Kraftwerke, Sonnenuntergang

Änderung des KWKG – Anwendung von Art. 46 AGVO auf Zuschlagszahlungen für Wärme- und Kältenetze

Am 25. Februar 2025 ist das Gesetz zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) und der KWK-Ausschreibungsverordnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. 2025/ I Nr. 54). Am 1. April dieses Jahres treten beide in Kraft. Die Gesetzesänderungen betreffen u.a. die Förderung von Wärme- und Kältenetzen durch den KWKG-Zuschlag.

Förderung von Wärme- und Kältenetzen mit Änderung des KWKG

Auch weiterhin regelt Abschnitt 4 (§§ 18-21) des KWKG die Zuschlagszahlungen für Wärme- und Kältenetze. Damit bildet das KWKG neben der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) eine entscheidende Grundlage für die Finanzierung des Fernwärmeausbaus. Bleibt der KWKG-Zuschlag auch weiterhin auf die Förderung von Investitionen für den Neu- und den Ausbau der Netze beschränkt, erhöht sich die Höchstförderung durch die Gesetzesänderung von 20 Mio. EUR auf 50 Mio. EUR je Vorhaben. Der Zuschlag ist dabei auf maximal 40% der ansatzfähigen Investitionskosten beschränkt. Förderfähig sind die Vorhaben bei einer Inbetriebnahme ab dem Jahr 2028 jedoch nur noch, wenn die Wärme zu mindestens 80% mit Wärme aus hocheffizienten KWK-Anlagen oder zu mindestens 75% mit einer Kombination aus hocheffizienten KWK-Anlagen, erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme bereitgestellt wird, wobei der Anteil der erneuerbaren Energien mindestens 5% betragen muss.

Bisher geltende Pflicht zur Einzelfallnotifizierung

Bislang konnte das BAFA einen Zuschlag über 15 Mio. EUR (bis maximal 20 Mio. EUR) und für KWK-Anlagen mit einer elektrischen KWK-Leistung von mehr als 300 MW erst nach beihilferechtlicher Genehmigung durch die EU-Kommission gewähren. Diese Vorgabe war darauf zurückzuführen, dass die EU-Kommission den KWKG-Zuschlag als Beihilfe angesehen und diesen nur mit der Maßgabe der Einzelfallnotifizierung ab 15 Mio. EUR bzw. ab 300 MW genehmigt hat (Beschluss C(2021)3918 final v. 3.6.2021 – SA.56826, Rn. 59, 112). Den Vorbehalt der Einzelfallnotifizierungspflicht hatte der Gesetzgeber für Wärmenetze in § 20 Abs. 6 KWKG (max. Betrag) bzw. für KWK-Anlagen in § 10 Abs. 5 KWKG (max. Leistung) aufgenommen.

Deutschland hatte sich bereits während des Notifizierungsverfahrens des KWKG auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei dem KWKG nicht um staatliche Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV handele und gegen den Beschluss, mit dem die Kommission das KWKG als Beihilfe genehmigt hat, Klage vor dem EuG erhoben. Mit Urteil vom 24.01.2024 in der Rs. T-409/21 gab das Gericht dem Anliegen Deutschlands statt, stellte fest, dass die KWKG-Maßnahmen aus nicht-staatlichen Mitteln der Netzbetreiber stammen und erklärte den Beschluss der Kommission für nichtig. Wenig überraschend legte die Kommission gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim EuGH (Rs. C-242/24) ein, über das der EuGH bislang noch nicht entschieden hat.

Beihilferechtlicher Schwebezeitraum bis zum Erlass des EuGH-Urteils

War zunächst die Freude über das Urteil des EuG groß, wurde schnell klar, dass eine damit grundsätzlich beihilfefreie Förderung auf Grundlage des KWKG mit einem gewissen Risiko behaftet blieb. Das Urteil des EuG war zwar mit Verkündung wirksam, aufgrund der Klage der Kommission jedoch nicht rechtskräftig geworden. Sollte der EuGH in seinem Urteil den Ansatz der Kommission stützen und zu dem Ergebnis kommen, dass der KWKG-Zuschlag doch eine staatliche Beihilfe beinhaltet, entfaltet dieses Urteil rückwirkend Rechtskraft und setzt damit den ursprünglichen Beschluss der EU-Kommission wieder in Kraft. Im Ergebnis wären damit alle vermeintlich beihilfefrei gewährten KWKG-Zuschläge nachträglich als Beihilfen anzusehen und nur bis zu dem Schwellenwert von 15 Mio. EUR bzw. nur bis zu einer Leistung von 300 MW von dem Kommissionbeschluss gedeckt. Für Unternehmen, die in dieser beihilferechtlichen Schwebezeit mehr als 15 Mio. EUR (oder einen Zuschlag für eine Anlage über 300 MW) erhalten haben, bestünde somit ein nicht unerhebliches Risiko der Rückforderung des KWKG-Zuschlags aufgrund eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot in Art. 108 Abs. 3 AEUV.

