, wie speichert man ihn, wie ermöglicht man Dezentralität und Flexibilität? Es geht um Netze, Speicher und weitere Flexibilitätsinstrumente, die erforderlich sind, um das steigende Angebot von Strom gerade aus fluktuierenden Energiequellen wie Wind und Sonne auszugleichen. Und Strom ist nur ein Teilaspekt. Auch Kraftstoff und Wärme werfen Fragen auf. Gerade im Kraftstoffbereich wird derzeit hinterfragt, wie nachhaltig Biokraftstoffe wirklich sind und ob sie helfen, die Klimaschutzziele zu erfüllen.

Mit Hilfe der Elektrolyse kann man unter Einsatz von Strom vornehmlich aus Windenergie Wasserstoff erzeugen. Dies könnte diese Schwierigkeiten lösen helfen. Unter dem Stichwort Power-to-Gas werden in der Branche Möglichkeiten zur Umwandlung von (Wind-)Strom in Wasserstoff und Methan zum Zweck der Energiespeicherung intensiv diskutiert. Mehrere Unternehmen planen Pilotanlagen oder haben diese bereits in Betrieb genommen.

Diese Konzepte weiten den Blick gegenüber dem bisherigen Verständnis von Energiespeicherung: Mit Wasserstoff geht es keinesfalls „nur“ darum, (Wind-)Strom zwischenzuspeichern und den gewonnenen Wasserstoff zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu verstromen. Energetisch und ökonomisch kann ein Einsatz des Wasserstoffs als (grüner) Kraftstoff oder in der Industrie weitaus effizienter sein. Um eine „Speicherung“ handelt es sich dabei gleichwohl – denn damit wird Elektrizität in Wasserstoff und somit in ein speicherfähiges Medium umgewandelt.

Die Gewinnung und der Einsatz von Windwasserstoff in der Industrie und im Verkehr wurde nun für die Region Unterelbe in einer Studie von Ernst & Young, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik und Becker Büttner Held eingehend untersucht. Dabei ging es der von ChemCoast e.V. initiierten Studie um die wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Gewinnung und des Einsatzes von Windwasserstoff über die gesamte Wertschöpfungskette. Als Referenz für den Marktpreis für Windwasserstoff wurde eine schwer zu unterbietende Größe genommen: Windwasserstoff sollte sich mit Wasserstoff messen, der heute in Dampfreformern unter Einsatz von Erdgas gewonnen wird. Schon angesichts der derzeit niedrigen Erdgaspreise erstaunt nicht, dass Windwasserstoff auf absehbare Zeit unter den heutigen Marktbedingungen mit diesem Preis kaum konkurrieren kann.

Die Studie zeigt aber auch, welche Potentiale in der Gewinnung von Windwasserstoff für die Region Unterelbe liegen und wie groß der Beitrag sein könnte, der mit diesem Konzept zur Umsetzung der Energiewende geleistet werden kann. Die Nutzung von Windwasserstoff könnte zukünftig aus wirtschaftlicher und technischer Sicht deutlich effizienter werden als heute. Hierzu zeigt die Studie zu erwartende fallende Herstellungskosten gerade bei der Elektrolysetechnik auf. Außerdem wurde in der Studie das Aufkommen an „Überschussstrom“, insbesondere aus Windenergie im Zeitraum bis 2025 analysiert. Deutlich wurde hierbei, dass sich die zu erwartenden Überschussstrommengen in einer großen Bandbreite bewegen – je nach dem, in welchem Maße der für das Gelingen der Energiewende notwendige Netzausbau voranschreitet. Nimmt man ein mittleres Szenario an, so ergeben sich nach den Ergebnissen der Studie im Jahr 2025 Überschussströme zwar nur etwa während 1000 Stunden in der untersuchten Region. Deutlich wird aber die Abhängigkeit der Überschussstrommengen vom Netzausbau. Zudem ist nach den Ergebnissen der Studie mit einer steigenden Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu rechnen. Durch den Aufbau einer Infrastruktur für Wasserstoff könnte in der Region ein Marktplatz geschaffen werden.

Windwasserstoff-Konzepte sind komplex, aber gerade deshalb interessant. Es geht dabei darum, einen Langzeitspeicher für überschüssige Strommengen zu schaffen und die Klimaschutzziele im Verkehrssektor und in der Industrie voranzubringen. Die Studie arbeitet hierzu mit einer „Farbenlehre“: Sie unterscheidet insbesondere zwischen grünem Wasserstoff, der unter Einsatz von regenerativem Strom gewonnen wird, gelbem Wasserstoff aus der Elektrolyse mit Strom von der Börse und braunem Wasserstoff als Wasserstoff aus dem Erdgas-Dampfreformer. Damit ergibt sich ein viel deutlicheres Bild von den Mengen und dem Potenzial einer zukünftigen Windwasserstoff-Wirtschaft. Zugleich liegt nahe, in einer Übergangszeit eine Mischung verschiedener „Wasserstoff-Arten“ zuzulassen und so die durchaus erheblichen Kosten der Technologie heute zu minimieren und die Technologieentwicklung voran zu bringen.

Zwar wurde die Wasserelektrolyse als Möglichkeit der Energiespeicherung in einzelnen Vorschriften bei den Novellen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG 2011) und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2012) berücksichtigt. Im Einzelfall können diese Vorschriften sowie die Regelungen des EEG zur Direktvermarktung schon heute für die Gewinnung und den Einsatz von Wasserstoff genutzt werden. Die beschriebene Komplexität von Windwasserstoff wird im geltenden Rechtsrahmen allerdings kaum hinreichend wiedergegeben. Windwasserstoff stellt damit nicht nur technische und wirtschaftliche, sondern auch rechtliche Herausforderungen. Auch hierfür zeigt die Studie Antworten in Form verschiedener Maßnahmen auf.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock

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