Neuregelung im BGB: Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen (Teil 1)

Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Mit dem Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) vom 10.10.2024 soll der Umgang mit diesem Instrument vereinfacht werden. Grund genug, sich mit diesem Thema genauer zu befassen. In diesem Beitrag stellen wir die bisherige Praxis vor. Wie sich die Neuregelung auf die Praxis auswirken wird, erklären wir in einem weiteren Beitrag.

Dienstbarkeiten als Sicherungsinstrument für EE-Anlagen

Zu diesem Zweck werden typischerweise eine ganze Reihe von Rechten im Grundbuch eingetragen:

Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten werden vorrangig eingesetzt, um die vertraglich vereinbarten Rechte des Betreibers der EE-Anlagen im Grundbuch abzusichern. Die Dienstbarkeiten verhindern auch, dass die Anlagen trotz ihrer festen Verbindung mit Grund und Boden des jeweiligen Grundstücks als wesentliche Bestandteile des Grundstücks gelten. Die Anlagen bleiben damit als sog. Scheinbestandteile sonderrechtsfähig. Ohne die Sonderrechtsfähigkeit wären kein Verkauf und keine Sicherungsübereignung der Anlagen möglich. Daher sind die Dienstbarkeiten auch ein wichtiges Instrument, um die Finanzierung der EE-Anlagen durch Banken zu ermöglichen.

  • > Anlagenbetriebsrecht,
  • > Abstandsflächenrechte,
  • > Überbauungsrechte (Rotorüberstreichungsrecht),
  • > Leitungsrechte sowie
  • > Geh- und Fahrrechte.

Praktisch wichtig sind auch Unterlassungsdienstbarkeiten, die ein Bau- und Bepflanzungsverbot auf (Nachbar-)Grundstücken der Anlage begründen. Damit wird verhindert, dass Photovoltaikanlagen beschattet werden oder dass Windenergieanlagen wegen benachbarter Windenergieanlagen weniger Strom produzieren können („Windklau“).

Umgang mit Dienstbarkeiten in der Praxis

Im Grundbuch eingetragene beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sind grundsätzlich nicht auf Dritte übertragbar. Um trotz dieser Einschränkung Wind- und Solar-Projekte einschließlich der Grundbuchrechte übertragen zu können, werden meistens gleichzeitig mit der Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für den Betrieb der Anlage mehrere Vormerkungen bestellt, um die Verkehrsfähigkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf diesem Umweg herzustellen.

Insbesondere dann, wenn ein Verkauf des Projekts oder der fertigen EE-Anlage beabsichtigt ist und damit auch die Projektrechte übertragen werden sollen, werden dafür Vormerkungen bestellt und in das Grundbuch eingetragen. Auch die finanzierenden Banken verlangen die Eintragung von Vormerkungen zur Absicherung ihrer Ansprüche aus den Darlehensverträgen.

Dass das möglich ist, ist nicht selbstverständlich: Der Käufer des Projekts oder die finanzierende Bank steht bei der Eintragung der Dienstbarkeiten häufig noch nicht fest. Eine Vormerkung kann aber nicht für einen noch unbekannten Berechtigten eingetragen werden. Um dennoch Vormerkungen eintragen zu können, muss der Anlagenbetreiber zu einem Trick greifen: Der Anlagenbetreiber lässt sich Vormerkungen eintragen, die das Recht des Anlagenbetreibers sichern, dass der Grundstückseigentümer einem Käufer, einer Bank oder einem von dieser Bank benannten Dritten eine inhaltsgleiche beschränkte persönliche Dienstbarkeit wie die zu Gunsten des Anlagenbetreibers bestellt. Wenn der Käufer oder die Bank dann feststehen, kann der Anlagenbetreiber diese schuldrechtlichen Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer an den Käufer bzw. die Bank abtreten. Da die Vormerkung akzessorisch ist, geht sie mit der Abtretung des Anspruchs automatisch auf den Käufer bzw. die Bank über. Der Anlagenbetreiber kann dann beantragen, dass die Vormerkung im Grundbuch umgeschrieben wird.

Dabei steckt der Teufel wie so häufig im Detail: Eine Vormerkung kann nicht mehrere schuldrechtliche Ansprüche absichern. Deshalb hat z.B. das OLG München entschieden, dass der Anspruch der Bank, eine Dienstbarkeit für sich selbst eintragen zu lassen, und der Anspruch der Bank, eine Dienstbarkeit für einen von der Bank bestimmten Dritten eintragen zu lassen, nicht durch eine einzige Vormerkung gesichert werden kann. Der Anlagenbetreiber muss somit eine separate Vormerkung für jede Möglichkeit einer Übertragung eintragen lassen: Eine Vormerkung für den Käufer, eine weitere Vormerkung für die Bank und eine dritte Vormerkung für den von der Bank bestimmten Dritten.

Was aber passiert, wenn das Projekt verkauft wurde und der Käufer die Dienstbarkeit zu seinen Gunsten im Grundbuch hat eintragen lassen? Ist die Vormerkung dann „verbraucht“? Muss der Grundstückseigentümer dem Käufer eine neue Vormerkung bewilligen, wenn der Käufer das Projekt weiterverkaufen will? Die Rechtsprechung ist hier großzügig: Wenn der schuldrechtliche Anspruch auf Eintragung der Dienstbarkeit nicht erlöschen soll, sobald er erfüllt wurde, sondern zur mehrfachen Erfüllung übernommen wird, kann auch die Vormerkung mehrfach genutzt werden. Man spricht dann von einer sogenannten „revolvierenden“ Vormerkung.

Um Dienstbarkeiten leichter eintragen zu können, bietet es sich an, dass der Eigentümer dem Berechtigten in der Bewilligungsurkunde eine Vollmacht ausstellt. Diese Vollmacht ermöglicht es dem Berechtigten, anstelle des Eigentümers die durch Vormerkung gesicherten Rechte einzutragen. Der Berechtigte sollte zudem Untervollmachten erteilen dürfen, damit er die finanzierende Bank bevollmächtigen kann, die Rechte zu ihren Gunsten selbst zu bewilligen.

Neue Möglichkeiten nach aktueller Rechtslage

Diesen etwas komplizierten Weg zur Eintragung und Übertragung der Rechte im Grundbuch möchte der Gesetzgeber nun erleichtern. Was genau sich dahinter verbirgt und wie die Praxis die neuen Möglichkeiten nutzen kann, stellen wir in einem weiteren Beitrag vor.

Ansprechpartner:innen: Wolfram von Blumenthal/Micha Klewar/Anja Straßer

weitere Ansprechpartner: Andreas Große/Alexander Bartsch

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