Wie Corona die Baustellen beeinflusst

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Die Corona-Krise hat Deutschland fest im Griff. In den meisten Branchen wird man die Auswirkungen der Epidemie und der zwingend erforderlichen Schutzmaßnahmen noch Monate, wenn nicht sogar Jahre später spüren. Nicht zuletzt die Baubranche muss daher anpacken und versuchen, die bevorstehenden Schwierigkeiten zu lösen. Die Besonderheit der derzeitigen Situation liegt darin, dass es seit Gründung der Bundesrepublik noch keine vergleichbare Krise gegeben hat und deshalb bewährte Handlungsweisen und einschlägige Gerichtsentscheidungen nicht existieren. Vielmehr wird es auf die Kooperation aller Beteiligten ankommen.

Wie wirkt sich die Krise aus?

Spürbar sind die Corona-Krise und die daraus folgenden Maßnahmen auf der Baustelle sofort. Betriebe oder Baustellen werden wegen Quarantänemaßnahmen stillgelegt. Zudem sind die Grenzen für die Ein- und Ausreise geschlossen. Das bedeutet faktisch einen Baustopp, da die Baubranche auf Arbeiter aus dem gesamten europäischen Binnenmarkt angewiesen ist und auch Baumaterial schon jetzt verspätet geliefert wird. Terminpläne sind nicht mehr zu halten. Hieraus entstehen wirtschaftliche Schäden für die Auftraggeber. Zugleich bedeutet der Stillstand für die Unternehmer den Ausfall der Produktivität und des Gewinns. Dies gilt gleichermaßen für Architekten und Ingenieure wie für ausführende Unternehmen.

Was sind die Folgen?

Infolge des behördlichen Vorgehens entstehen für alle Beteiligten Ansprüche, was potenziell für ein sehr hohes wirtschaftliches Konfliktpotential sorgt. Drei Konstellationen sind hierbei nennenswert:

Soweit ein VOB/B-Vertrag vereinbart ist, gerät der Auftragnehmer nicht in Verzug, wenn er aufgrund höherer Gewalt die Termine nicht einhält, § 6 Abs. 2 Nr. 1 c) VOB/B, vielmehr hat er einen Anspruch auf Anpassung der Termine. Die Corona-Pandemie fällt sicherlich unter höhere Gewalt, da von „außen“ auf die Vertragsabwicklung Einfluss genommen wird und die Krise für die Parteien nicht vorhersehbar war. In einem BGB-Bauvertrag gilt Ähnliches, da der Auftragnehmer die Verzögerungen, die aufgrund der Corona-Pandemie entstehen, nicht zu vertreten hat. In manchen Verträgen finden sich auch (zulässige) abweichende Regelungen.

Ferner können sich die Maßnahmen in der Corona-Krise auf die vereinbarte Vergütung auswirken. Für einen Unternehmer ist seine Preiskalkulation nicht mehr auskömmlich oder wirtschaftlich, sobald er Stillstandszeiten hinnehmen muss, in denen er z.B. Gerät vorhalten oder seine Arbeiter weiter bezahlen muss. Er kann sich gerade nicht mehr auf die Materialpreise verlassen, die er vor der Krise mit seinen Lieferanten verhandelt hat. Für diese Schwierigkeiten ist gleichfalls nicht der Auftraggeber verantwortlich. Dennoch wird man je nach den Umständen des Einzelfalles zu dem Ergebnis kommen, dass sich die Grundlage des Vertrages derart geändert hat, dass ein Ausgleich für den Unternehmer angemessen erscheint, zumal die Krise nicht vorhersehbar war. In vergleichbaren Fällen von höherer Gewalt lässt sich aus der BGH-Rechtsprechung eine Tendenz ablesen, in derartigen Ausnahmefällen einen Wegfall bzw. eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, so dass dem Unternehmer Ansprüche auf Anpassung der vereinbarten Vergütung zustehen können. Der BGH hat dies auch bei Planungsleistungen grundsätzlich anerkannt. Diese Überlegungen gelten für die VOB/B wie für BGB-Bauverträge.

Schließlich könnten Verträge gekündigt werden. Der bisher wenige beachtete § 6 Abs. 7 VOB/B gibt den Parteien ein Kündigungsrecht, wenn die Arbeiten auf der Baustelle für mehr als drei Monate unterbrochen sind. Im BGB ist diese Kündigungsmöglichkeit nicht explizit vorgesehen. Mit dem Gesetz lässt sich aber gut argumentieren, dass aufgrund der Corona-Pandemie solche Umstände vorliegen, in denen ein Festhalten am Vertrag für den Unternehmer schlicht unzumutbar ist.

In allen Fällen ist es notwendig, dass die Vertragspartner bereits jetzt aufeinander zu gehen, um Lösungen zu finden, wie zum Beispiel die Anpassung der Terminpläne, die Vereinbarung von Nachträgen und der Umgang mit Stillstandszeiten oder anderes mehr.

Ansprechpartner: Wolfram von Blumenthal/Alexander Müller

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