Transformation des Vergaberechts Teil 3: Stärkung von Startups

Die Bundesregierung beabsichtigt mit dem sog. Vergabetransformationspaket, die Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren sowie die öffentliche Beschaffung sozial, ökologisch und innovativ auszurichten. Die wichtigsten Neuregelungen zur nachhaltigen Ausrichtung und zur Vereinfachung der Verfahren stellen wir bereits in Teil I und Teil II vor. In diesem Teil gehen wir auf wichtige Regelungen ein, welche die Beteiligung von Startups (sog. jungen Unternehmen) am Vergabeverfahren stärken sollen.

Reformstand

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 18.10.2024 die Referentenentwürfe für das sog. Vergabetransformationspaket veröffentlicht. Dieses Paket umfasst insbesondere einen Referentenentwurf des Vergaberechtstransformationsgesetzes, das u.a. Änderungen in Teil 4 GWB und der VgV vorsieht, und einen Referentenentwurf für eine Neufassung der UVgO. Am 27.11.2024 hat die Bundesregierung nunmehr den Regierungsentwurf für das Vergaberechtstransformationsgesetz beschlossen.

Auswahl der Unternehmen

In Verhandlungsverfahren und Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb müssen die Auftraggeber eine bestimmte Anzahl an Unternehmen zur Abgabe eines Angebots auffordern. Welche Unternehmen sie auswählen, steht den Auftraggebern bisher weitgehend frei. Dies würde sich nach § 17 Abs. 5 S. 2 VgV-RegE zukünftig ändern. Danach sollen Auftraggeber in Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb künftig junge Unternehmen in geeigneten Fällen auffordern, ein Angebot abzugeben. Ähnliche Regelungen sind in § 11 Abs. 4 UVgO-RefE für beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb und in § 12 Abs. 2 S. 3 UVgO-RefE für Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb vorgesehen. Damit soll der strukturelle Nachteil ausgeglichen werden, dass junge Unternehmen selten Berührungspunkte mit Aufträgen aus der öffentlichen Hand haben.

Eignungsprüfung

Auftraggeber haben Eignungskriterien und Eignungsnachweise festzulegen, die als Grundlage für die Prüfung der Eignung von Bewerbern und Bietern dienen. § 42 Abs. 2 VgV-RegE und § 33 Abs. 3 und § 35 Abs. 2 S. 2 UVgO-RefE sehen vor, dass Auftraggeber zukünftig die besonderen Umstände von jungen Unternehmen bei der Auswahl dieser Kriterien und Nachweise zu berücksichtigen haben.

Eine besonderer Regelung ist auch für sog. Alternativnachweise vorgesehen. Kann ein Bewerber oder Bieter die geforderten Eignungsnachweise für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit aus einem berechtigten Grund nicht beibringen, so kann er nach § 45 Abs. 5 VgV auch durch Vorlage anderer, vom Auftraggeber als geeignet angesehene Unterlagen nachweisen, dass er für den entsprechenden Auftrag insoweit qualifiziert ist. Entsprechendes ist in § 35 Abs. 5 UVgO geregelt – dort allerdings auch für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Ein berechtigter Grund soll nach § 45 Abs. 5 S. 2 VgV-RegE und § 35 Abs. 8 S. 2 UVgO-RefE künftig insbesondere vorliegen, wenn es sich bei dem Bewerber oder Bieter um ein junges Unternehmen handelt.

Zahlungsmodalitäten

Die Bundesregierung geht davon aus, dass junge Unternehmen insbesondere aufgrund der Rechnungszyklen und dem Zahlungsziel nicht an Vergabeverfahren teilnehmen können. Nach § 29 Abs. 3 VgV-RegE sollen daher in geeigneten Fällen frühere Zahlungen, Abschlagszahlungen oder Vorauszahlungen im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorgaben vereinbart werden. In § 21 Abs. 2 S. 2 UVgO-RefE ist sogar explizit geregelt, dass die besonderen Umstände von jungen Unternehmen zu berücksichtigen sind.

Direktaufträge bei innovativen Beschaffungen

Für die Beauftragung von Startups mit innovativen Lösungen sieht der Reformgeber in § 14b UVgO-RefE eine Sonderregelung vor. Auftraggeber können hiernach Aufträge mit innovativen Lösungen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 100.000 Euro netto unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als Direktauftrag vergeben. Dies gilt allerdings nur für solche Leistungen, die unter anderem von Unternehmen beschafft werden, die sich erst acht Jahre vor dem Vertragsschluss gegründet haben, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Millionen Euro beläuft. Auch dadurch sollen sich öffentliche Auftraggeber und junge Unternehmen annähern.

Ausblick

Die vorgesehenen Regelungen haben das Potenzial, die Berührungspunkte von Startups mit der öffentlichen Beschaffung und die Teilnahmemöglichkeiten solcher Unternehmen an den Vergabeverfahren zu stärken. Es bleibt aber abzuwarten, ob und inwieweit das Reformpaket in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt wird. Es sieht nicht gut aus.

Ansprechpartner: Dr. Roman Ringwald/Malte Müller-Wrede/Dr. Sascha Michaels/Frederic Delcuvé

PS: Wenn Sie mehr über die Transformation des Vergaberechts erfahren möchten, lesen Sie gerne hier „Transformation des Vergaberechts: Chancen für Innovation und Nachhaltigkeit

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