Fünfter Förderaufruf Ladeinfrastruktur – Worauf Stadtwerke beim Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur achten müssen

(c) BBH

Das Jahr 2020 erweist sich in vielerlei Hinsicht als Wendepunkt in der Elektromobilität. So zeichnet sich in der öffentlichen Wahrnehmung ein Paradigmenwechsel hin zu einem elektrifizierten Verkehr ab, dem sich auch die deutsche Automobilindustrie angeschlossen hat. Die Politik beabsichtigt, die Zahl der Elektrofahrzeuge in Deutschland bis 2030 auf etwa 7 Mio. Fahrzeuge zu steigern. Dafür wird eine Infrastruktur von rund 1 Mio. öffentlich zugänglichen Ladepunkten erforderlich sein.

Indessen wächst der Druck von staatlicher Seite. Um den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen, hat das Bundeskabinett im März 2020 den Entwurf des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) beschlossen, wonach künftig bei Neubau oder größerer Renovierung von Wohngebäuden mit mehr als zehn Parkplätzen jeder Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur (z.B. Schutzrohren für Elektrokabel)  ausgestattet werden muss. Bei Neubau oder größerer Renovierung von Nicht-Wohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen ist ein Ladepunkt zu errichten und jeder fünfte Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur zu versehen. Bestands-/Nicht-Wohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen sind nach dem 1.1.2025 mit mindestens einem Ladepunkt auszustatten (wir berichteten).

Neben den Pflichten für die Immobilienwirtschaft zur Vorbereitung der Stellplätze auf die Ausbreitung der Elektromobilität ist beim Ausrollen von Ladeinfrastruktur die Frage nach der Verfügbarkeit von adäquaten Fördermöglichkeiten zur Schließung von Finanzierungslücken – durch bundes- und landesweite Programme – von zentraler Bedeutung.

Ein neuer Fünfter Förderaufruf ist nun in der letzten Aprilwoche veröffentlicht worden und umfasst Fördermittel für öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur. Dabei wird auch nur zeitanteilig der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Ladeinfrastruktur gefördert. Auf diese Weise können Kosten anteilig gegenfinanziert werden, wodurch der Aufbau von Lademöglichkeiten für private Investoren, Stadtwerke und Infrastrukturunternehmen auch in weniger exponierten Lagen wirtschaftlich attraktiv werden kann.

Mit dem Fünften Förderaufruf wurden die Fördermöglichkeiten für Interessenten erweitert: Ist die Ladeinfrastruktur mindestens werktags, montags bis samstags, für je 12 Stunden zugänglich, ist eine (anteilige) Förderung möglich (z.B. Parkhaus oder Kundenparkplätze). Vorbereitungen der Ladeinfrastruktur zur Anbindung des lokalen Energie- und Lastmanagementsystems (z.B. über ein Smart-Meter-Gateway) werden auch bezuschusst. Erstmals seit dem Ersten Förderaufruf können wieder DC-Schnellladepunkte mit mindestens 22 kW gefördert werden (z.B. DC-Wallbox).  Somit haben auch Akteure, die aufgrund der Anforderungen aus den bisherigen Förderaufrufen nicht in den Genuss von Fördermitteln kamen, die Möglichkeit, die Beschaffung und Errichtung von Ladeinfrastruktur fördern zu lassen. Für diese besteht daher unmittelbarer Handlungsbedarf.

Unabhängig von der Einwerbung von Fördermitteln werden Versorgungsunternehmen durch die Entscheidung, Ladeinfrastruktur aktiv selbst aufzubauen und zu betreiben, zwangsläufig vor einige weitere Herausforderungen gestellt. Hier geht es im Betrieb unter anderem um die Einbettung der Ladekunden in bestehende Stromprodukte und Vertragsverhältnisse, die Einbindung der Kunden in ein Backend zur Abrechnung der Lieferung, die Organisation der Ausgabe und Überwachung von Zugangsmedien, die Gewährleistung einer lückenlosen Kundenbetreuung sowie die technische Betriebsführung der Ladesäulen und Wallboxen, um nur einige relevante Aktivitäten zu nennen.

Eine wesentliche zu treffende Entscheidung ist die Auswahl eines geeigneten Dienstleistungspartners inklusive der hiermit verbundenen Definition der richtigen Dienstleistungstiefe in der Unterstützung betrieblicher Prozesse. Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung verschiedener Anbieter ist hier neben einer angemessenen Kostenstruktur unter anderem auch die Vermeidung von Lock-In-Effekten. Ein einmal ausgewählter Dienstleistungspartner muss flexibel auch Teile seiner Dienstleistungen wieder abgeben können (Insourcing) oder aber mittelfristig durch einen dritten Dienstleistungspartner ersetzt werden können. Dies sollte bei den strategischen Überlegungen zum Ausbau und der Einbettung der Ladeinfrastruktur in betriebliche Prozesse unbedingt mitgedacht und geplant werden. Durch die sukzessive Steigerung der Anzahl an Ladepunkten werden ursprünglich geführte Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit im Laufe der Zeit neu auf den Prüfstand gestellt werden müssen – hierauf sollte man sich auch heute schon gezielt vorbereiten.

Ansprechpartner BBH: Dr. Christian de Wyl/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Roman Ringwald
Ansprechpartner BBHC: Marcel Malcher/Matthias Puffe

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