Dialogmarketing im Energiesektor: Was geht und was nicht? (Teil 1)

Um der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz die Strom- und Gaskunden abspenstig zu machen, scheuen manche Energieversorger weder Tricks noch Mühen. Von mysteriösen Tarifangeboten „im Namen der Stadtwerke“ wird berichtet, von denen die Stadtwerke gar nichts wissen – weil es sich in Wahrheit um Lockangebote eines Wettbewerbers handelt. Von penetranten Anrufen durch Meinungsforschungsinstitute, die sich eindringlich erkundigen, wie zufrieden die Kunden mit Service und Preis-Leistungs-Verhältnis der Stadtwerke sind. Von gezielten Anschreiben an Stadtwerke-Kunden, die mit angeblich günstigeren Tarifen zum Anbieterwechsel verlockt werden sollen.Was muss man sich gefallen lassen und was nicht? Wie kann man sich schnell und effektiv zur Wehr setzen, wenn der Wettbewerber rechtliche Grenzen überschreitet? In einer zweiteiligen Serie verraten wir Ihnen alles, was Sie zum Thema Dialogmarketing im Energiebereich wissen müssen.

Hat Telefonwerbung noch eine Chance?

Seit 2009 sind unerbetene Werbeanrufe von Verbrauchern in weiterem Umfang verboten. Diese dürfen nur dann angerufen werden, wenn sie sich einverstanden erklärt haben, zu Werbezwecken angerufen zu werden – und zwar ausdrücklich und im Voraus (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG).

Es muss sich dabei gar nicht unbedingt um den Versuch handeln, den Angerufenen zu einem Tarifwechsel zu überreden. Einige Oberlandesgerichte (OLG) haben entschieden, dass Telefonwerbung bereits vorliegt, wenn der Anruf nur mittelbar der Absatzförderung dient. Damit kann auch ein Anruf eines Meinungsforschungsinstitutes im Auftrag eines Unternehmens unerlaubte Telefonwerbung sein, soweit sie nicht rein wissenschaftlichen Zwecken dient – die klassische Frage nach der Kundenzufriedenheit etwa.

Auch bei ehemaligen Kunden, die den Tarif gekündigt haben, darf man nicht einfach so anrufen, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Auch dazu ist eine vorherige Einwilligung nötig. Dass der Kunde seine Telefonnummer mitgeteilt hat, kann man nicht ohne weiteres als Einwilligung werten. Und selbst wenn man noch so höflich fragt, ob man stört – der Anruf bleibt auch dann illegal, wenn der Angerufene (während des Telefonats) nichts dagegen hat. Denn der Gesetzesbruch passiert schon vorher: Ohne Einwilligung hätte der Anrufer gar nicht erst anrufen dürfen.

Der beste Weg, die Einwilligung zu erhalten, ist ein Schreiben mit einer vorformulierten Einwilligungserklärung, die der Kunde ankreuzen kann oder nicht. Wichtig ist, dass er erkennen kann, was er da erklärt. Ist die Formulierung unklar oder zu weitgehend – etwa weil sie auch Werbeanrufer potenzieller Partnerfirmen umfasst –, dann ist die Gefahr groß, dass die Gerichte sie für unzulässig halten (so wie das OLG Stuttgart – Az. 2 U 29/10).

Wer sich über diese Regeln hinwegsetzt, läuft nicht nur Gefahr, von der Konkurrenz wegen unlauterem Wettbewerb verklagt zu werden. Er begeht auch eine Ordnungswidrigkeit, die von der Bundesnetzagentur (BNetzA) mit bis zu 50.000 Euro Bußgeld geahndet wird. Ein zusätzliches Bußgeld droht jedem Werbeanrufer, der mit unterdrückter Nummer anruft und so seine Identifizierung erschwert.

Anders sieht es bei Gewerbekunden aus: Hier sind die Anforderungen nicht so streng. Sie darf man anrufen, sofern es Gründe für die Annahme gibt, dass der Anruf den Angerufenen interessiert. Das mutmaßliche Interesse muss sich allerdings nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Kontaktaufnahme, also auf den Anruf per Telefon, beziehen.

Briefwerbung: Auf den Inhalt kommt es an

Werbebriefe zu verschicken, ist viel weniger problematisch als der Weg übers Telefon. Allerdings kommt es hier – wie stets – darauf an, was drinsteht.

Ein Beispielfall:
Ein Kunde ist vom Versorger A zum Konkurrenten B gewechselt. A schreibt den Kunden an: Man bedauere sehr, ihn als Kunden verloren zu haben und wolle ihn nur auf das eigene, angeblich viel günstigere Angebot aufmerksam machen. Was dabei nicht klar wird: Das eigene Angebot ist ein Kleinverbrauchertarif, der im Vergleich zum Strom-Grundtarif bei B natürlich günstiger ist.

Das ist in mehrfacher Hinsicht unzulässig: Zum einen darf A die Information, zu welchem Anbieter sein ehemaliger Kunde gewechselt ist, nicht ohne dessen Einverständnis zu Werbezwecken nutzen. Das hat das OLG Köln erst jüngst entschieden, unter Hinweis auf § 28 Abs. 3 BDSG; andere Gerichte sehen das genauso.

Zulässig wäre es, ehemalige Kunden anzuschreiben und ihnen generell Preisvergleiche zu präsentieren. Allerdings, und das ist der zweite Fehler, müssen diese Preisvergleiche auch stichhaltig sein. Man darf nicht Angebote vergleichen, die für den durchschnittlich informierten Verbraucher funktional unterschiedlich sind. Dass das eine Angebot hier nur für eine begrenzte Abnahmemenge gilt und das andere nicht, wäre sicherlich ein solcher Fall – zumal der Grundversorgungstarif unbegrenzt läuft und der Sondertarif nicht. Zumindest ein Sternchenverweis ins Kleingedruckte sollte diese Unterschiede klarstellen.

E-Mail: Niedrigere Hürden

Auch bei E-Mails sind die Anforderungen nicht so streng wie bei Telefonanrufen. Im Prinzip darf man zwar ebenfalls nur mit vorheriger Einwilligung des Empfängers Werbe-E-Mails verschicken. Das gilt aber nicht, wenn der Empfänger vorher schon einmal etwas gekauft hat und das beworbene Angebot ein ähnliches ist. Allerdings muss man den Empfänger immer darauf hinweisen, dass er der Zusendung solcher E-Mails widersprechen kann. Hat er widersprochen und schickt man ihm trotzdem welche, ist das natürlich unzulässig.

Fazit: Per Direktmarketing zu werben, wird auch weiterhin im Wettstreit um Kunden ein wichtiges Instrument bleiben, da es eine gezielte individuelle Ansprache potentieller Kunden ermöglicht. Allerdings muss man sich mit den damit verbunden Pflichten auseinandersetzen, insbesondere was den Datenschutz betrifft, und dafür sorgen, dass der eigene Vertrieb sich daran hält.

Was wohl keine Zukunft mehr hat, ist das klassische Telefonmarketing per Callcenter, wie es insbesondere die bundesweiten Energieversorger lange betrieben haben. Stattdessen werden Marketingmethoden interessant, die Anreize für potenzielle Kunden setzen, mit den Anbietern in Kontakt zu treten.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Nils Langeloh

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