Erdgasumstellung: Kann es noch viel schneller gehen?
Auf die Verteilernetzbetreiber in den L-Gas Gebieten wie auf die Umstellungsdienstleister kommen große Herausforderungen zu. Denn es steht nicht nur die Umstellung von L- auf H-Gas und die damit verbundene Anpassung sämtlicher Gasverbrauchsgeräte (insgesamt über 5,5 Mio.) an, die allein schon einen enormen Organisations- und Durchführungsaufwand bedeutet. Jetzt muss auch noch alles viel schneller gehen als ursprünglich gedacht.
Zum Hintergrund: Die Erdgasversorgung wird in großen Teilen Nord-/Westdeutschlands sukzessive von L- auf H-Gas umgestellt. Angesichts der andauernden Erdbebenaktivitäten in Groningen wird der Import von L-Gas aus den Niederlanden schrittweise bis 2030 eingestellt. Zudem gehen die nationalen Vorkommen zur Neige (wir berichteten).
Die Umstellung ist keine Kleinigkeit, aber nun soll sie auch noch in einer wesentlich kürzeren Zeit erfolgen. Zwar wird es bei der grundsätzlichen Zeitplanung bis 2030 bleiben, aber die Detailplanung strafft die Zahl der anzupassenden Gasverbrauchsgeräte im Zeitraum von 2021 bis 2025 erheblich. Dies haben die Fernleitungsnetzbetreiber in ihrem am 31.3.2017 veröffentlichten Umsetzungsbericht vorgesehen, wonach sich die Anpassungszahl in der Spitze von 450.000 auf bis zu 550.000 Geräte erhöht, insbesondere dadurch, dass einzelne Netzgebiete die Geräte früher anpassen sollen. Die Konsultation des Umstellungsberichts durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) wurde Anfang Mai abgeschlossen, die Positionierung der Behörde zu den Stellungnahmen wird erwartet.
Doch selbst die anspruchsvolle, aktuelle Zeitplanung der Fernleitungsnetzbetreiber ist in Gefahr. Das niederländische Wirtschaftsministerium hat fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des Umsetzungsberichts angekündigt, die rückläufige L-Gas-Produktion ab Oktober 2017 im Verhältnis zur bisherigen Planung nochmals um 10 Prozent zu drosseln. Dabei wurden auch weitere Kürzungen für die Zukunft nicht ausgeschlossen, sofern weiterhin Risiken bei der Gasförderung im Groninger Raum bestehen sollten.
Der Umsetzungsbericht lässt völlig offen, ob und wie der Markt die Herausforderungen bewältigen kann. Zu klären ist nicht nur die Frage, ob die vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) zertifizierten Umstellungsdienstleister genügend qualifizierte Monteure bereitstellen können. Hier wird die Anpassungsperiode bis zum Winter 2017 ein erstes wichtiges Indiz liefern, da ca. 100.000 Geräte zur Anpassung stehen. Fakt ist, dass alle Unternehmen noch Kapazitäten aufbauen.
Auch muss geklärt werden, ob und wie die Planungen flankiert werden müssen – etwa ob die Leistung der L-Gas-Speicher und der nationalen Produktion abgesichert werden muss oder eine vorzeitigere Umstellung der industriellen Großverbraucher erforderlich ist. Nicht zuletzt müssen Fragen der Versorgungssicherheit geklärt und Alternativszenarien diskutiert werden, vor allem für den Fall einer weiteren außerplanmäßigen Kürzung der L-Gas-Importmengen.
Besonders betroffen von diesen Entwicklungen sind die Verteilernetzbetreiber, die die Versorgung der Letztverbraucher mit Erdgas garantieren und nach der gesetzlichen Aufgabenzuweisung letztlich die Verantwortung für das Gelingen des Anpassungsprozesses tragen. Schon jetzt ist klar, dass sich jeder betroffene Netzbetreiber im L-Gas-Bereich mit der Thematik auseinandersetzen muss, um auf eine mögliche weitere zeitliche Straffung des Prozesses vorbereitet zu sein.
Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Peter Bergmann/Dr. Olaf Däuper/Christian Thole
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