Jetzt gilt es – Millionenbußgelder gegen Schienenkartell zu Lasten von Regional-, Nahverkehrsunternehmen

(c) BBH
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Wir hatten es angekündigt und die Branche erwartet: Das Verfahren gegen das so genannte Schienenkartell zu Lasten von kommunalen, privaten und sonstigen Abnehmern ist – mit einer Ausnahme – beendet. Am 23. Juli 2013 hat das Bundeskartellamt (BKartA) insgesamt Bußgelder in Höhe von knapp 100 Mio. Euro gegen insgesamt acht Unternehmen verhängt.

Welche Unternehmen hat es getroffen?

Bei ThyssenKrupp GfT Gleistechnik GmbH (88 Mio. Euro) und voestalpine BWG GmbH (6,4 Mio. Euro) handelt es sich um Wiederholer: Sie waren bereits für die Absprachen zu Lasten der Deutschen Bahn AG (DB AG) mit empfindlich Bußgeldern belegt worden. Die übrigen Kartellanten waren diesmal die Schreck-Mieves GmbH, Holz-Fehlings Gleistechnik und Entsorgung GmbH, Fehlings Narosch Gleistechnik und Entsorgung GmbH, Künstler Bahntechnik GmbH, Heinrich Krug GmbH & Co. KG sowie Betzler Eisenbahntechnik GmbH. Gegen ein weiteres Unternehmen dauern die Ermittlungen noch an. Hierbei dürfte es sich um die Moravia Steel Deutschland GmbH handeln. Dieses Unternehmen hat auch im ersten Teil des Verfahrens wegen der Absprachen zu Lasten der Deutschen Bahn als letztes einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt.

Bemerkenswert ist, dass es kein Unternehmen des Vossloh Konzerns für diesen Teil des Schienenkartells getroffen hat. Im Deutsche-Bahn-Verfahren war hier die Stahlberg Roensch GmbH betroffen (Bußgeld in Höhe von 13 Mio. Euro). Dem ebenfalls zum Vossloh Konzern gehörenden Unternehmen Kihn S.A., Rumelange, Luxemburg war das Bußgeld wegen Absprachen bei Weichenzungen in den Jahren 2006 bis 2011 aufgrund des Bonusantrages zu 100 Prozent erlassen worden. Aus dem Markt bekannt ist allerdings die Vossloh Laeis GmbH als Lieferant vieler kommunaler Unternehmen, insbesondere für Weichen. Möglicherweise hat das BKartA auch die Kartellbeteiligung dieser Gesellschaft festgestellt, ohne sie jedoch mit einem Bußgeld zu belegen. In diesem Fall wären die Vorteile des § 33 Abs. 4 GWB, der eine Bindungswirkung der Zivilgerichte an Feststellungen des BKartA normiert, nicht verloren. Aufklärung hierüber kann nur die Akteneinsicht durch geschädigte Unternehmen bringen.

Für die jetzt erlassenen Bußgeldbescheide gilt – ebenso wie bei den vorherigen wegen der Absprachen zu Lasten der DB AG –, dass alle Unternehmen sich im Wege eines Settlements mit dem Amt geeinigt haben. Damit ist zu erwarten, dass keine Beschwerden gegen die Bußgeldbescheide erhoben werden kann.

Welche Bereiche sind betroffen?

Mit den Bußgeldern werden Preis- und Kundenschutzabsprachen geahndet, die zum Zweck hatten, Ausschreibungen bzw. Projekte im Produktbereich Schienen, Weichen und Schwellen im Zeitraum 2001 bis 2011 untereinander aufzuteilen. Die Absprachen gingen, wie das BKartA festgestellt hat, nicht nur auf Kosten von Nahverkehrsunternehmen des ÖPNV, sondern auch von Privat-, Regional- und Industriebahnen sowie Bauunternehmen.

Mit Abschluss der Bußgeldverfahren steht nunmehr fest, dass Nahverkehrs-unternehmen, Privat-, Regional- und Industriebahnen sowie Bauunternehmen, die in dem oben genannten Zeitraum von einem der Kartellanten Schienen, Weichen bzw. Schwellen bezogen haben, aufgrund möglicherweise kartellbedingt überhöhter Preise eventuell von den Kartellbeteiligten Schadensersatz verlangen können.

Wie geht es weiter?

Die Verbände, aber auch einzelne geschädigte Unternehmen, bereiten sich schon darauf vor, mit den Kartellanten über Schadensersatzzahlungen zu verhandeln. Das Beispiel der DB AG mag hier ein erfolgreiches Vorbild sein. Der DB AG war es Ende April gelungen, mit der österreichischen Voestalpine einen Vergleich zum Schadensersatz in Höhe von kolportierten 50 Mio. Euro zu schließen.

Dabei gilt grundsätzlich für jedes Unternehmen, ob privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert, dass Schadensersatzansprüche zum Wohle des eigenen Unternehmens gründlich geprüft werden müssen. Beim ÖPNV besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass die Baumaßnahmen in der Regel zu einem großen Teil durch staatliche Investitionsförderungen (nach dem jeweiligen Landes-ÖPNV-Gesetz bzw. Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz beispielsweise) finanziert worden sind. Insofern besteht möglicherweise ein eigener Schaden bei den so genannten Zuwendungsgebern. Vor allem aber sind Kommunen und kommunale Verkehrsunternehmen bereits flächendeckend durch die einzelnen Zuwendungsgeber der Länder aufgefordert worden, Schadensersatzansprüche zu prüfen und ggf. durchzusetzen.

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung/Dr. Olaf Däuper

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