BImSchG-Novelle Teil 4: Genehmigungsbeschleunigung durch die BImSchG-Novelle – wie der Bau neuer Windenergieanlagen erleichtert werden soll

Am 9. Juli 2024 ist die Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in Kraft getreten. Diese steht ganz im Zeichen der Genehmigungsbeschleunigung, insbesondere beim Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE). Ein zentraler Bereich der Novelle betrifft die Windenergie. Die Verfahrensbeschleunigung ist in diesem Bereich unerlässlich, um die Energiewende voranzubringen. Für neue Windenergieanlagen (WEA) baut die Novelle des BImSchG – neben weiteren Vorschlägen u.a. zur Erleichterung der Typengenehmigung, über die wir schon im Zusammenhang mit dem Repowering berichteten – auf Beschleunigungseffekte durch einen vereinfachten Vorbescheid und höhere Hürden für Rechtsbehelfe Dritter.

Der Vorbescheid – Vertrauen und Planungssicherheit für Windenergieprojekte

In Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG kann seit jeher über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen per Vorbescheid entschieden werden. Der Vorbescheid soll vor allem bei komplexen oder neuartigen Anlagen wichtige Vorfragen klären; damit soll die Realisierung der Vorhaben besser abgesichert werden. Er kann einzelne Voraussetzungen für die Genehmigung zum Inhalt haben oder sich auch auf bestimmte konzeptrelevante Anlagenbestandteile beziehen. Im Hinblick auf seinen Inhalt bindet der Vorbescheid die Behörde im weiteren Genehmigungsverfahren. Das wiederum setzt jedoch voraus, dass aufgrund eines vorläufigen positiven Gesamturteils die gesamte Anlage als genehmigungsfähig eingeordnet werden kann („vorläufiges positives Gesamturteil“). Hierbei müssen – kurz gesagt – die „übrigen“ Fragen, die nicht Gegenstand des Vorbescheids sind, zumindest vorläufig darauf bewertet werden, ob dem Vorhaben insgesamt rechtlich unüberwindbare Hemmnisse entgegenstehen. In der Praxis erweist sich diese Bewertung der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit nicht selten als erhebliche Herausforderung.

Genau hier setzt die BImSchG-Novelle an: Speziell für WEA ist nun nach dem neuen § 9 Abs. 1a BImSchG ein Vorbescheid ohne vorläufiges positives Gesamturteil möglich; außerdem ist bestimmt, dass keine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden muss. Es genügt vielmehr, dass der Anlagenbetreiber bzw. die Anlagenbetreiberin ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des Vorbescheids hat und der Antrag auf Genehmigung der Anlage (insgesamt) noch nicht gestellt wurde. Es müssen also nicht mehr alleAuswirkungen der geplanten Anlage (vorläufig und positiv) beurteilt werden.

Dies dürfte die Projekte deutlich beschleunigen. Gleichzeitig entfällt die mit dem vorläufigen positiven Gesamturteil einhergehende Regelungswirkung. Der Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG ist auf die Frage beschränkt, die an die Behörde gerichtet wurde, also z.B. zur Zulässigkeit des konkreten Standorts oder zur Vereinbarkeit mit luftverkehrsrechtlichen Anforderungen. Eine Aussage dazu, dass der Errichtung und dem Betrieb der WEA keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen im BImSchG entgegenstehen, ist mit dem Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG also nicht zu erwarten.

Strengere Regeln für Rechtsbehelfe Dritter

Die BImSchG-Novelle ändert außerdem, wie Rechtsbehelfe Dritter, also Widersprüche oder Klagen gegen Windenergievorhaben wirken. Bislang hatten diese enormes Verzögerungspotential, zumal wenn sie erhoben wurden, um die Projektrealisierung zu behindern. Nach wie vor können sich Dritte zwar gegen genehmigte WEA wehren, allerdings muss der Widerspruch innerhalb eines Monats nach seiner Erhebung begründet werden. Geschieht dies nicht, soll die Behörde ihn zurückweisen, § 63 Abs. 1, S. 2 bis 4 BImSchG. Damit kann die Behörde nur in Ausnahmefällen eine spätere Begründung zulassen.

Bereits vor der BImSchG-Novelle hatten Rechtsbehelfe gegen immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige WEA keine aufschiebende Wirkung, so dass die Errichtung nicht bis zur behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt war. Wenn Dritte erreichen wollen, dass ihr Rechtsbehelf (über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung) zum Baustopp führt, müssen sie dies gesondert beantragen. Mit der BImSchG-Novelle wurden auch hierfür strengere Vorgaben eingeführt: Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss zukünftig innerhalb eines Monats nach Zustellung der WEA-Zulassung gestellt und begründet werden. Nur später eingetretene Tatsachen rechtfertigen ggf. einen späteren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Diese Regelungen erschweren pauschale Rechtsbehelfe gegen WEA und dürften dazu beitragen, dass Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur innerhalb recht kurzer Zeit und bei substantiierten Bedenken Erfolg haben.

Fazit und Ausblick: Die Stärkung des Ausbaus der Windenergie?

Die BImSchG-Novelle enthält wichtige Neuerungen für den Ausbau der Windenergie, indem sie zur Planungssicherheit und Flexibilität beiträgt. Die beschriebenen Beschleunigungseffekte sind zentrale „Stellschrauben“ in den Genehmigungsverfahren für WEA.

Inzwischen steht bereits die nächste Novelle des BImSchG an. Sie ist Teil einer umfassenden Neuerung mehrerer Gesetze, die die EE-Richtlinie auf EU-Ebene vorsieht. Dazu hat die Bundesregierung Anfang August einen Entwurf veröffentlicht, der die Ausweisung von sog. Beschleunigungsgebieten betrifft, auf denen EE-Vorhaben besonders privilegiert werden sollen. Für Vorhaben in diesen Beschleunigungsgebieten soll das Genehmigungsverfahren im BImSchG weiter erleichtert werden, z.B. durch strengere Vorgaben an die Vollständigkeitsprüfung und durch die Einführung eines elektronischen Genehmigungsverfahrens voraussichtlich ab November 2025.

Damit leisten die Gesetzesnovellen einen wichtigen Beitrag, bis 2030 den Anteil von EE am Energieverbrauch der EU auf die angestrebten 42,5 % anzuheben.

Ansprechpartner:innen: Prof. Dr. Ines  Zenke/Dr. Tigran Heymann/Andreas Große/Carsten Telschow/Micha Klewar

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