Kommunale Unternehmen als Akteure einer nachhaltigen Stadtentwicklung – ein Interview mit Peter Kadereit

(c) SWM
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Kommunale Unternehmen sind wichtige Infrastrukturdienstleister in Deutschland, die Impulse für die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung der Städte und Gemeinden geben. Dazu gehört es auch, den eigenen Mitarbeitern erschwinglichen Wohnraum anbieten zu können, findet Peter Kadereit, der das Immobiliengeschäft bei den Stadtwerken München (SWM) leitet.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Kadereit, die Stadtwerke München sind das größte kommunale Unternehmen in Deutschland. Sie versorgen die Menschen mit Strom, Gas, Wärme und Wasser. Durch den Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie die Bereitstellung der städtischen Bäderlandschaft tragen Sie ebenfalls zur Daseinsvorsorge in der bayrischen Landeshauptstadt bei. Wie wichtig ist das klassische Stadtwerke-Geschäft für die SWM?

Peter Kadereit: Wir nehmen als 100prozentige Tochter der Landeshauptstadt München den Auftrag der öffentlichen Daseinsvorsorge sehr ernst. Dabei ist es uns genauso wichtig, die klimapolitischen Ziele des Münchner Stadtrats umzusetzen, indem wir zum Beispiel umfassend in den Aufbau erneuerbarer Energieerzeugungsanlagen investieren: Wir können bereits heute sicherstellen, dass genauso viel Energie regenerativ erzeugt wird wie die Münchner Privathaushalte verbrauchen.

Aus diesem Auftrag erwächst aber auch eine Verpflichtung – als kommunales Unternehmen können Sie sich nicht einfach verabschieden, wenn das Geschäft nicht mehr lukrativ oder ein anderes wirtschaftlich interessanter ist. Und das wollen wir auch nicht!

BBH-Blog: Kommunale Unternehmen sind naturgemäß stark in der Region verwurzelt. Und die können in Deutschland sehr unterschiedlich sein. Was für das eine Stadtwerk eine lohnende Investition ist, findet woanders überhaupt keine Nachfrage. Ist ein Austausch untereinander für Stadtwerke überhaupt sinnvoll?

Peter Kadereit: Ganz eindeutig: ja. Gerade diese Vielfalt ist es ja, die innovative Projekte an den Markt bringt. Natürlich kann es sein, dass es für ein Stadtwerk nicht sinnvoll ist, ein Projekt 1:1 wie ein anderes Unternehmen umzusetzen, aber vielleicht in einer etwas abgewandelten Form?

BBH-Blog: Apropos innovative Projekte – auch die SWM engagieren sich in einem Bereich, der für Stadtwerke bisher eher special interest ist: Immobilien.

Peter Kadereit:  Das ist richtig. In den vergangenen Jahren haben die SWM das Spektrum einer nachhaltigen Stadtentwicklung sukzessive erweitert: Ergänzend zu der vorhandenen und im Ausbau befindlichen technischen und verkehrlichen Versorgungsinfrastrukturen engagieren wir uns als Gebietsentwickler mit dem Ziel, energetisch effiziente und sozial ausgeglichene Quartiere im Abgleich mit den planungspolitischen Überlegungen der Landeshauptstadt München zu schaffen. Im Zentrum dieser Aktivitäten steht die Umsetzung der „Werkswohnungsoffensive“ der SWM.

Bereits im Jahr 2011 beschlossen wir, in den folgenden Jahren in erheblichem Umfang neue Werks- oder Mitarbeiterwohnungen zu bauen: Ausgehend von ca. 550 eigenen Wohneinheiten im Unternehmensbesitz werden die SWM diesen Bestand bis zum Jahr 2021 auf 1.100 Einheiten verdoppeln und hierfür rund 120 Mio. Euro bereitstellen.

BBH-Blog: Wie kommt man als Stadtwerk auf die Idee, gerade in Immobilien zu investieren?

Peter Kadereit:  Nun, grundsätzlich hat der Werkswohnungsbau eine lange Tradition in Deutschland. Außergewöhnlich ist die Werkswohnungsoffensive der SWM deshalb weniger im historischen Kontext als vielmehr in der heutigen Zeit: Unternehmen, die über entsprechende Bestände verfügten, haben diese in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive veräußert, der Bau von Mitarbeiterwohnungen wird nicht mehr als personalpolitische Maßnahme begriffen und die entsprechende Bindung von Kapital ist den Anteilseignern in der Regel nicht vermittelbar.

