Die neuen AFIR-Vorgaben für öffentlich zugängliche Ladepunkte
Seit dem 13.4.2024 gilt die Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) vollumfänglich. Ihre Inhalte und Vorgaben gehen nationalen Gesetzen und Verordnungen wie etwa der Ladesäulenverordnung (LSV) oder der Preisangabenverordnung (PAngV) generell vor, was in der Praxis zahlreiche Fragen aufwirft.
Wann ist ein Ladepunkt „öffentlich zugänglich“ und wer ist Betreiber?
Die AFIR (Verordnung (EU) 2023/180, eng. Alternative Fuel Infrastructure Regulation) enthält Vorgaben, wann ein Ladepunkt öffentlich zugänglich ist. Hier liegt auf den ersten Blick eine Abweichung zur LSV, nach der der Betreiber eines Ladepunktes die öffentliche Zugänglichkeit ausschließen kann, indem er „am Ladepunkt oder in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Ladepunkt durch eine deutlich sichtbare Kennzeichnung oder Beschilderung die Nutzung auf einen individuell bestimmten Personenkreis beschränkt […]“. Beispiel wäre ein faktisch von Jedermann befahrbarer Mitarbeiterparkplatz, der die Nutzung durch Jedermann untersagt.
Wir gehen davon aus, dass Art. 2 Nr.45 AFIR s keine erhöhten Anforderungen an den Ausschluss der öffentlichen Zugänglichkeit stellen will, wenn die öffentliche Zugänglichkeit angenommen wird „unabhängig davon, ob sich [der Ladepunkt] auf öffentlichem oder privatem Grund befindet, ob der Zugang zu dem Standort oder den Räumlichkeiten Beschränkungen oder Bedingungen unterliegt und ungeachtet der für die Nutzung [des Ladepunkts] geltenden Bedingungen“. Sinn und Zweck ist es u.a., Ladepunkte, deren Nutzung von einem nur nach allgemeinen Gesichtspunkten definierten Nutzerkreis offenstehen soll, diesem Nutzerkreis auch eine einmalige Nutzung im Rahmen des Ad-hoc-Ladens zu ermöglichen. Eine Beschränkung dergestalt, dass eine Nutzung durch jedermann möglich ist, der zuvor einen Ladevertrag abgeschlossen hat, wäre daher unzulässig. Eine Einschränkung bei Hotelgästen, Mitarbeitern oder auch Besucherparkplätzen von Arztpraxen, Sparkassen o.ä. (Besucher namentlich bekannt) ist aber auch unter der neuen AFIR weiter möglich (vgl. Erwägungsgrund 11 der AFIR-VO). Im Einzelfall kann es weiterhin zu schwierigen Abgrenzungsproblemen kommen – man denke etwa an einen Mitarbeiterparkplatz, der auch von den Besuchern eines Werksverkaufs genutzt werden kann. Hier wird man von einer öffentlichen Zugänglichkeit ausgehen müssen, da der Werksverkauf – wie auch sonstige Parkplätze von Möbelhäusern, Supermärkten etc. – Jedermann nach allgemeinen Kriterien offensteht.
Auch im Hinblick auf die Betreiberstellung weicht der Wortlaut der AFIR von der LSV ab. So ist nach der AFIR Betreiber „die für die Verwaltung und den Betrieb eines Ladepunkts zuständige Stelle, die Endnutzern einen Aufladedienst erbringt, auch im Namen und Auftrag eines Mobilitätsdienstleisters“. Hingegen wird in der LSV darauf abgestellt, „wer unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Umstände bestimmenden Einfluss auf den Betrieb eines Ladepunkts ausübt.“ Trotz dieser weit komplizierteren und unschärferen Beschreibung gehen wir davon aus, dass faktisch keine Änderung beabsichtigt ist. Im Kern kommt es darauf an, wer das wirtschaftliche Risiko des Betriebes trägt und im Außenverhältnis die Verantwortung trägt. Dieser Betreiber ist bei der BNetzA zu listen, unterfällt dem Tätigkeitsverbot des § 7c EnWG und ist streng von einem technischen Dienstleister abzugrenzen, der im Auftrag des CPO tägig wird, ohne formal Betreiber zu werden.
Bezahlsystem für neu errichtete Ladepunkte und Nachrüstungspflichten
Seit dem 13.4.2024 neu errichtete, öffentlich zugängliche Ladepunkte müssen punktuelles Laden (sog. Ad-hoc-Laden) unter Verwendung eines in EU weitverbreiteten Zahlungsinstruments ermöglichen (Art. 5 Abs.1 AFIR). Ladepunkte mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr sind hierzu mit einem Zahlungskartenleser oder einem Gerät mit Kontaktlosfunktion zu verbinden. An den Leser/das Gerät können generell mehrere Ladepunkte angebunden werden. Für Ladepunkte mit einer Ladeleistung von weniger als 50 kW können auch Geräte genutzt werden, die einen sicheren Zahlungsvorgang per Internetverbindung ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist die Erzeugung und Nutzung eines personalisierten QR-Codes für eine Einmalzahlung (OTP, one time payment). Dabei war im Rahmen des Erlasses der AFIR auch fraglich, welche Anforderungen an den QR-Code gelten sollten, insbesondere ob ein statischer QR-Code ausreichend wäre, um den „sicheren Zahlungsvorgang“, wie ihn die AFIR fordert, zu gewährleisten. Sorge bestand etwa darin, dass statische QR-Codes mit einem anderen QR-Code überklebt und der Zahlungsvorgang dadurch missbraucht werden könnte. Die EU-Kommission sagt in ihren FAQs zu Art.5 AFIR aus, dass ein statischer QR-Code mit den Vorgaben der AFIR vereinbar sein könnte, solange er lesbar ist und der sichere Zahlungsvorgang gewährleistet ist. Dazu, welche Vorkehrungen zu treffen sind, damit statische QR-Codes nicht missbraucht und ein sicherer Zahlungsvorgang gewährleistet ist, enthalten die FAQs keine Aussage. Daher dürfte ein personalisierter, dynamischer QR-Code die sichere Variante sein.
Daneben sind aber auch andere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. Für Ladepunkte mit einer Ladeleistung unter 50 kW kann nach der AFIR auf einen Kartenleser verzichtet werden. Die AFIR verdrängt insoweit die strengeren Regelungen der LSV, da ein verlässlicher europaweiter Standard auch für Hersteller gesetzt werden soll.
Eine Nachrüstungspflicht in Bezug auf Zahlungsinstrumente ist für einen Teilausschnitt der öffentlich zugänglichen Bestandsladepunkte (Errichtung vor dem 13.4.2024) vorgesehen: Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr, die entlang des in der AFIR definierten TEN-V-Straßennetzes oder auf einem sicheren und gesicherten Parkplatz errichtet wurden, haben ab dem 1.1.2027 das Ad-hoc-Laden mittels eines Zahlungskartenlesers oder eines Geräts mit Kontaktlosfunktion zu ermöglichen.
Die Vorgaben gelten nicht für Ladepunkte, an denen kein Entgelt für das Ad-hoc-Laden verlangt wird.
Tarifgestaltung und Preisangaben
Die AFIR enthält auch Vorgaben für die Tarifgestaltung und die Preisangabe beim Ad-hoc-Laden (Art. 5 Abs. 4 AFIR). Die Preise sind stets vor Einleitung des Ad-hoc-Ladevorgangs anzuzeigen, damit ein Preisvergleich möglich ist.
Bei Ladepunkten mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr, die ab dem 13.4.2024 errichtet werden, ist pro kWh abzurechnen und dementsprechend z. B. in Form von ct/kWh der Preis auszuweisen. Darüber hinaus kann der Betreiber – zusätzlich – eine Nutzungsgebühr als Preis pro Minute erheben, um eine lange Belegung des Ladepunktes zu verhindern. Weitere Preisbestandteile sind nicht zulässig.
