Tastatur, Rollstuhl, Barrierefreiheit

Countdown zum Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG): Was Unternehmen jetzt umsetzen müssen

Der Countdown läuft: Bereits in weniger als einem Monat – zum 28.06.2025 – tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Dies ist ein wichtiger Schritt für mehr digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Ab diesem Tag müssen die vom Gesetz erfassten Wirtschaftsakteure insbesondere ihre Webseiten und Apps barrierefrei i.S.d. BFSG und seiner Verordnung (BFSGV) ausgestalten, soweit dort Verträge geschlossen oder angebahnt werden können.

Hinsichtlich der praktischen und technischen Umsetzung sowie der Auslegung des Gesetzes sind weiterhin viele Fragen offen. Um diese Fragen zu klären, könnten sich Unternehmen an vergleichbaren gesetzlichen Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit aus dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und den entsprechenden Landesgesetzen orientieren.

Die Vorgaben können zwar ein erster Anhaltspunkt sein. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass diese Regelungen für öffentliche Stellen, Behörden und andere Hoheitsträger auf Bundes- und Landesebene gelten. Dagegen richtet sich das BFSG an Wirtschaftsakteure. Es regelt damit nicht die Barrierefreiheit bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben. Vielmehr hat es alle Wertschöpfungsstufen der wirtschaftlichen Betätigung im Blick. Zudem unterscheiden sich die einzuhaltenden Vorgaben teilweise von den Regelungen des BFSG. Insbesondere die nach § 14 Abs. 1 Nr. 2, Anlage 3 Nr. 1 BFSG und § 12 Nr. 2 und 4 BFSGV auf Webseiten und in Apps zu veröffentlichende Erklärung zur Barrierefreiheit.

Unterschiede zwischen der Erklärung zur Barrierefreiheit nach BFSG und nach BGG und Landesrecht

Hoheitsträger, die unter das BGG oder die landesrechtlichen Regelungen fallen, sind verpflichtet, auf ihren Webseiten und in ihren Apps eine Erklärung zur Barrierefreiheit bereitzustellen.

Auch nach dem BFSG müssen die betroffenen Unternehmen eine Erklärung veröffentlichen. Diese unterscheidet sich jedoch erheblich von den Erklärungen für öffentliche Stellen. Nach dem BGG und den Behindertengleichstellungsgesetzen der Länder müssen betroffene Stellen in der Erklärung unter anderem angeben, welche Inhalte oder Bereiche der Webseite trotz bestehender Verpflichtung noch nicht vollständig barrierefrei sind.

Diese Angabe sollte nicht in die vom BFSG geforderten Erklärung aufgenommen werden. Denn das BFSG fordert die vollständige Barrierefreiheit aller unter das Gesetz fallenden digitalen Angebote. Abweichungen sind nur im Rahmen der im BFSG abschließend geregelten Ausnahmen zulässig. Ein bloßes „Bemühen“ zur barrierefreien Ausgestaltung, wie es die Mustererklärungen für öffentliche Stellen zum Teil vorsehen, genügt nicht.

Soweit ein kommunaler Wirtschaftsakteur sowohl nach den jeweils anwendbaren landesrechtlichen Regelungen als auch nach dem BFSG zur Veröffentlichung einer Erklärung verpflichtet ist, ist bislang ungeklärt, ob beide Erklärungen auf der Webseite bzw. in der App veröffentlicht werden müssen. Diese Frage ist für die Praxis aufgrund der inhaltlichen Abweichungen sehr relevant. Naheliegend erscheint derzeit, dass allein die Erklärung nach dem höherrangigen Bundesrecht, also dem BFSG, zu veröffentlichen ist. Dies würde Widersprüche zwischen den Erklärungen vermeiden. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie jene Marktüberwachungsbehörde und Bundes- und Landesbehörden dies bewerten. Diese sind für die Überwachung des BFSG verantwortlich.

Was nun zu tun ist, um die Vorgaben des BFSG umzusetzen

Unternehmen sollten sich spätestens jetzt Klarheit darüber verschaffen, ob das BFSG auf das eigene Unternehmen anwendbar ist. Falls dies zu bejahen ist, müssen sie die Vorgaben technisch umsetzen. Dazu gehört auch, die erforderliche Erklärung über die Barrierefreiheit der digitalen Angebote zu veröffentlichen und gegebenenfalls die weiteren Dokumentationspflichten zu erfüllen.

Wer nur die bereits geltenden landesrechtlichen Vorgaben im Blick hat, könnte neue abweichende Vorgaben nach dem BFSG übersehen. Dies gilt vor allem, weil das BFSG im Gegensatz zum BGG und den landesrechtlichen Vorgaben empfindliche Bußgelder von bis zu € 100.000 vorsieht. Zudem gibt es eine strenge und umfassende Marktüberwachung im Falle der Nichteinhaltung der Vorgaben des BFSG. Der Stichtag 28.06.2025 rückt in schnellen Schritten voran, und die Marktüberwachungsbehörde, die derzeit in Magdeburg als zentrale Behörde aufgebaut wird, kann ihre Arbeit voraussichtlich pünktlich aufnehmen.

Ansprechpartner:innen: Dr. Michael Weise/Thomas Schmeding/Agnes Eva Müller/Jasmin Tejkl/Juliane Beckmann

Weitere Ansprechpartner:innen: Marcel Malcher/Olivia Schatz 

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