DIW-Studie bestätigt: Kein Vorrang „privat vor öffentlich“

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Kommunen können als Träger öffentlicher Gewalt nicht effizient Infrastrukturunternehmen betreiben: diesen Satz hört man bei Diskussionen über Privatisierung bzw. Rekommunalisierung ortsgebundener Energieinfrastrukturen immer wieder. Die Aufgabe, staatliche Leistungen bereitzustellen, sei nun einmal mit den Interessen der Gesellschaft an einer effizienten Allokation nicht immer in Deckung zu bringen und daher nur dann gerechtfertigt, wenn der privatwirtschaftlich geprägte Markt versage.

Stimmt das? Bei genauer Betrachtung nein. Es handelt es sich um ein Stereotyp, das von der neueren Wissenschaft längst widerlegt ist und weder der Praxis noch der Vielfalt kommunaler Wirtschaftstätigkeit entspricht. Das belegt auch die jüngste Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die bestätigt, dass kommunale Energieunternehmen ihre Leistung ebenso effizient erstellen wie private Unternehmen. Dies gilt zum einen für den wettbewerblich organisierten Stromvertrieb, als auch in der regulierten Stromverteilung.

Das DIW hat dabei im Rahmen des Projekts Kommunale Infrastrukturunternehmen zwischen Energiewende und demografischem Wandel (KOMIED) erstmalig einen umfassenden Datensatz zu Energieunternehmen in Deutschland in den Jahren 2003 bis 2012 erstellt. Es wurden verfügbare Mikrodaten der amtlichen Statistik sowie Jahresabschlüsse öffentlicher Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, als auch das Unternehmensregister ausgewertet und die Studie am 19.5.2016 veröffentlicht.

Die Analyse von Stromvertriebsunternehmen für den Zeitraum der Jahre 2003 bis 2012 zeigt, dass die Effizienz im Zeitverlauf für alle Stromlieferanten wächst. Die durchschnittliche Wachstumsrate steigt vor allem bis 2008 an und bleibt dann konstant. Zieht man den Einfluss der Eigentümerschaft hinzu, zeigen sich größere, aber gleichwohl nicht wesentliche Abweichungen. Die Wahl der Rechtsform lässt auch keine andere Schlussfolgerung zu. Die Messung der Effizienzunterschiede ermittelt das DIW anhand von strukturellen ökonometrischen Produktionsfunktionen.

Als Grund für den Anstieg erkennt das DIW Umstrukturierung und Reorganisation der Unternehmen infolge der Liberalisierung der Strommärkte und Entflechtungsanforderungen, welche zu mehr Wettbewerb und einer besseren Mittelverwendung führten. Des Weiteren zeigt auch die Analyse von Verteilernetzbetreibern, dass öffentliche und private Betreiber etwa gleich effizient sind. Auch hier hat die Eigentümerschaft keinen Einfluss. Die Effizienzunterschiede werden anhand von Benchmarkingmethoden gemessen. Zudem belegen zwei deskriptive Statistiken die gleiche Verteilung bzw. Mittelwerte von öffentlichen und privaten Verteilernetzbetreibern.

Rekommunalisierung in der Energieversorgung kein bundesweiter Trend

In den 1990er Jahren haben viele Kommunen ihre Energieversorgungsunternehmen privatisiert, um ihre Effizienz zu steigern und ihre Kosten und Preise zu senken. Jetzt scheint der Trend in Richtung Rekommunalisierung zu gehen. Dieser Eindruck hängt insbesondere mit dem Auslaufen der Konzessionen zusammen. Von 2010 bis 2015 wurden allein ca. 60 Prozent der rund 14.000 Konzessionen neu vergeben und veranlassten Städte und Gemeinden wieder zum Umdenken. Insbesondere die Bestrebungen der Städte Berlin und Hamburg rückten in den Fokus der Öffentlichkeit.

