Nachhaltigkeit bei Bauvergaben: Vorgaben beachten und Bedarf ermitteln

Zahlreiche Gesetze und anstehende Gesetzesinitiativen geben der Klimapolitik einen neuen Rahmen. Sie gehen auch mit einem gesteigerten Anspruch an die Nachhaltigkeit der Beschaffung einher. Nachhaltigkeit umfasst neben den ökologischen Aspekten (umweltfreundlich, ressourcenschonend, recycling-fähig, geringer Co2-Abdruck usw.) auch soziale Aspekte (Arbeitsbedingungen, faire Entlohnung etc.) und die Wirtschaftlichkeit. Zwischen diesen drei Säulen der Nachhaltigkeit ist ein sachgerechter Ausgleich zu finden.

Nachhaltige Bauvergabe – was ist zu beachten?

Öffentliche Auftraggeber müssen die veränderten gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Auftragsvergabe berücksichtigen, ebenso wie die teils sehr individuellen Vorgaben aus Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskonzepten öffentlicher Aufgabenträger. Das trifft auf alle Arten von Beschaffungsgegenständen zu, aber im Moment stehen bei vielen öffentlichen Auftraggebern Bauleistungen im Fokus.

Bei den gesetzlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeit sind zunächst die Klimaschutzgesetze des Bundes und der Länder zu beachten. Das Klimaschutzgesetz (KSG) auf Bundesebene existiert seit 2019. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im März 2021 über seine Unvereinbarkeit mit den Grundrechten hat der Gesetzgeber es im Jahr 2021 nachgebessert. Es soll sicherstellen, dass Deutschland die nationalen Klimaschutzziele erreicht und die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben gewährleisten, unter anderem mit einem verbindlichen Reduktionspfad. Daneben haben Länder ihre eigene Zielvorgaben in Gesetzesform gegossen.

Auf Landesebene hat sich zuletzt Niedersachsen mit dem „Niedersächsischen Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes und zur Minderung der Folgen des Klimawandels“ (NKlimaG) hervorgetan. Es hebt die Treibhausgas-Minderungsziele an, verkürzt den Minderungspfad und führt eine Photovoltaikpflicht auf allen Neubauten ein. Zudem enthält es kommunale Pflichtaufgaben für den Klimaschutz.

Bundesweit relevant im Kontext der Nachhaltigkeit von Gebäuden ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das am 1.11.2020 in Kraft getreten ist. Das GEG enthält grundlegende Bedingungen zur Gebäudeenergieeffizienz und bestimmt unter anderem Einzelheiten über erneuerbare Energien in Gebäuden oder die energetischen Anforderungen an beheizte und klimatisierte Gebäude. Dabei richtet es sich sowohl an Eigentümer von Bestandsgebäuden als auch an Errichter von Neubauten. Während erstere Nachrüst- und Austauschpflichten erfüllen müssen, müssen beim Neubau in einem bestimmten Umfang Erneuerbare-Energien-Anlagen zwingend genutzt werden. Weitere Änderung des GEG sind zum 1.1.2023 geplant.

Nachhaltigkeitsaspekte bei der Bauvergabe

Für Gebäude und Infrastrukturen der Daseinsversorgung gibt es also Vorgaben, die der Umsetzung der Klimawende bzw. der Nachhaltigkeit dienen – und öffentliche Auftraggeber müssen diese im Rahmen der Beschaffung berücksichtigen. Das gilt nicht nur für Neubauten, sondern insbesondere auch bestehende Gebäude und sonstige Infrastrukturen müssen künftig baulich angepasst werden. Sinnvoll für eine effektive Umsetzung ist die Entwicklung eines Klimaschutz- oder Nachhaltigkeitskonzepts für die Sanierung von Bestandsgebäuden und die Planung von Neubauten. Hinzu kommen Maßnahmen der Energieversorgung wie z.B. die Errichtung von PV-Anlagen auf Dächern, die Einbindung von thermischer PV, die Sanierung bzw. Erneuerung der Wärmeversorgung, (Teil-)Eigenversorgungsmodelle usw. Die dafür notwendigen Leistungen sind von öffentlichen Auftraggebern regelmäßig im Rahmen von Ausschreibungen zu vergeben.

Das Vergaberecht hält die geeigneten Instrumente bereit: Nach den in § 97 GWB niedergelegten Vergabegrundsätzen werden umweltbezogene Aspekte im Rahmen des Vergabeverfahrens berücksichtigt (§ 97 Abs. 3 GWB). Öffentliche Auftraggeber haben also die Möglichkeit, gesetzlich vorgegebene Mindeststandards für Nachhaltigkeit, sei es über Eignungskriterien, Mindestanforderungen oder über Auswahlkriterien in das Vergabeverfahren einzubringen. Darüber hinaus bieten die Verfahrensarten mit dem Verhandlungsverfahren und dem wettbewerblichen Dialog geeignete Rahmenbedingungen, um auch konzeptionelle Lösungen sinnvoll auszuschreiben und mit den potenziellen Auftragnehmern vor Auftragsvergabe zu diskutieren.

Beschaffungsinhalte bestimmen

Vermehrt werden Beschaffungen zur Umsetzung von klimaschützenden Maßnahmen und Sanierungen zur Verbesserung der Energieeffizienz durch Fördermittel unterstützt. Dann wird durch die jeweiligen Nebenbestimmungen die Einhaltung des Vergaberechts zur Auflage erhoben. Um vergaberechtliche Verstöße zu vermeiden, die zur Rückforderung von erteilten Zuwendungen führen können, sollte ein besonderer Schwerpunkt auf die Vorbereitung der Vergabe gelegt werden. Dabei lautet die Kernfrage: „Was will ich konkret beschaffen, wo ist mein Bedarf?“. Mit dem Instrument der Markterkundung lassen sich eine Vielzahl von Informationswegen nutzen, um die optimalen Beschaffungsinhalte zu bestimmen. Es kann etwa sinnvoll sein, Gespräche mit Marktakteuren führen, um die Vergabe vorzubereiten. Denn gerade im Bereich des Klimaschutzes finden sich immer wieder innovative sowie neue Methoden und Produkte, die ohne Marktrecherche (noch) nicht bekannt sind.

Ansprechpartner*innen: Dr. Roman Ringwald/Nikolas Barfknecht/Agnes Eva Müller

P.S. Sie interessieren sich für dieses Thema? Informationen und Tipps für die Praxis gibt es bei unserem Webinar „Nachhaltigkeit bei Bauvergaben“ am 21.9.2022.

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