Die SWM treten diesem Trend nun mit ihrem Programm klar entgegen. Begünstigt wird dies sicherlich durch den erheblichen Immobilienbestand der SWM. Zwar handelt es sich in der Regel um ehemals betrieblich genutzte Grundstücke, die nur mit einem erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand einer neuen Nutzung zugeführt werden können. Aber: Ohne dieses eigene Immobilienportfolio ließe sich der Bau von Mietwohnungen auf dem freien Markt in München unmöglich finanzieren. Die 500 neuen Wohnungen werden häufig auf Grundstücken errichtet, die zumindest eine Nähe zu betrieblichen Einrichtungen des Konzerns aufweisen und verteilen sich auf 8 Standorte im Stadtgebiet.

BBH-Blog: Und was versprechen sich die SWM von dieser Werkswohnungsoffensive?

Peter Kadereit:  Wir reagieren damit auf unterschiedliche unternehmerische Herausforderungen: In den kommenden Jahren wird ein substanzieller Teil der Belegschaft in den Ruhestand gehen, entsprechend sind umfangreiche Neueinstellungen erforderlich. In einzelnen Branchen, insbesondere dem ÖPNV, ist sogar von einem Personalwachstum auszugehen. Zugleich kann das tarifvertraglich gebundene kommunale Unternehmen nicht in gleichem Maß mit finanziellen Anreizen für seine heterogene Beschäftigtenstruktur reagieren wie dies privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, speziell im Hochlohngebiet des Großraums Münchens, können. Mitarbeiterwohnungen können hier wichtige zusätzliche Anreize im Recruiting schaffen und sie erhöhen die Identifikation mit dem Unternehmen.

BBH-Blog: Also eine Win-win-Situation für alle Beteiligten?

Peter Kadereit:  Davon bin ich überzeugt. Die moderate Mietpreisgestaltung hat außerdem sozialpolitische Konsequenzen: Die Schaffung von zusätzlichem und vor allem bezahlbarem Wohnraum ist eine der größten kommunalpolitischen Herausforderung für die Stadt und den Umlandgemeinden und deshalb eines der Kernanliegen der Münchner Stadtpolitik. Mit der Wohnungsbauoffensive übernehmen die SWM einen nicht unerheblichen Beitrag zur Bewältigung dieser Aufgabe. Unser Anspruch ist es, sozial orientierte und zugleich energetisch optimierte Stadtentwicklung zu betreiben.

BBH-Blog: Können Sie uns ein konkretes Beispiel für Ihre Werkswohnungsoffensive geben?

Peter Kadereit:  Nehmen wir den Stadtteil Moosach im Nordwesten Münchens. Hier haben die SWM 2001 den Neubau der Konzernzentrale auf einer Teilfläche des ehemals über 30ha großen Areals des städtischen Gaswerks errichtet. Nördlich hiervon entsteht unter der Regie der SWM aktuell ein attraktiver Business-Park. In den kommenden Jahren wird die Umnutzung des Gesamtgeländes auf der Westseite des Gaswerkgeländes abgeschlossen: An einen neuen Busbetriebshof mit ummantelnder Bürobebauung schließt sich südlich ein Wohnquartier mit rund 600 Wohneinheiten und ein Schulneubau an. Für all diese Entwicklungen wurden städtebauliche bzw. Hochbauwettbewerbe durchgeführt. Das Projekt für den Werkswohnungsbau „Hanauer Straße“ stellt eine Scharnierfunktion zwischen dem Busbetriebshof und der angrenzenden neuen Wohnbebauung dar. Bis 2020 entstehen rund 120 neue Mitarbeiterwohnungen in unmittelbarer Nähe zur Konzernzentrale auf Basis eines entsprechenden Bebauungsplans. Doch damit nicht genug: Der weit überwiegende Teil der verbleibenden Wohnungen wird ebenfalls als Mietwohnungsbau errichtet, ein großer Teil hiervon als gefördertes Angebot.

Mit Abschluss der Gesamtentwicklung entsteht somit auf diesem Altindustriestandort bis zum Jahr 2023 ein gemischt genutztes, abwechslungsreiches Stadtquartier für gut 2.000 Bewohner und 8.000 Beschäftigte bei hervorragender verkehrlicher Anbindung. Uns ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass eine optimierte Vernetzung der vorhandenen Infrastruktur im Sinne einer Smart City ermöglicht wird. Und die Voraussetzungen hierfür sind gegeben: Fernwärme und Fernkälte sichern die Grundlasten ab, ergänzende Verbundnetze aus regenerativen Quellen decken Zusatzlasten ab, Photovoltaikanlagen kommen umfassend zum Einsatz, Speicheraggregate befinden sich im Aufbau und eine intelligente Vernetzung optimiert Angebot und Nachfrage.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Kadereit, herzlichen Dank für das spannende Gespräch!

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