Restrukturierung statt Insolvenz

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Die Corona-Pandemie führt zu einem Wirtschaftsabschwung in Deutschland. Gerade in solchen Krisenzeiten ergeben sich neue Marktdynamiken, auf die der Gesetzgeber reagieren muss. Das hat er mit seinem Gesetzesentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) getan (wir berichteten).

Über Krisenmanagement hinaus

Besonders kleine und mittlere Unternehmen wurden von der Krise stark getroffen und kämpfen trotz staatlicher Hilfen mit Liquiditätsproblemen. Der für den Winter 2020 angeordnete zweite Lockdown (light) nährt dazu die Angst einer weiteren Abwärtsspirale. Zahlreiche Maßnahmen sollen die negativen Konsequenzen für Unternehmen reduzieren. Dazu gehören unter anderem angepasste Regelungen zum Sanierungs- und Insolvenzrecht.

Zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 wurde die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige und überschuldete Unternehmen zunächst bis Ende September 2020 ausgesetzt. Für überschuldete Unternehmen wurde diese Regelung dann bis zum 31.12.2020 verlängert (wir berichteten). Eine Zahlungsunfähigkeit verpflichtet daher seit 1.10.2020 wieder zur Insolvenzantragstellung.

In Zusammenhang mit diesen Maßnahmen entstand eine Debatte über eine grundsätzliche Änderung des Sanierungs- und Insolvenzrechts.

Gesetzesentwurf der Bundesregierung

Der aktuell diskutierte Entwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts soll einen Rechtsrahmen schaffen, der es Unternehmen ermöglicht, sich bei drohender, aber noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren. Basis war der Referentenentwurf vom 18.9.2020. Eine erste Lesung im Bundestag zum Gesetzesentwurf ist am 18.11.2020 erfolgt und bereits am 1.1.2021 soll das Gesetz in Kraft treten. Neben Änderungen der Insolvenzordnung (InsO) bildet das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) den Kern des Gesetzgebungsverfahrens.

Mit dem Restrukturierungsplan soll ein vom Insolvenzverfahren unabhängiges, vorinsolvenzrechtliches Verfahren zur Sanierung noch nicht zahlungsunfähiger oder überschuldeter Unternehmen geschaffen werden. Unternehmen sollen sich mit Zustimmung einer Mehrheit der Gläubiger sanieren können. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Geschäftsleitung eines Unternehmens, das Planverfahren durchzuführen. Es ist aber auch eine Beteiligung eines Restrukturierungsgerichts vorgesehen, etwa wenn eine gerichtliche (Vor-)Prüfung des Plans erfolgen soll oder von Beginn an mit dem Widerstand einzelner Gläubiger zu rechnen ist.

Flankierend hierzu sieht das Gesetzesvorhaben Schutzmechanismen vor, um eine ernsthafte und aussichtsreiche Sanierung nicht zu gefährden. Wenn der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist und der Vertragspartner einer Vertragsanpassung oder -beendigung nicht zugestimmt hat, soll als Ultima Ratio die Möglichkeit bestehen, bestimmte gegenseitige Verträge durch eine gerichtliche Entscheidung zu beenden – allerdings nur dann, wenn der Restrukturierungsplan bestätigt wird. Darüber hinaus kann das Restrukturierungsgericht eine sogenannte Stabilisierungsanordnung erlassen, um das Restrukturierungsvorhaben zu sichern. Sie verhindert zeitlich begrenzt sowohl die Vollstreckung in das schuldnerische Vermögen als auch die Geltendmachung bestimmter Rechte.

Zudem sollen in der InsO die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit stärker voneinander abgegrenzt werden. Der Überschuldungsprüfung wird ein Prognosezeitraum von einem Jahr zugrunde gelegt, wohingegen die Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig im Rahmen eines zweijährigen Prognosezeitraums erfolgen soll. Der (maximale) Zeitraum für die Stellung eines Insolvenzantrags bei Überschuldung soll zudem auf sechs Wochen erhöht werden.

Stellungnahme des IDW

Das  Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) bezog am 2.10.2020 zu dem Referentenentwurf vom 18.9.2020 Stellung. Neben breiter Zustimmung für die grundsätzliche Fahrtrichtung wurden einzelne Aspekte des Entwurfes kritisch gewürdigt. So sollten die im Entwurf des Bundesjustizministeriums (BMJV) vorgeschlagenen Maßnahmen bereits frühzeitig in der Ertragskrise und nicht erst bei drohender Zahlungsunfähigkeit genutzt werden können. Darüber hinaus sollte es möglich werden, dass juristische Personen zum Restrukturierungsbeauftragten ernannt werden können, die dann wiederum analog zu § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB berufsrechtlich in die Verantwortung gezogen werden können. Auch bemängelt das IDW, dass Aufbau und Umfang des erforderlichen Restrukturierungsplans noch nicht abschließend geklärt sind.

Aufbauend auf der Stellungnahme führte das IDW mit Parlamentariern und Verbandsvertretern ein Expertengespräch zu möglichen Ergänzungen des Gesetzentwurfes durch. Dabei schlug das IDW vor, eine explizite Planungspflicht (wir berichteten) für Unternehmen zu kodifizieren, die einzelfallspezifisch an die Größe des Unternehmens anzupassen ist. Die Geschäftsleiter sollen dazu verpflichtet werden, bei drohender Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren, im Zweifel auch gegen die Weisungen der Gesellschafter. Eine explizite Planungspflicht könnte für Unternehmen im beratenden oder prüfenden Sektor eine weitere Möglichkeit bieten, Mandanten, die sich in einer Ertragskrise befinden, frühzeitig in einer Sanierung des Unternehmens zu unterstützen und eine erfolgreiche Weiterführung des Unternehmens zu gewährleisten. Inwieweit der Vorschlag des IDW Einzug in den Gesetzestext findet, ist bleibt freilich abzuwarten.

Nachhaltige Chancen

Spannend wird zudem sein, wie sich die Umsetzung des Gesetzes gestaltet und welche nachhaltige Veränderung des Insolvenzrechts daraus folgt. Jedenfalls steht fest, dass eine adäquate Kodifizierung einer expliziten Planungspflicht in Kombination mit einer effektiven Restrukturierungsstrategie nachhaltige Chancen für das aktuelle „Krisenunternehmen“ bietet.

Anprechpartner: Tobias Sengenberger/Markus Ladenburger/Steffen Lux

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