Rechte von Dateninhabern gestärkt: Neuer Entwurf des Geologiedatengesetzes, neuer Diskussionsbedarf

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Die Bundesregierung, zuständig ist der Bundeswirtschaftsminister, arbeitet derzeit am neuen Geologiedatengesetz (GeolDG). Es soll geologische Daten öffentlich verfügbar machen und so für eine bessere Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Suche eines Atomendlagers für hochradioaktive Abfälle helfen (wir berichteten). Am 4.3.2020 fand im Bundestag die erste Beratung zum GeolDG statt, am heutigen Donnerstag wird nach halbstündiger Debatte dann über einen nachgebesserten Gesetzesvorschlag abgestimmt. Wir zeigen, was sich in der Zwischenzeit am Entwurf getan hat.

Widerstand gegen den ersten Entwurf

Der Februar-Entwurf des GeolDG (BT-Drs. 19/17285) verpflichtet all diejenigen, die geologische Daten zum Untergrund sammeln, diese auch mit der jeweiligen Landesbehörde zu teilen, damit sie – gegebenenfalls nach einem gewissen Zeitablauf – die Daten auch der Öffentlichkeit verfügbar machen kann. Allerdings: Bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle kann die Behörde die ihr übergebenen Daten auch direkt für die Öffentlichkeit freigeben – noch vor den gesetzlich festgelegten Fristen. Schon früh im Gesetzesverfahren hatten die Länder u.a. diesen Punkt kritisiert, da Unternehmen um den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse fürchteten.

Nachdem sich also Widerstand gegen den Entwurf des GeolDG regte und man eine wacklige Zustimmungsfähigkeit im Bundesrat befürchten musste, sahen sich die Fraktionen der Großen Koalition zu einigen Änderungen an der Gesetzesvorlage veranlasst. Am 9.3.2020 lud der zuständige Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie zu einer öffentlichen Anhörung und ließ Vertreter von Verbänden, Wissenschaft und Industrie zu Wort kommen. Diese Diskussion hatte auch einige Änderungen am Entwurf des GeolDG zur Folge.

Einstweiliger Rechtsschutz der Betroffenen wird gestärkt und Datenraum eingerichtet

Der Februar-Entwurf des GeolDG sah vor, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Veröffentlichung von Geologiedaten keine aufschiebende Wirkung haben. Die Behörde konnte also erst einmal die Daten veröffentlichen und brauchte sich keine Gedanken um mögliche Einwände des Betroffenen machen. Nach dem neuen Entwurf hat die zuständige Behörde ihren Entschluss, die Daten zu veröffentlichen, dem Betroffenen sechs Wochen vor der tatsächlichen Bereitstellung zuzustellen. Innerhalb dieser Zeit kann der Betroffene entscheiden, ob er Widerspruch gegen diese Veröffentlichung einlegt. Zwar hat der Widerspruch nach wie vor keine aufschiebende Wirkung; falls der Betroffene aber parallel einen einstweiligen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 VwGO stellt, wird die Behörde – bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung – die Daten gerade nicht öffentlich bereitstellen. Stattdessen wird sie die Daten in einem geschützten Datenraum mit nur sehr beschränktem Zugang ablegen.

Im Zusammenhang mit dem Datenraum kommt dann das Nationale Begleitgremium (NBG) ins Spiel: Das nach § 8 StandAG definierte „pluralistisch zusammengesetzte“ Gremium hat die Aufgabe, die Atomendlagersuche vermittelnd, unabhängig und auch fachlich zu begleiten, praktisch als neutrale Verbindung zwischen Staat und Bürgern. Es besteht aus Mitgliedern aus Politik und Wissenschaft – aber auch die  Zivilgesellschaft ist vertreten – und soll für nötige Bürgernähe und Transparenz des Verfahrens sorgen. Das NBG selbst hat stets Zugang zu diesem Datenraum, kann aber zusätzlich  bis zu fünf externe Sachverständige (diese jedoch ohne eigene wirtschaftliche Interessen!) beauftragen, um die im Datenraum nicht oder noch nicht öffentlichen Geologiedaten einzusehen und zu begutachten sowie dem NBG zu berichten. Mittels Stellungnahmen soll sich das NBG öffentlich dazu äußern, ob diese Daten von dem Vorhabenträger, der mit der Endlagersuche staatlich betrauten Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE), zutreffend bewertet, sachgerecht ausgewertet und für die Endlagersuche fachlich richtig berücksichtigt wurden. Das NBG wird also quasi in Stellvertretung eine öffentliche Bewertung vornehmen und so die notwendige Nachvollziehbarkeit der Entscheidung schaffen.

