Die BImSchG-Novelle: Tempo für Genehmigungsverfahren
Am 9. Juli ist die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) in Kraft getreten. Ziel der Novelle ist die Verfahrensbeschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE). Die Ampel hatte sich bereits im Koalitionsvertrag vorgenommen, den Rechtsrahmen effizienter zu gestalten, um den Ausbau der EE zu beschleunigen. Dafür hat sie sich nun auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt.
Klima als Schutzgut
Zweck des BImSchG ist es, bestimmte Güter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und ihrem Entstehen vorzubeugen. Die Novelle führt „Klima“ erstmals explizit als Schutzgut ein. Damit können auf der Grundlage des BImSchG nun auch klimaschutzrechtliche Verordnungen erlassen werden. Umgekehrt werden Weichen für die Abwägung gestellt.
Sicherheiten vor Erteilung der Genehmigung
Die Novellierung des BImSchG bringt vorteilhafte Änderungen für das Stadium vor der Genehmigungserteilung mit sich. Bislang war der vorzeitige Baubeginn nur dann möglich, wenn nach erster Prüfung des Antrags durch die Genehmigungsbehörde mit einer positiven Entscheidung über den Antrag gerechnet werden konnte. Diese Anforderung gilt auf Antrag der Vorhabenträger nicht mehr, sofern es um die Genehmigung einer Anlage auf einem bereits bestehenden Standort oder um eine Änderungsgenehmigung geht (§ 8a Abs. 1 S. 2 n.F.).
Außerdem wird der sogenannte Vorbescheid in seiner verfahrensbeschleunigenden Wirkung im Bereich der Windkraft erheblich gestärkt. Künftig kann über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen für Windenergieanlagen bei berechtigtem Interesse per Vorbescheid entschieden werden, ohne dass eine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden muss. Bislang mussten für Vorbescheide alle Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können – ein echtes Hemmnis für Vorbescheidsverfahren. Zwar berechtigt der Vorbescheid selbst noch nicht zur Errichtung der Windenergieanlage, seine Erteilung soll aber die Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen erhöhen.
Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens
Der Zeitraum für die Beteiligung von Fachbehörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt werden, wird erheblich gestrafft (§ 10 Abs. 5 n.F.). Außerdem kann die Genehmigungsbehörde die siebenmonatige Frist zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag jetzt nur noch einmalig um bis zu drei Monate verlängern und muss dies begründen (§ 10 Abs. 6a n.F.). Der Fristbeginn kann künftig auch nicht mehr hinausgezögert werden: Die Behörde hat einen Monat Zeit, die Antragsunterlagen auf ihre Vollständigkeit zu prüfen – wenn sie keine Unterlagen nachfordert, beginnt die Entscheidungsfrist von sieben Monaten automatisch zu laufen (§ 7 Abs. 1 S. 1 9. BImSchV n.F.). Nun ist also einzig der vollständige Eingang der Unterlagen für den Beginn der Frist entscheidend und nicht mehr die behördliche Vollständigkeitserklärung (§ 7 Abs. 2 S. 4 n.F.). Ob dies in der Praxis aber tatsächlich zu einer Beschleunigung führt oder sich das Verfahren künftig eher über der Frage verzögert, ob die Unterlagen vollständig sind und die Fristen zu laufen begonnen haben, muss sich erst noch erweisen.
Speziell für Verfahren zur Genehmigung von Windenergieanlagen sieht die BImSchG-Novelle etwas strengere Regelungen für Rechtsbehelfe Dritter vor, die sich gegen die Projekte wehren wollen. Künftig muss ein Widerspruch binnen eines Monats nach seiner Erhebung begründet werden, sonst soll die Behörde ihn zurückweisen (§ 63 Abs. 1 S. 2-4 n.F.). Wenn sich Dritte gegen eine geplante Windenergieanlage mit einer Höhe von mehr als 50 Metern wenden möchten und die Einlegung des Rechtsbehelfs ausnahmsweise einen vorläufigen Baustopp erreichen soll, muss dies innerhalb von einem Monat nach Kenntnisnahme beantragt und begründet werden (§ 63 Abs. 2 S. 1 n.F.).
Mehr Digitalisierung
Das Antragsverfahren soll weitgehend elektronisch durchgeführt werden – mit der Einschränkung, dass die Behörde trotzdem noch eine Übermittlung von Dokumenten in Papierform verlangen kann (§ 10 Abs. 1 S. 4-6 n.F.). Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist ebenfalls betroffen, denn Bekanntmachung und Auslegung des Vorhabens und der Genehmigung werden künftig durch Veröffentlichung im Internet bewirkt (§ 10 Abs. 3 S. 3-6 und Abs. 8 S. 4-6 n.F.). Beteiligte können aber weiterhin eine für sie leichter zugängliche Form verlangen, und auch Vorhabenträger können der Veröffentlichung im Internet widersprechen.
Eine erneute Änderung ist allerdings schon jetzt in Sicht, da die Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben aus der sog. RED III-Richtlinie noch aussteht. Sie betrifft wiederum Genehmigungsverfahren für EE-Projekte in sog. Beschleunigungsgebieten. Neben dem BImSchG wird dafür eine Reihe anderer Gesetze reformiert werden, was die Verfahren weiter straffen wird. Unter anderem soll das Genehmigungsverfahren ab Ende 2025 vollständig elektronisch ablaufen. Das Änderungsgesetz muss aber zunächst das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.
Erleichterungen für Repowering
Beim Repowering werden alte Kraftwerksteile durch neue Anlagenteile ersetzt, sodass mehr Strom an bereits bestehenden Anlagen produziert werden kann. Diese Prozesse müssen möglichst einfach umsetzbar sein, um das Repowering attraktiv zu machen. Hier setzt auch die BImSchG-Novelle an: Sie erweitert den Begriff insofern, als Repowering nun ausdrücklich unabhängig ist vom Umfang der baulichen Größenunterschiede, der Leistungssteigerungen oder der Veränderung der Anlagenzahl im Verhältnis zur Bestandsanlage (§ 16b Abs. 2 S. 1 n.F.). Für den vollständigen Austausch der Anlage haben Vorhabenträger künftig mehr Zeit und können den Standort flexibler auswählen. Außerdem gehören nun nicht mehr alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Standard-Prüfungsschema, sondern nur noch solche des Raumordnungs-, des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts sowie Belange des Arbeitsschutzes und des Rechts der Natura-2000-Gebiete (§ 16b Abs. 4 n.F.). Schließlich wurde die Typenänderung von Windenergieanlagen erheblich erleichtert (§ 16b Abs. 7-10).
Die zentrale Herausforderung in der Praxis
Die Novelle des BImSchG enthält wichtige Neuerungen für die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und hat das Potenzial, die Errichtung neuer und die Umgestaltung bestehender Anlagen zu vereinfachen. Einige Detailfragen sind noch offen und eine zentrale Herausforderung bleibt auch nach der Novelle bestehen – die personellen Ressourcen. Die gesetzliche Verankerung der Fristverkürzungen und andere Verfahrensstraffungen kommen nur zum Tragen, wenn es genug Menschen gibt, die die wesentlichen Entscheidungen innerhalb der vorgesehenen Zeit treffen. Das Beschleunigungspotenzial des novellierten BImSchG wird sich also erst in der Praxis beweisen.
Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow