Tübinger Verpackungssteuer bestätigt: BVerfG-Beschluss eröffnet anderen Städten neue Möglichkeiten
Mit Beschluss vom 27. November 2024 wies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerde gegen die Stadt Tübingen über die Erhebung einer Verpackungssteuer zurück. Laut einer Umfrage der deutschen Umwelthilfe haben nun 120 Städte ihr Interesse signalisiert, eine örtliche Verpackungssteuer einzuführen.
Verpackungssteuer als örtliche Verbrauchsteuer
Seit dem 1. Januar 2022 erhebt die Stadt Tübingen eine Verbrauchssteuer auf nicht wiederverwendbare Verpackungen sowie nicht wiederverwendbares Geschirr und Besteck, sofern die Speisen und Getränke für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares Take-away-Gericht oder -Getränk verkauft werden. Die Steuer beträgt für jede Einwegverpackung 0,50 Euro, für jedes Einwegbesteckset 0,20 Euro. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 Euro begrenzt. Die Steuer muss dabei der Endverkäufer der entsprechenden Speisen und Getränke zahlen. Die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, die ein Schnellresteraunt in der Stadt Tübingen betrieb, argumentierte, dass die Tübinger Steuer gegen die Berufsfreiheit nach Artikel 12 Absatz 1 GG verstoße. Zudem trug sie vor, dass die Verpackungssteuer, soweit sie auch für den Verkauf von Speisen und Getränken als mitnehmbares Take-away gelte, Artikel 105 Absatz 2a Satz 1 GG verletze, da die Verpackungen nicht „örtlich“ verbraucht würden. Damit fehle der Stadt die Gesetzgebungskompetenz. Zudem verstoße die Verpackungssteuer gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Denn der Bundesgesetzgeber habe mit seinem Abfallrecht ein ausdifferenziertes ausgewogenes System geschaffen, das nicht durch „kommunale Insellösungen“ unterlaufen werden dürfe.
BVerfG gibt grünes Licht: Verpackungssteuer ist verfassungskonform
Auch wenn Verpackungen nicht direkt an Ort und Stelle des Verkaufs verbraucht werden, könnten Steuern laut BVerfG örtlich erhoben werden. Dafür müsse die Kommune mit hinreichend konkreten Kriterien festgelegen, unter welchen Umständen Verpackungen typischerweise im Gemeindegebiet verbraucht werden. Hierfür könne insbesondere die Beschaffenheit der Ware sprechen. Es seien aber auch andere Faktoren wie die Versorgungsstruktur und die Größe der Gemeinde zu berücksichtigen. Der Örtlichkeitsbezug sei bei einem Verkauf von „mitnehmbaren take-away-Gerichten und -Getränken“ gewahrt. Denn dies lasse sich verfassungskonform so auslegen, dass die Steuer sich nur auf die Verpackungen solcher Speisen und Getränke beziehe, die in der Regel direkt konsumiert werden, weil sich ihre für die Verzehrqualität maßgebliche Temperatur, Konsistenz oder Frische schon nach kurzer Zeit nachteilig verändere.
Zudem würde die Steuer auch nicht zu Widersprüchen in der Rechtsordnung führen. Denn der verfolgte Lenkungszweck der Verpackungssteuer entspreche dem Lenkungszweck des Abfallrechts des Bundes. Weiterhin sah das Verfassungsgericht keine unzumutbare Beeinträchtigung der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Absatz 1 GG. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verpackungssteuer für durchschnittlich ertragsstarke Betriebe im Gebiet der Stadt Tübingen zwingend zu einer Geschäftsaufgabe führen würde. Außerdem sei der Eingriff verhältnismäßig, da es insbesondere keine Alternative sei, den Endverbraucher anstelle des Endverkäufers zur Zahlung der Steuer zu verpflichten.
Folgen der Entscheidung: Verpackungssteuer könnte beliebter werden
Auch andere Städte können sich nun auf die Gesetzgebungskompetenz des Artikel 105 Absatz 2a Satz 1 GG berufen und eine Verpackungssteuer nach dem Tübinger Vorbild einführen. Dabei müssen die Kommunen hinreichend bestimmte Kriterien aufstellen, um den Örtlichkeitsbezug der Verpackungssteuer zu erfüllen. Für Unternehmen kann die verbreitete Einführung der lokalen Verpackungssteuer zu einem erhöhten Bürokratieaufwand führen. Denn die Städte sind in der Umsetzung nur wenig gebunden, wodurch sich die Art und Weise der Umsetzung erheblich unterscheiden kann.
Ansprechpartner:innen: Niko Liebheit/ Jennifer Diane Morgenstern/ Martin Dell
Ansprechpartner:innen Verpackungsrecht: Dr. Tigran Heymann/Axel Kafka/Carsten Telschow