Von einem Paradigmenwechsel kann laut der aktuellen Analyse des DIW jedoch keine Rede sein. Dies zeigen zum einen die Unternehmensanzahl, zum anderen die Umsatzgrößen. Zwar stieg die Zahl der öffentlichen Energieversorger in den Jahren 2003 bis 2012 um 17 Prozent. Doch im gleichen Zeitraum ist die Zahl der privaten Energieversorger um ganze 49 Prozent gestiegen, weswegen von einer Verdrängung privater Unternehmen nicht ausgegangen werden kann.

Das DIW sieht einen Grund für das starke Ansteigen in beiden Sparten in den Umstrukturierungen im Rahmen der Energiewende. Durch die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Jahr 2005 lagerten viele Energieversorger ihre Netze in unabhängige Verteilernetzgesellschaften aus. Auch durch Gründung spezieller Vertriebsgesellschaften, beispielsweise gerichtet auf Energiedienstleistungen oder den überregionalen Stromvertrieb, veränderte sich die Unternehmensstruktur vieler Stadtwerke.

Das DIW hat in seiner Analyse derartige Strukturänderungen durch Heranziehung der Organschaftverhältnisse berücksichtigt und verbundenen Unternehmen zusammengefasst, um Doppelzählungen zu vermeiden. Für die Kommunen bedeutet dies keine Aufnahme neuer bzw. Ausweitung von Tätigkeiten im Sinne einer Kommunalisierung. Im Bereich der privaten Energieversorgung hingegen wurden nicht alle neuen Unternehmen in Organschaften einbezogen, weswegen sich hier die Zahl erhöht.

Jedoch ist nicht nur die Unternehmensanzahl ausschlaggebend, sondern auch die Umsatzentwicklung. Die Erlöse der öffentlichen Energieversorger sind für die Jahre 2006 bis 2012 (preisbereinigt) um 54 Prozent gestiegen. Bei den privaten Versorgungsunternehmen haben sie sich sogar mehr als verdoppelt. Der Anteil der öffentlichen Versorger an den Gesamtumsätzen ist somit seit 2006 sogar um 9 Prozent geschrumpft. Im Jahr 2012 erwirtschafteten sie nur noch ein Viertel der Umsätze im Energiesektor, obwohl sie die Mehrheit der Unternehmen stellten.

Grund hierfür sind laut DIW zum einen die Unternehmensgrößen – Stadtwerke sind geographisch meist an die jeweilige Region gebunden –, zum anderen aber auch der Zuwachs der privaten Unternehmen in lukrativen Sparten wie dem Stromsektor. Die Zahl der privaten Stromversorger stieg in den Jahren 2003 bis 2012 um 66 Prozent.

Konzessionsverfahren erhöhen nicht die Anzahl der Netzbetreiber

Wenngleich anläßlich von Konzessionsverfahren gem. § 46 EnWG das ein oder andere Energieversorgungsunternehmen (übrigens meist gemischt-wirtschaftlich) neu gegründet wird, erhöht sich hierdurch die Anzahl der bundesweit tätigen Verteilnetzbetreiber nicht.

Nach unserer Wahrnehmung geht lediglich jede zehnte ausgeschriebene Konzession an einen anderen als den bisherigen Konzessionär, etwa jede hunderste Konzessionsentscheidung führt zur Bildung einer neuen Netzeigentumsgesellschaft. Bei der Gründung einer neuen Netzgesellschaft wird wiederrum regelmäßig ein bereits etablierter Netzbetreiber als Mitgesellschafter integriert, der dann auch den eigentlichen Netzbetrieb durchführt. In den letzten Jahren wurde daher faktisch gar kein neuer Netzbetreiber anlässlich einer Entscheidung nach § 46 EnWG gegründet. Die bundesweite Zahl der Netzbetreiber blieb trotz zahlreicher Rekommunalisierungen vielmehr konstant, womit zugleich die mitunter zu vernehmende These, dass Konzessionsentscheidungen zur „Netzzersplitterung“ führen, einer empirischen Begründung entbehrt.

