Dunkle Wolken über CORSIA: Klimaschutz in der Luftfahrt

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Wie lassen sich Treibhausgasemissionen im Luftverkehr reduzieren? Im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) konkurrieren hierzu aktuell zwei Ansätze. Dieses Nebeneinander kann jedoch keine dauerhafte Lösung sein. Hinzu kommt, dass die Kommission vor Kurzem eine Studie veröffentlicht hat, die nahelegt, dass einer dieser Ansätze die selbstgesteckten Ziele nicht erreichen kann.

EU-EHS und CORSIA

Der Luftverkehr ist zum einen in den europäischen Emissionshandel (EU-EHS) einbezogen und sieht eine Kappungsgrenze und den Handel mit den verfügbaren Berechtigungen zur Treibhausgasemission vor. Das 2016 beschlossene Kohlenstoffkompensations- und Reduktionsprogramm CORSIA der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization – ICAO) hingegen (wir berichteten) verpflichtet die Luftfahrzeugbetreiber „nur“, ihre CO2-Emissionen durch Kompensationszertifikate (sog. Offset-Zertifikate) auszugleichen.

Der Grund für dieses Nebeneinander der beiden Systeme liegt in massivem Widerstand unter anderem der USA, Russlands, Chinas und Indiens. Seit 2013 sieht die EU deswegen davon ab, den Flugverkehr zwischen dem EWR und Nicht-EWR-Staaten in das EU-EHS einzubeziehen (wir berichteten) und das EU-EHS gilt nur für Flüge innerhalb des EWR. Die ICAO hatte zugesagt, ein internationales marktbasiertes Klimaschutzinstrument zu schaffen, herausgekommen ist dabei CORSIA, das sich seit Anfang 2021 in seiner Pilotphase befindet. Der Bepreisung durch CORSIA unterfallen alle internationalen Flüge zwischen teilnehmenden Staaten, zu denen auch die europäischen Staaten zählen.

Vereinheitlichung der Systeme – CORSIA statt EU-EHS?

Das Nebeneinander der beiden Systeme kann dauerhaft keine zufriedenstellende Lösung sein. Zum einen verzerrt es den Wettbewerb zwischen Flügen innerhalb und außerhalb des EWR erheblich. Zum anderen dürfte nur ein globaler Ansatz die gewünschte Lenkungswirkung entfalten.

Allerdings steht CORSIA in der Kritik, die gewünschten Minderungsanreize gerade nicht zu setzen. Weitgehend teilt auch die EU-Kommission diese Skepsis gegenüber dem System in seiner jetzigen Ausgestaltung seit Langem. Eine von der Kommission in Auftrag gegebene und vor kurzem veröffentlichte Studie scheint die Bedenken zu bestätigen. Die Studie sollte im ersten Schritt CORSIA zunächst auf seine ökologische Wirksamkeit untersuchen, um anschließend beurteilen zu können, ob es denkbar wäre, den  EU-Emissionshandel im Luftverkehr durch CORSIA zu ersetzen.

Ergebnisse der Studie

Nach den Ergebnissen der Studie scheint der mit CORSIA eingeschlagene Weg zur Treibhausgasreduzierung nicht zu funktionieren. Jedenfalls die ambitionierten Klimaziele der EU seien damit wohl nicht zu erreichen. So heißt es in der Studie beispielsweise wörtlich: „Diese Option ist mit dem größten globalen Nettoanstieg der CO2-Emissionen im Luftverkehr verbunden.“ Das im Dezember 2020 beschlossene Ziel der Europäischen Union, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, sei damit akut gefährdet. Ferner würde die Europäische Union mit CORSIA riskieren, nicht „bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen“, wenn die bestehenden EU-Klimaregelungen durch das Kompensationssystem ersetzt würden.

Außerdem seien die CO2-Kompensationen mit einem Preis von weniger als einem Euro zu günstig, um wirksam zu sein. Ein so geringer Preis würde keine finanziellen Anreize schaffen, in fortschrittliche und emissionsärmere Technik zu  investieren.

Fraglich sei auch, ob die CO2-Ausgleichsmaßnahmen tatsächlich zu einer Emissionsreduktion führen. Laut Studie erfülle nämlich keines der genehmigten Ausgleichsprogramme alle erforderlichen Kriterien.

Blick in die Zukunft

Noch ist unklar, wie die Politik auf die Ergebnisse reagieren wird. Gespannt wartet man nun auf den Vorschlag von der EU-Kommission, der den Fluggesellschaften im Juni vorgelegt wird. Wird der europäische Emissionshandel künftig auch auf die internationalen Flüge ausgeweitet? Oder kann sich CORSIA doch noch als „das Leitinstrument“ im internationalen Luftverkehr bewähren und findet womöglich sogar Anwendung auf alle innereuropäischen Flüge?

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie, die bereits im September vergangenen Jahres abgeschlossen wurde, könnte darauf hinweisen, dass die Kommission Druck aufbauen möchte, um Modifikationen am Modell CORSIA durchzusetzen und es doch noch kompatibel mit den EU-Klimazielen zu machen. Sollte dies nicht gelingen, werden CORSIA und das EU-EHS wohl weiterhin koexistieren. Die Frage nach der Einbeziehung von Flügen zwischen dem EWR und Nicht-EWR-Staaten in das EU-EHS würde sich also erneut stellen. Ob die Einbeziehung dann gelingen kann, bleibt angesichts des weiter zu erwartenden Widerstands allerdings offen.

Ansprechparter*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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