Die Preisangabe ist „an den Ladestationen“ auszuweisen. Konkretere Vorgaben an die genaue Ausgestaltung z. B. als Aushang oder Anzeige auf dem Display des Ladepunktes ergeben sich nicht aus der AFIR. Laut den bereits erwähnten FAQs der EU-Kommission soll jedoch der bloße Hinweis, dass Preise digital abrufbar seien, nicht ausreichen. Damit stellt die Lesart der EU-Kommission (jedenfalls für Ladepunkte über 50 kW) eine Abweichung zur § 14 Abs.2 Nr.3 der PAngV dar, die den Abruf der Preise via eines webbasierten Systems ermöglichte. Bei Ladepunkten unter 50 kW sind die Preise hingegen lediglich „zur Verfügung“ zu stellen, sodass die Abrufoption (weiterhin) zulässig ist.
Bestandsladepunkte (Errichtung vor dem 13.4.2024) mit 50 kW und mehr Ladeleistung nimmt die AFIR von den eben genannten Vorgaben aus, sodass theoretisch andere Tarifmodelle (z. B. eine Session fee) denkbar sind. Offen ist, inwieweit die Pflicht zur Angabe des Preises in kWh in diesen Anwendungsfällen aus § 14 Abs. 4, 2 i. V. m. § 2 Nr.1 PAngV hergeleitet werden kann. Stellt man darauf ab, dass diese Ladepunkte gerade vom Anwendungsfall der AFIR ausgenommen wurden, könnte man daran denken, dass dem nationalen Verordnungsgeber ein Regelungsspielraum verbleibt. Sieht man in den Vorgaben der AFIR abschließende europaweit anzuwendende verlässliche Standards, ließe sich auch anders argumentieren.
Für Bestands- und neue Ladepunkte mit weniger als 50 kW Ladeleistung gelten keine Vorgaben für Tarifmodelle. Die Preisbestandteile für das Ad-hoc-Laden sind nach Art.5 Abs. 4 UA 3 AFIR allerdings in folgender Reihenfolge darzustellen: Preis pro kWh, Preis pro Minute, Preis pro Ladevorgang und jede andere anwendbare Preiskomponente. Dabei müssen aber wohl nur die Zeilen befüllt werden, die tatsächlich Anwendung auf das Tarifmodell vor Ort finden. Gegenüber der PAngV stellt das eine Erweiterung dar, da § 14 Abs. 4, 2 i. V. m. § 2 Nr. 1 PAngV nur die Angabe des Preises in kWh vorsieht. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts verdrängt die AFIR hier eindeutig die Regeln der PAngV.
Intelligentes Laden
Die Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten müssen beachten, dass Ladepunkte, die nach dem 13.4.2024 errichtet werden oder nach dem 14.10.2024 instandgesetzt werden, zu intelligentem Laden fähig sind (Art. 5 Abs. 8 AFIR). Unter „intelligentem Laden“ wird verstanden, dass die Stärke des an die Batterie abgegebenen Stroms anhand elektronisch übermittelter Echtzeit-Informationen angepasst werden kann (Art.2 Nr. 65 AFIR).
Ausblick
Durch die Vorgaben der AFIR werden die LSV und auch die Vorgaben der PAngV für Ladepunkte in vielen Teilen obsolet. Wie bereits ausgeführt sind – soweit anwendbar – die Regelungen der AFIR vorrangig vor abweichendem nationalen Recht. Ergeben sich Unterschiede z.B. in Ausnahmefällen bezüglich der Betreiberstellung aufgrund der unterschiedlichen Definitionen nach LSV und AFIR, ist maßgeblich, wer Betreiber im Sinne der AFIR ist.
Der Gesetzgeber hat das selbst erkannt und im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie thematisiert (BR-Drucksache 157/24). Eine Novellierung z. B. der LSV enthält der Gesetzentwurf allerdings noch nicht. Vielmehr sollen Verweise und Rechtsgrundlagen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) bezüglich der LSV bzw. einer Nachfolgeverordnung ergänzt werden, um eine Anpassung der LSV an die neue AFIR-VO zu ermöglichen.
Sollte der nationale Rechtsrahmen nicht zeitnah angepasst werden, werden wohl erst die Gerichte abschließend klären, in welchem Umfang die Vorgaben der AFIR die nationalen Regelungen insbesondere aus der LSV und PAngV verdrängen und/oder durch sie ergänzt werden.
Ansprechpartner*innen: Dr. Christian de Wyl/Dr. Christian Gemmer/Maja Berenike Mosor/Rosa Krecek