Surfen auf der Anfechtungswelle

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Wann kann man davon ausgehen, dass ein Unternehmen von der drohenden Zahlungsunfähigkeit seines Geschäftspartners wusste? Diese Frage steht immer im Mittelpunkt, wenn es um Insolvenzanfechtung geht. Berichte aus der Wirtschaftspresse, das Zahlungsverhalten des Unternehmens oder der konsequente Gebrauch von Mahnschreiben und Kündigungsandrohungen sind Kriterien, die hier eine Rolle spielen können – und zwar bis zu 10 Jahre zurück, bevor die Insolvenz beantragt wurde. Wenn der Insolvenzverwalter Zahlungen zurückfordert und sich das betroffene Unternehmen dagegen gerichtlich wehrt, würdigt das Gericht in seiner Entscheidung in einer Gesamtschau alle Indizien, die auf eine Kenntnis der drohenden Insolvenz hätten hinweisen können. Das bedeutet auch, dass im Prinzip jede Entscheidung Einzelfallcharakter besitzt.

Von regelrechten Anfechtungswellen kann man seit einigen Jahren bei den Insolvenzverfahren von TelDaFax und Flexstrom sprechen. Hier werden hunderte von Netzbetreibern mit Rückforderungsansprüchen der Insolvenzverwalter konfrontiert und empfangene Zahlungen aus unterschiedlichen langen Zeiträumen zurückgefordert. In einigen Fällen einigte man sich auf Vergleichszahlungen, in vielen anderen wehren sich die Netzbetreiber aber gerichtlich gegen die Anfechtungen. Immer mehr Gerichte entscheiden hier zugunsten der Netzbetreiber, obwohl ansonsten in der Rechtsprechung grundsätzlich eine eher anfechtungsfreundliche Auslegung des Insolvenzrechts dominiert.

Für eines der TelDaFax-Verfahren (wir berichteten) hatte bereits das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main am 14.7.2015 bestätigt (Az. 14 U 154/14), dass es keinen Rückforderungsanspruch gibt, da der Netzbetreiber nicht zwingend von der Zahlungsunwissenheit wissen konnte; selbst in den drei Monaten vor der tatsächlichen Insolvenz seien die Hinweise nicht eindeutig gewesen. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Gericht deshalb nicht zugelassen. Dies wollte der Insolvenzverwalter Dr. Biner Bähr nicht so einfach hinnehmen und legte Beschwerde gegen diese Nichtzulassung der Revision ein. Diese hat der BGH nun zurückgewiesen (Beschl. v. 15.9.2016, Az. IX ZR 152/15). Damit kam nun erstmals ein TelDaFax-Verfahren vor dem BGH zum Abschluss.

Dass nun auch die höchstrichterliche Rechtsprechung die Rückforderungsansprüche des TelDaFax-Insolvenzverwalters abbügelt, bestätigt die Auffassung, dass nicht jeder Hinweis bzw. jede Wahrnehmung von Zahlungsschwierigkeiten den zwingenden Schluss auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit rechtfertigen. Einmal mehr wird signalisiert, dass der § 133 InsO nicht als „Superanfechtungsrecht“ interpretiert werden kann.

Ansprechpartner: Oliver Eifertinger/Markus Ladenburger

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