Ist die Einsichtnahme durch ein Expertengremium wirklich transparente Bürgerbeteiligung?

Diese Konstruktion aus Datenraum und Einsichtsrecht für NBG-Experten stößt dennoch auf Kritik: Auch auf diese Art und Weise würden die Transparenz-Vorgaben des Standortauswahlgesetzes nicht erfüllt, weil betroffene Bürger und die Öffentlichkeit sich so gerade nicht über einen unmittelbaren Zugriff auf die geologischen Primärdaten ein eigenes Bild machen könnten. Vielmehr  bekämen sie lediglich das Ergebnis eines langen Auswertungs- und Verwaltungsverfahrens präsentiert. Eine für die breite Öffentlichkeit weiterhin intransparente Entscheidung, so die Befürchtungen, bekäme dann ja irgendwie nur den oberflächlichen Anstrich von Transparenz. Die Grünen-Fraktion dagegen hat wiederum einen eigenen Vorschlag, um dieses Problem zu vermeiden, und will für die Endlagersuche relevante Daten nach Zeitablauf von fünf Jahren grundsätzlich veröffentlichen und dies nur dann beschränken soweit ein besonders zu schützendes Interesse des Betroffenen gegeben ist. Man wird sehen, ob diese Kritik verfängt oder ob die eingeschränkte Einsicht in den Datenraum und die Stellungnahmen durch das NBG einen zufriedenstellenden Kompromiss darstellt. In seiner Begründung hält der Gesetzgeber zumindest fest, dass „der Umfang der geologischen Daten, die für das Standortauswahlverfahren benötigt werden und entscheidungserheblich sind, die aber auf Grund dieses Gesetzes nicht oder noch nicht öffentlich bereitgestellt werden dürfen, aller Voraussicht nach sehr gering ist, da der Vorhabenträger nach dem Standortauswahlgesetz im Wesentlichen eigene Bewertungen und Modellierungen des Untergrunds auf Grund geologischer Fachdaten vornehmen wird. Der Großteil der in Deutschland vorhandenen geologischen Fachdaten stammt aber aus den Jahren vor 2011, für die die Fristen dieses Gesetzes bereits abgelaufen sind.“ Für Bürger in einer möglichen Region für ein Endlager wäre das kein Trost, wenn gerade die Daten ihres Untergrunds nicht frei zugänglich und die getroffenen Entscheidungen für sie nicht nachvollziehbar sind.

Was übrigens die Kosten angeht, hat sich die Große Koalition entschlossen, der Forderung der Länder nachzukommen, die Finanzierung zu unterstützen, die notwendig ist, um die nötige IT-Infrastruktur zur Umsetzung ihrer Aufgaben aus dem GeolDG aufzubauen. Im Februar noch hatte der Bundesrat den Bund aufgefordert (BR-Drs. 13/20 (Beschluss)), sich an den „vorsichtig geschätzten“ Kosten von 350.000 Euro je Land angemessen zu beteiligen. Der Bund könnte hier mit einer zweckgebundenen Einmalzahlung also durchaus sinnvoll in die digitale Infrastruktur Deutschlands investieren – das hatte man sich im Koalitionsvertrag 2018 schließlich so gewünscht. Die Haushälter haben jedoch einen kleinen Stolperstein eingearbeitet: Es ist zunächst zu prüfen, ob diese Finanzhilfe „an anderer Stelle kompensiert werden kann“.

Wie geht es weiter?

Nach der heutigen Lesung im Bundestag folgt der Auftritt des Bundesrates am 15.5.2020 zu dem zustimmungspflichtigen Gesetz. Baden-Württemberg hatte im Vorfeld bereits angemerkt, dass bitte alle im Verfahren eingesammelten und nicht nur die aufbereiteten und fertig interpretierten geologischen Daten von den Bürgern eingesehen werden sollen. Ein solcher, gerade unabhängiger Zugriff auf geologische Primärdaten sei nicht sichergestellt. Weiter bemängelte das Land, dass die Bearbeitungsfristen der Kategorisierung geologischer Daten zu kurz seien. Nur mit den entsprechenden Änderungen könne mit Zustimmung zum Gesetz im Bundesrat gerechnet werden, kann man „zwischen den Zeilen lesen“. Im Klartext: auf den Vermittlungsausschuss verzichtet werden…

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke

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