„BNetzA will vermiedene Netzentgelte bis zum Jahr 2029 vollständig abschmelzen“
Am 23. 4.2025 hat die Große Beschlusskammer der Bundesnetzagentur (BNetzA) einen Festlegungsentwurf veröffentlicht (Az. GBK-25-02-1#1). Darin kündigt sie an, die Entgelte für die dezentrale Einspeisung nicht volatiler Erzeugungsanlagen gemäß § 18 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) für den Zeitraum 2026 bis einschließlich 2028 schrittweise zu reduzieren. Nach Tenorziffer 1 richtet sich die geplante Festlegung an Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen. Die Festlegung bezieht sich einschließlich geschlossener Verteilernetze im Sinne des § 3 Nr. 3 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).
Die derzeitige, durch das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NeMoG) im Jahr 2017 geschaffene Rechtslage sieht vor, dass Betreiber von dezentralen nicht volatilen Erzeugungsanlagen, die vor dem 1.1.2023 in Betrieb genommen wurden (Bestandsanlagen), von dem jeweiligen Verteilnetzbetreiber ein Entgelt für vermiedene Netzkosten erhalten.
Worum geht es in dem Beschlussentwurf konkret?
Nach dem Festlegungsentwurf sollen die Entgelte für dezentrale Einspeisung gemäß § 18 StromNEV in den Jahren 2026 bis 2028 sukzessive um jährlich 25 % abgesenkt werden. Netzbetreibern werden diese Kosten dementsprechend nicht mehr in der jetzigen Höhe als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten anerkannt. Nur die insoweit gekürzten Entgelte dürften danach bei der jährlichen Anpassung der Erlösobergrenzen durch die Netzbetreiber (§§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8, 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV) sowie bei der Ermittlung der Ist-Kosten und Verbuchung auf dem Regulierungskonto (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV) berücksichtigt werden. Die Große Beschlusskammer kündigt in den Gründen des Festlegungsentwurfs an, dass sie keine Nachfolgeregelung für § 18 StromNEV anstrebt. Dies gilt, sobald die StromNEV mit Ablauf des 31.12.2028 außer Kraft tritt. Die Entgelte für vermiedene Netzkosten sollen somit ab dem 1.1.2029 vollständig entfallen.
Kritikpunkte
Es gibt klare Hinweise darauf, dass die Bundesnetzagentur (BNetzA) ihre gesetzlich zugewiesene Regelungskompetenz überschreitet. Dadurch verstößt sie gegen den Vorbehalt des Gesetzes.
Die europarechtliche Bewertung durch die Große Beschlusskammer überzeugt weder hinsichtlich des Grundsatzes der Kostenorientierung und -effizienz. Sie überzeugt auch nicht im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot und den Verbraucherschutz. Aus unserer Sicht ist die Beibehaltung der vermiedenen Netzentgelte für Betreiber nicht volatiler Erzeugungsanlagen europarechtskonform.
Zudem greifen die geplanten Regelungen tief in bestehende Investitionsentscheidungen der Anlagenbetreiber ein. Sie missachten den verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensschutz in den Bestand der aktuellen Rechtslage. Es ist wichtig zu betonen, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit wiederholt und bewusst auf eine Abschaffung der Regelung für nicht-volatile Bestandsanlagen verzichtet hat. Dadurch wurde das Vertrauen in die geltende Rechtslage mehrfach bestätigt.
Auch die energiewirtschaftlichen Annahmen der BNetzA sind zu kurz gegriffen. Sie berücksichtigen weiterhin nicht die Vorteile dezentraler Einspeisung – insbesondere für Netzstabilität, Effizienz und Versorgungssicherheit – sowie bereits gesetzlich festgelegte Bewertungsmaßstäbe.
In der Argumentation zur Begründung des Festlegungsentwurfs zeigt sich zudem wiederholt, dass das geplante Vorgehen nur unzureichend durchdacht wurde. So bezieht sich die Große Beschlusskammer wiederholt auf eine vermeintliche öffentliche Debatte, die es unter anderem erforderlich mache, Stromverbraucher von nicht mehr tragbaren Netzentgelten zu entlasten (vgl. Festlegungsentwurf, Rn. 9). Auch ist die vollständige Bewertung des geplanten Vorgehens – selbst für die BNetzA – zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich. Das zukünftige System der Netzentgelte unterliegt einer vollständigen Umstrukturierung durch die Behörde selbst. Hierzu hat die Große Beschlusskammer am 12.5.2025 zunächst ein Verfahren eingeleitet. Aus dem Verfahren sind bisher jedoch keinerlei konkrete Einzelheiten für die zukünftige Netzentgeltsystematik bekannt (Az. GBK-25-01-1#3).
Weiteres Vorgehen
Die Auswertung des Festlegungsentwurfs hat gezeigt, dass sich insbesondere betroffene Betreiber von Erzeugungsanlagen am Konsultationsverfahren der BNetzA beteiligen sollten. Die erste Konsultationsrunde zum Festlegungsentwurf der BNetzA zur Abschmelzung der Entgelte für dezentrale Erzeugung in den Jahren 2026 bis 2028 lief bis zum 23.5.2025. Nach Ablauf dieser Konsultationsfrist bleibt nun abzuwarten, wie die BNetzA mit den geltend gemachten Kritikpunkten umgeht. Es ist unklar, ob sie und falls ja, in welchem Umfang, Anpassungen am Festlegungsentwurf vornimmt und diesen nochmals zur Konsultation stellt oder die Festlegung trotz der vorgebrachten Bedenken in ihrer ursprünglichen Form erlässt. Angesichts der Tragweite des Vorhabens ist jedenfalls mit einer intensiven Auseinandersetzung zu rechnen. Diese wird das weitere Vorgehen der BNetzA – bei Bedarf auch gerichtlich – begleiten.
Es ist wohl nicht zwingend geboten, dass betroffene Anlagenbetreiber zusätzlich zur Beteiligung am Konsultationsverfahren einen formalen Beiladungsantrag an die BNetzA richten. Dadurch könnten sie gegen die spätere Festlegung vor dem OLG Düsseldorf Beschwerde einlegen. So spricht viel dafür, dass Anlagenbetreiber durch die Kürzung des Anspruchs auf vermiedene Netzentgelte unmittelbar in ihren Rechten betroffen sind. Sie könnten sich deshalb auch ohne vorherige Beiladung gegen die Festlegung wehren. Abschließend sicher ist dies jedoch nicht. Der Entwurf nennt als Adressaten der Festlegung nur die Netzbetreiber ausdrücklich. Aus Gründen der Rechtssicherheit – und auch, um der Kritik an der Festlegung Gewicht zu geben und sich im Verfahren inhaltlich einzubringen – empfehlen wir betroffenen Anlagenbetreibern daher, einen Antrag auf Beiladung zum Verwaltungsverfahren zu stellen. Damit wahren betroffene Anlagenbetreiber sicher ihre Rechte, ohne sich bereits jetzt zu etwas zu verpflichten.
Der Entwurf der BNetzA für die Festlegung wirft wichtige Fragen hinsichtlich der Regelungskompetenz der Behörde sowie zur Rechtssicherheit, zum Vertrauensschutz und zur europarechtlichen Auslegung auf. Eine Diskussion über die Zukunft der vermiedenen Netzentgelte sollte ausschließlich unter Berücksichtigung der europäischen, verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundlagen geführt werden – und nicht unter dem Eindruck eines vermeintlichen öffentlichen Drucks.
Ansprechpartner:innen: Dr. Thies Christian Hartmann/Sabine Gauggel/Rosa Křeček/Mara Dube