Abwasserentsorgungsanlagen Deutschland.

Die neue Kommunalabwasserrichtlinie: Was bedeutet sie für die Wasser- und Energiewirtschaft?

In Deutschland werden jährlich rund 7 bis 8 Milliarden Kubikmeter Abwasser in circa 9.000 Abwasserbehandlungsanlagen behandelt (BDEW, Amtliche Abwasserdaten 2019). Am 01.01.2025 sind nun mit der neuen Kommunalabwasserrichtlinie (EU (RL) 2024/3019 – KARL) Regelungen in Kraft getreten, die insbesondere neue Anforderungen an die Abwasserbehandlung und an das Energiemanagement von Abwasserbehandlungsanlagen stellen. Mit der Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht, für die die Mitgliedstaaten bis grundsätzlich zum 31. Juli 2027 Zeit haben (Art. 22 KARL), kommen viele neue Pflichten und finanzielle Herausforderungen auf Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen zu. Es bleibt aber zunächst abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie umsetzt. Zwar ist das Ziel der Richtlinie gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV verbindlich. Dies gilt jedoch nicht für die zu ergreifenden Mittel.

Weitergehende Reinigungsanforderungen und ihre Finanzierung

Um Spurenstoffe im Abwasser zu entfernen, wurde auch in Deutschland bereits an einigen Standorten eine sogenannte Viertbehandlung etabliert (DWA, Landkarte 4 Stufe, Stand 10/2023). Bis 2045 sollen flächendeckend für Abwasserbehandlungsanlagen ab einer Abwasserlast von 150.000 EW und bei Einleitungen aus Siedlungsgebieten ab 10.000 EW (in „spurenstoffempfindliche“ Gebiete, die von den Mitgliedstaaten ausgewiesen werden müssen) neue Maßnahmen für die Eliminierung von Mikroschadstoffen (Art. 8 KARL – Viertbehandlung) getroffen werden. Daneben gelten nun auch für die bereits etablierte Drittbehandlung strengere Stickstoff- und Phosphorgrenzwerte (Art. 7 KARL). Des Weiteren werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, mehr Möglichkeiten zur Wiederverwendung von Klärschlamm (Art. 19 KARL) und behandeltem Abwasser (Art. 15 KARL) zu schaffen und so sicherzustellen, dass wertvolle Ressourcen nicht verloren gehen. Mit der Vorgabe in Art. 15 KARL Wasser dort wiederzuverwenden, wo es angefallen ist, könnte einhergehen, dass eine „fünfte Reinigungsstufe“ zur weiteren Hygienisierung des aufbereiteten (Ab-)Wassers in Gebieten mit Wasserstress nötig wird.

Im Rahmen einer vom VKU in Auftrag gegebenen Studie wurde ermittelt, welche Kosten durch die neuen Anforderungen in Art. 8 KARL zu erwarten sind; der Ausbau und Betrieb der zusätzlichen Reinigungsstufen wird in Deutschland bis 2045 hiernach knapp 9 Milliarden Euro kosten (VKU, Herstellerverantwortung: Was kostet die Pflicht zur vierten Reinigungsstufe). Doch wer trägt diese Kostenlast? Kernstück der Neuregelungen und Paradigmenwechsel im System der öffentlich-rechtlich geregelten Abwasserbeseitigungspflicht ist, dass Bau und Betrieb der Viertbehandlung durch eine erweiterte Herstellerverantwortung finanziert werden soll (Art. 9 und  10 KARL). So sollen die Hersteller von Arznei- und Kosmetikprodukten, in denen Mikroschadstoffe enthalten sind, gem. Art. 9 Abs. 1 lit. a KARL mindestens 80 % der Gesamtkosten (einschließlich Investitions- und Betriebskosten) der vierten Reinigungsstufe zahlen. Richtig umgesetzt, kann die erweiterte Herstellerverantwortung damit den Abwassersektor finanziell entlasten und zeitgleich zu einem höheren Gewässerschutz beitragen.

Energieneutralität von Abwasserbehandlungsanlagen und ihre Finanzierung

Der Unionsgesetzgeber hat auch mit Blick auf das Energieeinsparungspotenzial von Abwasserbehandlungsanlagen ambitionierte Pläne. Abwasserbehandlungsanlagen benötigen fast 4.400 GWh Strom pro Jahr (UBA, Energieeffizienz kommunaler Abwasserbehandlungsanlagen (2009),S. 3). Der jährliche Gesamtenergieverbrauch von Abwasserbehandlungsanlagen mit einem EW ab 10.000 soll nun bis Ende 2045 schrittweise vollständig aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden, die durch oder im Namen des Betreibers oder Eigentümers der Kläranlage auf oder außerhalb der Abwasserbehandlungsanlage erzeugt werden. Berechnet wird dies nicht je nach Anlage, sondern auf nationaler Ebene.

Nachweisverfahren für die Berechnung

Das Nachweisverfahren für die Berechnung des Erneuerbaren-Ziels auf nationaler Ebene wird in KARL noch nicht festgelegt. Hier kann die Europäischen Kommission weitergehende Kriterien in einem delegierten Rechtsakt festlegen. Zu klären ist dabei insbesondere der zeitliche Maßstab hinsichtlich der Zeitgleichheit von erneuerbarer Erzeugung und dem jeweiligen Energieverbrauch. Daneben soll hinsichtlich der Optimierung der Energieeffizienz Energieaudits das Potential für kosteneffiziente Maßnahmen (etwa Biogaserzeugung oder die Rückgewinnung und Nutzung der Abwärme in der Anlage) ermittelt werden. Die Energieaudits sollen alle vier Jahre durchgeführt werden. Einen konkreten „Maßstab“, etwa nach DIN EN 16247-1, sieht KARL nicht vor. Auch dies wird der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie weiter konkretisieren müssen.

Fördermöglichkeiten des Bundes

Der Aufbau eigener Erzeugungsanlagen auf oder neben dem Klärwerk erfordert hohe Investitionen. Dabei sollten Abwasserentsorger die bestehenden Fördermöglichkeiten auf Ebene des Bundes, der Länder oder der Kommunen in den Blick nehmen. Hinsichtlich der laufenden Betriebskosten der Anlagen können energierechtliche Privilegierungstatbestände in Anspruch genommen werden, etwa auf Ebene der Netzentgelte (sofern der eigenerzeugte Strom nicht durch das öffentliche Netz geleitet wird), der netzseitigen Umlagen oder hinsichtlich der Strom- und Energiesteuer. Zudem können Kosten in der Energiebeschaffung im Einzelfall optimiert werden, indem die Abwasserverbände einen eigenen Strombilanzkreis unterhalten. Dadurch könnte der eigenerzeugte Strom – bilanziell – an unterschiedlichen Standorten genutzt werden.

Ansprechpartner:innen: Daniel Schiebold/Dr. Linda Schönfelder/Martin Dell

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