Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen des Bundeskartellamtes: das Fauchen des zahnlosen Tigers

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Bereits im Juni hatten wir über ein Konsultationspapier des Bundeskartellamtes (BKartA) zu Nutzerbewertungen im Internet berichtet. Nun ist die fertige Sektoruntersuchung veröffentlicht worden. Die in der Konsultation bereits teilweise ausgewerteten Befragungen von Internetportalen und Bewertungsdienstleistern wurden nun vollumfassend dargestellt und durch eine Analyse der Rechtspraxis flankiert. Hierbei werden auch Maßnahmen dargestellt, die viele Bewertungsportale bereits jetzt treffen, um falsche Bewertungen zu identifizieren und zu entfernen.

Unterschiedliche Ansätze und Zielrichtungen

Dabei gibt es grundsätzlich drei Ansätze: eine vorherige Verifizierung der Person oder eine gesonderte Freigabe zur Abgabe von Rezensionen, die automatische oder teilautomatische Sicht von Kommentaren und die Darstellung der Nutzerbewertungen. Die Verifizierung der Person kann sich darauf beschränken, einen Account zu erstellen, fordert jedoch immer öfter eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer, um einer Flut von Fake-Accounts vorzubeugen. Einige Anbieter erlauben Bewertungen nur in dem Fall, dass das Produkt auch tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Zudem wird versucht, ungekennzeichnete Produkttests von vornherein auszuschließen. Abgegebene Bewertungen werden teils vor Veröffentlichung, oder aber erst bei Meldung durch Nutzer*innen oder Anbieter*in, kontrolliert. Hierbei kann nicht nur das verwendete Vokabular, sondern teils auch Semantik und Syntax dazu führen, dass eine Bewertung automatisch gelöscht oder zumindest manuell überprüft wird. Außerdem sind die Anordnung und die Darstellung der Nutzerbewertungen durchaus ausschlaggebend, etwa um Nutzer*innen auf einen bestätigten Kauf, mangelnde Authentizität oder aber die Einbindung von Drittbewertungen auf anderen Seiten hinzuweisen.

Nicht jede*r Anbieter*in folgt hierbei allen Ansätzen, da die Portale unterschiedliche Ziele verfolgen. Verkaufsportale wie Amazon sind grundsätzlich am Verkauf der angebotenen Ware interessiert, reine Sammelportale wie Jameda, Yelp oder auch Google hingegen behandeln die Information selbst als Teil der Dienstleistung. Die Anbieter gekaufter Bewertungen sind vergleichbar ambivalent: Während viele klassische Unternehmen am – grauen – Markt operieren, finden sich auch zunehmend dezentrale Organisationsstrukturen, die zB. über Whatsapp oder Telegram Anbieter und Privatpersonen unmittelbar zusammenbringen.

Problemfelder und Lösungen

Das BKartA identifiziert im Ergebnis verschiedene Problemfelder: Einerseits nehmen verdeckte oder durch Formvorgaben manipulierte Produkttests zu. Andererseits ist es für Verbraucher auch gefährlich, wenn Bewertungen gefälscht oder für den Kunden Anreize zu einer möglichst guten Bewertung gesetzt werden. Zudem kann die Herkunft von Rezensionen undurchsichtig sein, etwa weil diese von Drittseiten stammen oder Ergebnis einer nachträglichen „Kundenbefragung“ sind.

Lösungen kann die Behörde selbst nicht bieten. Vielmehr müssten die Portale stärker ihre Verantwortung als Vermittler und Dienstleister der Bewertungen wahrnehmen, um Manipulationen zu vermeiden oder zumindest bei Bedarf zu kennzeichnen. Ebenso könnten große Verkaufsportale selbstständig Anreize für, selbstverständlich in ihrer Aussage freie, Nutzerbewertungen treffen. So würde die Vielzahl an echten Kunden die Anzahl an manipulierten Bewertungen überwiegen. In einigen Fällen hofft das BKartA auch auf eine konsequentere Rechtsdurchsetzung, beispielsweise bei verdeckten Produkttests.

Zusammenfassend wird klar: Außer in einer Sektoruntersuchung auf systemische Defizite hinzuweisen und dadurch Aufklärung zu leisten, kann die Wettbewerbsbehörde kaum etwas selbst unternehmen. Wie bereits im letzten Beitrag festgestellt, liegt es deshalb kurz- und mittelfristig in der Hand jede*r Nutzer*in, bei der Durchsicht von Bewertungen selbst ein kritisches Auge walten zu lassen. Zumindest insoweit kann das BKartA Hilfestellung leisten und hat die Behörde ein kurzes Video veröffentlicht, das Tipps zum Umgang mit Nutzerbewertungen gibt.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Holger Hoch

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