Anwendung von Art. 46 AGVO zur Überwindung des beihilferechtlichen Schwebezeitraums

Um in diesem beihilferechtlichen Schwebezeitraum eine rechtssichere Gewährung des KWKG-Zuschlags zu ermöglichen, ist in Einzelfällen auf eine Zwischenlösung zurückgegriffen worden, die jetzt auch Eingang in das Gesetz gefunden hat. Die nunmehr in § 20 Abs. 6 KWKG 2025 manifestierte Anwendung von Art. 46 Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) geht zunächst vom Vorliegen einer Beihilfe aus, vermeidet aber die Pflicht zur Einzelfallnotifizierung, soweit die allgemeinen Voraussetzungen von Kapitel I der AGVO und die besonderen Voraussetzungen von Art. 46 AGVO erfüllt sind. Die Verweise auf die Einzelfallnotifizierungspflicht in § 20 Abs. 6 KWKG (a.F.) und § 10 Abs. 5 KWKG (a.F.), die die Anwendung von Art. 46 AGVO erschwerten, sind mit der Gesetzesänderung entfallen.

Die Einhaltung der Voraussetzungen der AGVO sollte allerdings nicht auf die leichte Schulter genommen werden und ist vom Antragsteller gemäß § 20 Abs. 6 KWKG gegenüber dem BAFA nachzuweisen. Dies gilt auch für die allgemeinen Voraussetzungen in Kapitel I der AGVO wie z.B. den Anreizeffekt gemäß Art. 6 AGVO. Dieser besagt, dass für Vorhaben, mit denen bereits vor Antragstellung begonnen wurde, die Anwendung der AGVO grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung dürfte kollidieren mit dem insoweit unveränderten § 11 Abs. 3 KWKG, der auf einen Antrag nach Aufnahme des Dauerbetriebs der KWK-Anlage bzw. dem § 20 Abs. 3 KWKG, der auf einen Antrag nach Inbetriebnahme des Wärme- oder Kältenetzes abstellt, und gerade nicht auf eine Antragstellung vor Baubeginn.

Anreizeffekt des KWKG-Zuschlags

Für einzelne Gruppen der AGVO unterstellt Art. 6 Abs. 5 AGVO, dass ein Anreizeffekt vorliegt. Art. 46 AGVO ist jedoch dort nicht explizit aufgeführt und aufgrund der engen Auslegung der AGVO kommt auch eine entsprechende Anwendung dieser Ausnahmetatbestände nicht in Betracht. Zu berücksichtigen ist jedoch im Zusammenhang mit der Frage des Anreizeffekts, dass sich der KWKG-Zuschlag von einer üblichen Förderung im Rahmen von Zuwendungen, die regelmäßig bereits vor Durchführung der konkreten Maßnahme genehmigt und gewährt werden, unterscheidet. Das KWKG regelt vielmehr durch den KWKG-Zuschlag die nachfolgende Finanzierung als eine Art Teilrückerstattungsanspruch der verauslagten Investitionskosten. Die Konstruktion des KWKG ähnelt damit eher einem Steuerrückerstattungssystem. Daher könnte überlegt werden ohne von einer entsprechenden Anwendung zu sprechen – den Grundgedanken des Abs. 4 für die Begründung des Anreizeffekts des KWKG-Zuschlags heranzuziehen.

Ermessensfreier Anspruch auf Zahlung des KWKG-Zuschlags

Wie in Abs. 4 lit. a für Steuervergünstigungen gefordert, haben Betreiber von neuen oder ausgebauten Wärmenetzen gemäß § 18 Abs. 1 KWKG einen ermessensfreien Anspruch auf Zahlung des KWKG-Zuschlags, soweit sie die in den Abs. 2 und 4 geforderten objektiven Voraussetzungen erfüllen. Die Höhe bestimmt sich nach den in § 19 KWKG festgelegten objektiven Kriterien. Das BAFA hat damit bei der Gewährung des KWKG-Zuschlags weder dem Grunde noch der Höhe nach Ermessen. Damit hat auch der Zeitpunkt der Antragstellung keine Auswirkung auf den Anreizeffekt. Unabhängig davon empfiehlt sich jedoch für eine rechtssichere Anwendung von Art. 46 AGVO, bei künftigen Vorhaben vor Baubeginn einen Vorbescheid gemäß § 20 Abs. 5 KWKG zu beantragen.

Nachteil der Anwendung der AGVO

Der weitere Nachteil der Anwendung der AGVO besteht darin, dass bei einer Förderung aus anderen staatlichen Quellen die Kumulierungsvorschriften zu beachten sind. Auch die besonderen Voraussetzungen von Art. 46 AGVO sind dabei regelmäßig eng auszulegen. Die Kommission untersucht stichprobenartig, ob die Mitgliedstaaten die Regelungen der AGVO einhalten. Soweit die Betreiber die Voraussetzungen von Art. 46 AGVO gegenüber dem BAFA nachweisen können, entfällt die bisherige Notifizierungspflicht. Das hat den Vorteil, dass der KWKG-Zuschlag zeitnah gewährt werden kann und gleichzeitig Rechtssicherheit besteht, bis der EuGH sein abschließendes Urteil fällt.

Ansprechpartner:innen Beihilferecht: Christoph von Donat/Gabriele Quardt

Ansprechpartner:innen KWKG: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel/Dr. Heiner Faßbender/Roland Monjau/Johanna Riggert

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