Strommasten, Sonne, Wolken, blauer Himmel

BGH-Beschluss nach EuGH-Urteil zur Unvereinbarkeit der „Kundenanlage“ mit EU-Recht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nach der wegweisenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Europarechtswidrigkeit der deutschen Kundenanlagenregelung im November 2024 nun am 13.5.2025 im Ausgangsverfahren entschieden. Das Ergebnis ist nach der Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage des BGH nicht überraschend. Die streitgegenständlichen Strominfrastrukturen stellen ein reguliertes Netz und keine Kundenanlagen dar. Über das konkrete Verfahren hinaus – darauf hatte die gesamte Energiebranche gehofft – ergaben sich leider weder aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung noch aus den Erläuterungen in der gestern veröffentlichten Pressemitteilung neue Erkenntnisse. 

Worum geht es? 

Infrastrukturen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Strom konnten nach den bisherigen gesetzlichen Vorgaben und Kriterien der Rechtsprechung vielfach als sogenannte Kundenanlagen (§ 3 Nr. 24a)/b) EnWG) eingestuft werden. Dies betraf vor allem Industrie- und Gewerbeparks, Krankenhäuser, (Flug-)Hafenareals, Unicampus. Aber auch Einkaufszentren, Mehrfamilienhäuser und Wohnquartiere fielen darunter. Für die Betreiber hatte dies den Vorteil, dass sie nicht den für Netzbetreiber geltenden Regulierungspflichten unterworfen waren. Sie mussten sich den Netzbetrieb nicht genehmigen lassen. 

Dementsprechend schlug das Urteil des EuGH vom 28.11.2024, das die Definition der allgemeinen Kundenanlage im deutschen Recht (§ 3 Nr. 24a) EnWG) für europarechtswidrig erklärte, hohe Wellen in der Branche. Denn für etliche (bisherige) Kundenanlagen steht in Frage, ob die Infrastruktur auch zukünftig die Voraussetzungen einer Kundenanlage erfüllt. Oder vielmehr – mit deutlich erhöhtem Aufwand – als Netz betrieben werden muss.  

Die Entscheidung des BGH 

Nun hat der BGH im konkreten Fall entschieden, dass die zwei zu bewertenden Infrastrukturen nicht als Kundenanlagen nach § 3 Nr. 24a) EnWG eingestuft werden können. Daher besteht auch der von der Antragstellerin verfolgte Anspruch auf Anschluss der Infrastrukturen an das vorgelagerte Netz gemäß § 20 Abs. 1 d EnWG nicht.  

Bedeutung für die „Kundenanlage“ 

Über das konkrete Verfahren hinaus hat sich der BGH – in Gestalt eines obiter dictum – nicht grundsätzlich zur Rechtslage geäußert. Auch nach der Entscheidung des BGH stellt sich daher weiterhin die Frage, welcher Anwendungsbereich für die allgemeine Kundenanlage (§ 3 Nr. 24a) EnWG) nach dem Beschluss des EuGH verbleibt. Anders als in einer früheren Entscheidung des BGH nach der vom EuGH festgestellten Europarechtswidrigkeit der vormaligen sogenannten Objektnetzausnahme von der Regulierung scheint der BGH dieses Mal keine Lösung über eine richtlinienkonforme Auslegung der Rechtsfolgenseite zu suchen. Also einige Regulierungspflichten auszunehmen. Vielmehr fordert der BGH eine europarechtskonforme Auslegung der Tatbestandsseite: Kundenanlage ist nur, was nicht im Sinne der europäischen Vorgaben ein Netz darstellt. Was genau das unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH noch sein kann, bleibt bislang offen. Hier ist auf die ausstehenden Entscheidungsgründe zu setzen. Klar ist immerhin, dass der BGH weiterhin Energieanlagen jenseits der Netzregulierung anerkennt. 

Die Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung (§ 3 Nr. 24b) EnWG) war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem BGH, weswegen sie auch nicht von der vom EuGH festgestellten Europarechtswidrigkeit betroffen ist. Der BGH hat daher – folgerichtig – dazu keinerlei Aussagen getroffen. Diese ist allenfalls mittelbar von dem Verfahren betroffen. Einzelne Aussagen könnten inhaltlich übertragbar sein.  

Wie geht es nun weiter? 

Letztlich gilt insgesamt: Die neueste Rechtsprechung trägt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für bestehende oder geplante Infrastrukturen und dezentrale Versorgungsprojekte bei.  

Die Entscheidung des BGH hat für die Branche und den Fortbestand der „Kundenanlage“ bislang kaum Erkenntnisse gebracht. Hier ist eventuell noch auf die Entscheidungsgründe zu setzen. Letztlich wird es Sache des Gesetzgebers sein, für Klarheit zu sorgen. Und auch die Regulierungsbehörden sind in der Pflicht. Schließlich hatten sie mit ihrem Positionspapier zu Kundenanlagen und geschlossenen Verteilernetzen die bisherige und nunmehr überholte Praxis mit in Gang gesetzt. 

Ansprechpartner:innen: Dr. Thies Christian Hartmann/Jens Panknin/Rosalie Wilde/Nina Wipfler 

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