Keine Präferenz des Gesetzgebers

Zuletzt noch eine Bemerkung zu einer Behauptung, die sich in der Literatur und Rechtsprechung neuerdings immer öfter findet: Dort wird behauptet, die Laufzeitbeschränkung von Konzessionsverträgen auf maximal 20 Jahre sei dazu da, „kommunale Ewigkeitsrechte“ zu vermeiden (BGH, Urt. v. 17.12.2013, Az. KZR 65/12, Rn. 36).

Richtig daran ist, dass es dem Gesetzgeber bei der Begrenzung der Vertragslaufzeiten tatsächlich und ausdrücklich um die Vermeidung von Ewigkeitsrechten ging (BT-Drs. 13/7274, S. 21). Gewünscht ist eine regelmäßige Zäsur, um zu überprüfen, ob der gegenwärtige Netzbetreiber die Versorgungsanlagen optimal betreibt oder ein Wechsel besser wäre.

Das heißt aber nicht, dass der Gesetzgeber privates Netzeigentum bevorzugt. Denn bei den Ewigkeitsrechten, die es zu vermeiden galt, hatte der Gesetzgeber keineswegs nur solche kommunaler Unternehmen im Sinn. Jedenfalls findet sich kein entsprechender Hinweis in den amtlichen Drucksachen (BT-Drs. 13/7274, 21). Soweit ersichtlich war es erstmals die Monopolkommission, die die Vermeidung von Ewigkeitsrechten mit den Kommunen in Verbindung brachte: „Gerade kommunale „Ewigkeitsrechte“, d.h. das dauerhafte und unangefochtene Recht der Kommunen auf den Netzbetrieb durch kommunale Unternehmen, sollen verhindert werden.“ (Monopolkommission, Sondergutachten 65: Energie 2013, S. 229). Wenn diese Annahme in der Fußnote 479 des Sondergutachtes mit einem Verweis auf die BT-Drs. 13/7274 vom 23.3.1997, S. 21 begründet wird, dann ist das schlicht falsch. Denn liest man in der seitens der Monopolkommission zitierten Drucksache nach, findet man dort auf S. 20 am Ende tatsächlich folgende, andere Begründung des Gesetzgebers:

„Da mit der Aufhebung des § 103 a GWB […] die Befristung der Wegebenutzungsverträge auf maximal 20 Jahre insoweit entfällt, wäre künftig ohne eine anderweitige gesetzliche Regelung der Abschluss von einfachen Wegerechten mit beliebig langer Laufzeit möglich. Derartige „Ewigkeitsrechte“ würden der beabsichtigten wettbewerblichen Auflockerung zuwiderlaufen […] Ohne eine zeitliche Beschränkung würden sowohl kommunale Unternehmen als auch regionale Versorgungsunternehmen über das ihnen einzuräumende einfache Wegerecht faktisch in nicht unerheblichem Umfang vor Wettbewerb geschützt.“

Der Gesetzgeber unterscheidet also gerade nicht zwischen kommunalen und regionalen (d.h. in der Regel privaten) Versorgungsunternehmen. Warum der Monopolkommission hier dieser signifikante Fehler unterlaufen ist, der wohl bislang auch unerkannt geblieben ist, dürfte im Vagen bleiben. Die gebotene Korrektur durch die Monopolkommission ist aber auch drei Jahre später nicht erfolgt, jedenfalls nicht bekannt. Dies ist umso schwerwiegender, als sich seit dem Sondergutachten in immer mehr Quellen der entsprechende Irrglaube festsetzt (BGH, Urt. v. 17.12.2013, Az. KZR 65/12, Rn. 36 und LG Berlin, Urt. v. 9.12.2014, Az. 16 O 224/14 Kart sowie ebenso bspw. die CSU-Abgeordnete Barbara Lanzinger in ihrer Rede im Deutschen Bundestag v. 19.3.2015, Plenarprotokoll 18/94).

Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Theobald/Oliver Eifertinger/Axel Kafka/Astrid Meyer-Hetling

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