Rechnung ist nicht gleich Rechnung

Eine Rechnung, die das Finanzamt für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG nicht akzeptieren würde, ist für den Anspruch auf unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer (§ 14c Abs. 2 UStG) immer noch gut genug. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) (Urteil vom 17.2.2011, Az. V R 39/09) klargestellt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmer stritt sich mit dem Finanzamt, ob er Umsatzsteuer aufgrund von Rechnungen schuldet, in denen er unberechtigt Umsatzsteuer ausgewiesen hatte. Diese Rechnungen waren in mehrfacher Hinsicht nicht korrekt: Zum einen waren die in den Rechnungen bezeichneten Lieferungen nicht ausgeführt worden. Zum anderen wiesen die Rechnungen keinen Lieferzeitpunkt und auch keine fortlaufende Rechnungsnummer auf. Der Rechnungsempfänger machte (unzulässigerweise) den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen geltend.

Der klagende Unternehmer hatte zunächst Erfolg beim Finanzgericht (FG Thüringen vom 23.7.2009, Az. 2 K 184/07  – EFG 2009, 1684 = SIS 09 39 94): Der Unternehmer sei zu Unrecht für die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 2 UStG in Anspruch genommen worden, denn dies setze voraus, dass es sich überhaupt um Rechnungen i.S. des § 14c UStG handelte. Das sei aber nicht der Fall, weil die Rechnungen nicht sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Merkmale einer Rechnung enthalten hätten. Hiergegen wandte sich das Finanzamt mit der Revision.

Nach Auffassung des BFH handelt es sich dagegen sehr wohl um Rechnungen i.S. des § 14c Abs. 2 UStG. Dass sie die Merkmale des § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG (fortlaufende Rechnungsnummer) und des § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG (Lieferzeitpunkt) nicht enthielten, sei ohne Bedeutung, und zwar wegen des Zwecks der Vorschrift.

Zweck der Regelung ist es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern und zu verhindern, dass dem Fiskus durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug Einnahmen entgehen. Eine Gefährdung des Steueraufkommens ist bereits dann möglich, wenn Abrechnungsdokumente die elementaren Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den Schein einer solchen erwecken und so den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten. Eine solche Gefährdung tritt dabei schon ein, wenn eine nicht alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllende Rechnung vorliegt.

Der bisherigen abweichenden Rechtsprechung des BFH zur alten Rechtslage (§ 14 Abs. 3 UStG a.F.) wird explizit nicht mehr gefolgt. Früher galt für die dem Vorsteuerabzug korrespondierende Präventivvorschrift des § 14 Abs. 3 UStG nichts anderes als für den Vorsteuerabzug. Eine Rechnung i.S. des § 14 Abs. 3 UStG musste hiernach die Rechnungsvoraussetzungen erfüllen.

Nach der jüngsten Entscheidung kann ein unberechtigter Ausweis von Umsatzsteuer auch dann zur Umsatzsteuerschuld des Rechnungsausstellers führen, wenn die Rechnung nicht alle gesetzlich aufgezählten Pflichtangaben enthält und der Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger ausgeschlossen ist.

Ansprechpartner: Rudolf Böck

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