Bundesverfassungsgerichtsurteil bestätigt die Rechtmäßigkeit der Überschusserlösabschöpfung

In seinem Urteil vom 28.11.2024 (1 BvR 460/23, 1 BvR 611/23) hat das Bundesverfassungsgericht über die verfassungsmäßige Zulässigkeit von Gewinnabschöpfungen nach dem StromPBG entschieden.

Hintergrund

Bereits in einem früheren Beitrag hat der BBH-Blog anlässlich der mündlichen Verhandlung am 24.09.2024 über die bevorstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Abschöpfung von Überschusserlösen nach den §§ 13 ff. Strompreisbremsengesetz (StromPBG) berichtet. Nun hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen mehrerer Verfassungsbeschwerden entschieden: Die Regelungen des StromPBG zur Abschöpfung von Überschusserlösen sind verfassungsgemäß.

In seinem Urteil vom 28.11.2024 wies das Gericht die Verfassungsbeschwerden von 22 Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen zurück, die sich durch die Abschöpfung der sogenannten Überschusserlöse in ihren Grundrechten, insbesondere in der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, verletzt sahen. Das Gericht erklärte Verfassungsbeschwerden als teilweise unzulässig, die zulässigen Beschwerdegegenstände im Ergebnis als unbegründet.

Überschusserlösabschöpfung ist keine Sonderabgabe

Die Beschwerdeführer hatten u.a. beanstandet, dass die Erlösabschöpfung eine Sonderabgabe zur Finanzierung der Verbraucherentlastung darstelle, die den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen nicht genüge und damit unrechtmäßig sei.

Dem hielten die Richter entgegen, dass es sich bei der Überschusserlösabschöpfung weder um eine Steuer noch um eine nichtsteuerliche Abgabe handele, da diese gerade nicht dem Bund zufließe. Somit liege keine Sonderabgabe vor, vielmehr handele es sich um eine „Umverteilung unter Privaten“, so das Bundesverfassungsgericht. Die Maßnahme verfolge Gemeinwohlbelange, indem sie die Belastungen der Energiekrise für Verbraucher abmildere. Anders als bei einer Steuer diene sie nicht der Finanzierung öffentlicher Aufgaben; vielmehr handele es sich um eine vorübergehende Umverteilung in einer spezifischen Krisensituation. Der Bund würde durch die Überschusserlösabschöpfung keinerlei Einnahmen erhalten. Im Gegenteil würde er die Entlastung, die die Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Rahmen des Wälzungsmechanismus gegenüber den Verbrauchern erbringen mussten, nur darlehensähnlich vorfinanzieren. Entscheidend war somit auch nicht, ob der Bund die Steuergesetzgebungskompetenz hatte, sondern lediglich ob er die Sachgesetzgebungskompetenz im Energiewirtschaftsrecht hatte.

Materielle Verfassungsmäßigkeit der Überschusserlösabschöpfung

Die Karlsruher Richter lehnten zudem das Argument der Beschwerdeführer ab, dass der Eingriff in ihre Berufsfreiheit nicht gerechtfertigt sei. Sie entschieden vielmehr, dass der Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit materiell verfassungsgemäß sei. Die Richter betonten, dass die Maßnahmen vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Belastungen für Verbraucher und der spezifischen Marktbedingungen angemessen und verhältnismäßig seien.

Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber mit der Regelung keine unzumutbaren Pflichten für die betroffenen Unternehmen geschaffen habe. Zwar greife die Abschöpfung der Überschusserlöse erheblich in die nach Art. 12 Abs. 1 GG als Ausprägung der Berufsfreiheit geschützte Unternehmensfreiheit ein. Dies gelte auch für die administrativ aufwendigen Mitwirkungspflichten der betroffenen Anlagenbetreiber. Der Eingriff sei zudem erheblich, da auf Erlöse zugegriffen werde, die das Ergebnis freier wettbewerblicher Preisbildung seien. Außerdem könne den Stromerzeugern der massive Anstieg der Strompreise nicht zugerechnet werden.

Die Eingriffe seien aber sowohl formell als auch materiell verfassungsgemäß. Ziel der Maßnahme sei es, einen Ausgleich zwischen außergewöhnlich belasteten Verbrauchern und den durch die Energiekrise begünstigten Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen herzustellen. Die Umverteilung der Überschusserlöse diene dazu, existenzielle Bedarfe zu sichern sowie den Markt während einer Ausnahmesituation zu stabilisieren, die der Energiekrise geschuldet war. Die Abschöpfung der Überschusserlöse ziele darauf ab, diese „außergewöhnlichen Störung der Wirtschaftslage“ zu bewältigen. Hierzu sei die Regelung geeignet, erforderlich und angemessen, da sie die besondere Marktsituation berücksichtige und alternative Maßnahmen wie die Verwendung von Haushaltsmitteln keinen vergleichbaren Interessenausgleich erreichen könnten.

Umverteilung von Überschusserlösen

Die Umverteilung von Überschusserlösen zugunsten der Stromverbraucher sowie der Umsetzungsmechanismus seien erforderlich, um das Ziel zu erreichen, einen Ausgleich zwischen den durch die Auswirkungen der kriegsbedingten Gasverknappung auf die Strompreisbildung besonders begünstigten Betreibern von Stromerzeugungsanlagen und den hierdurch besonders belasteten Stromverbrauchern herzustellen. Würden stattdessen Haushaltsmittel verwendet werden, würde die Allgemeinheit die Kostenlast tragen müssen, sodass dies kein milderes, weniger belastendes Mittel darstelle. Ebenso wenig könne der Ansatz einer einheitlichen Erlösobergrenze überzeugen, da auch diese Maßnahme im Ergebnis nicht gleich wirksam sei.

Das Gericht traf seine Abwägung im Ergebnis zugunsten des Ausgleichs der durch die hohen Strompreise stark belasteten Stromverbraucher. Trotz der Eingriffe in die Berufsfreiheit der Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen bleibe die Maßnahme aufgrund ihrer zeitlichen Befristung und des erheblichen Gewichts des Ausgleichsziels verhältnismäßig. Strom sei ein unverzichtbares Gut für die Deckung grundlegender Bedürfnisse der Verbraucher. Die hohen Preise hätten Verbraucher stark belastet, während die betroffenen Stromerzeuger weit mehr als üblicherweise zu erwarten verdient hätten, ohne langfristig zu sinkenden Strompreisen beizutragen.

Folgen für die betroffenen Akteure

Für Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen bedeutet das Urteil, dass die Regelungen zur Abschöpfung von Überschusserlösen verfassungskonform ausgestaltet sind und bestehen bleiben. Da der Anwendungsbereich von Anfang an zeitlich begrenzt war, sind künftige Abschöpfungen nach den Regelungen der §§ 13 ff. StromPBG nicht zu erwarten. Die geleisteten Abschöpfungsbeträge können infolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils aber auch nicht vom Bund zurückgefordert werden.

Ansprechpartner:innen: Dr. Martin Altrock/Dr. Markus Kachel/Dr. Heiner Faßbender/Alisa Obert

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