Ein halbes Jahr verpflichtender Online-Vertragsabschluss für Netzbetreiber: Die Unsicherheiten bleiben

Seit Anfang 2024 sind alle Netzbetreiber verpflichtet, den Abschluss von Netzanschlussverträgen in der Niederspannung online anzubieten (§ 6 Abs. 1 NAV; § 19 Abs. 4 NAV). Selbst ein gutes halbes Jahr nach der Einführung stellen sich – auch jenseits der technischen Umsetzung – hierbei immer noch viele rechtliche Fragen und Probleme für den Netzbetreiber.

Vorgaben an Vertragsabschlüsse im Internet

Auch ein online abgeschlossener Netzanschlussvertrag kommt ganz klassisch durch Angebot und Annahme zustande. Allerdings verlangt der Gesetzgeber bei Vertragsabschlüssen über das Internet die Einhaltung einer Vielzahl verschiedener – vor allem verbraucherschützender – gesetzlicher (Informations-)Pflichten. Diese allgemeingültigen Informationspflichten betreffen auch den nunmehr verbindlich vorzuhaltenden Prozess zum Abschluss von Netzanschlussverträgen auf der Internetseite des Netzbetreibers. Der Netzbetreiber hat die allgemeingültigen Pflichten bei der Ausgestaltung seines Vertragsabschlussprozesses zu berücksichtigen und abzubilden.

Dies betrifft zum einen Informationspflichten, die § 312d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a EGBGB für den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit einem Verbraucher i. S. d. § 13 BGB aufstellt. Zum anderen sind die Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312i BGB und § 312j BGB umzusetzen.

Eine Umsetzung dieser Pflichten kann im Zusammenhang mit dem Abschluss von Netzanschlussverträgen über das Internet Schwierigkeiten bereiten. Insbesondere bei den Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr hatte der Gesetzgeber nämlich erkennbar den Vertragsabschlussprozess im klassischen E-Commerce im Sinn. Die Pflichten finden nach ihrem gesetzlichen Anwendungsbereich Anwendung auf den Abschluss von Netzanschlussverträgen, tragen den Besonderheiten des Abschlussprozesses nach den Vorgaben der NAV jedoch teils nicht hinreichend Rechnung. Zudem wirken sich einige dieser Pflichten auch unmittelbar auf die technische Ausgestaltung des Vertragsabschlussprozesses aus. Beispielsweise muss der Unternehmer nach dem Gesetzeswortlaut technische Mittel zum Erkennen und Berichtigen von Eingabefehlern zur Verfügung stellen. Was unter diesen technischen Mitteln zu verstehen sein soll und wie sie ausgestaltet sein müssen, lässt das Gesetz allerdings offen.

Netzbetreiber sollten sich bei der Umsetzung ihrer Pflichten aus § 6 Abs. 1 NAV und § 19 Abs. 4 NAV deshalb frühzeitig Gedanken machen, wie sie die allgemeinen Anforderungen an Vertragsabschlüsse im Internet in ihrem Prozess berücksichtigen und umsetzen.

Vorgaben zum Kündigungsbutton

Darüber hinaus muss der Netzbetreiber einen Kündigungsbutton nach § 312k BGB auf seiner Website bereithalten. Diese Pflicht gilt für alle Unternehmen, die den Abschluss eines Vertrages eines Dauerschuldverhältnisses (wie also der Netzanschlussvertrag) über das Internet ermöglichen.

Auch die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zum Kündigungsbutton bereitet vielen Unternehmen weiterhin Schwierigkeiten. So konnte im Jahr 2023 festgestellt werden, dass beispielsweise der Kündigungsbutton auf weit weniger als der Hälfte der untersuchten Websites rechtskonform eingebunden war. Und in der letzten Untersuchung aus März 2024 kam man zu dem Ergebnis, dass jeder fünfte Anbieter noch immer gar keinen Kündigungsbutton umgesetzt hat. Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Abmahnungen ist dies ein erschreckendes Ergebnis.

Ansprechpartner*innen: Dr. Erik Ahnis, Dominique Couval, Anne-Kathrin Gerth, Christopher Hanke

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