Die Rolle der Wertschöpfungskette in der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD
Die Europäische Union hat im Januar 2023 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verabschiedet und damit die Grundlage für eine umfassende und vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung geschaffen. Die Mitgliedsstaaten mussten die CSRD daraufhin innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umsetzen. Dazu hat das Bundeskabinett am 24.Juli 2024 einen Gesetzesentwurf beschlossen, mit dem die CSRD in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Somit sind große Kapitalgesellschaften ab dem Geschäftsjahr 2025 verpflichtet, Nachhaltigkeitsinformationen in ihre Lageberichte zu integrieren.
Im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung gem. CSRD müssen sich Unternehmen verpflichtend an die Offenlegungsanforderungen der sogenannten ESRS („European Sustainability Reporting Standards“- Anhang C) der EFRAG („European Financial Reporting Advisory Group“) halten. Bevor Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichte erstellen, soll eine sogenannte doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt werden. Dadurch haben Unternehmen die Möglichkeit, die für ihr Unternehmen nicht einschlägigen Themen auszuklammern. Im Rahmen der doppelten Wesentlichkeitsanalyse werden sowohl die wesentlichen Auswirkungen des Unternehmens auf Menschen und Umwelt (Inside-Out) als auch die wesentlichen finanziellen Risiken und Chancen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen (Outside-In) untersucht und bewertet. Das Unternehmen soll weiterhin „die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung enthaltenen Informationen über das Bericht erstattende Unternehmen [..] durch Informationen über die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen […], die mit dem Unternehmen durch seine direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette im Zusammenhang stehen“ ergänzen (ESRS 1, 5.1, Abs. 63). Somit stellt sich die Frage, in welchem Umfang Unternehmen ihre Wertschöpfungskette in die Nachhaltigkeitsberichte einbeziehen müssen.
Das beinhaltet die ESRS
Damit hat die europäische Gesetzgebung erstmalig ein Standardwerk für die Berichterstattung nichtfinanzieller Informationen geschaffen. Die ESRS beinhalten über 80 Offenlegungsverpflichtungen zu zehn themenspezifischen Standards, welche sich mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen beschäftigen. Zwei übergreifende Standards formulieren zusätzlich formelle Vorgaben für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie allgemeine Offenlegungsverpflichtungen.
Bevor Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichte erstellen, soll eine sogenannte doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt werden. Dadurch haben Unternehmen die Möglichkeit, die für ihr Unternehmen nicht einschlägigen Themen auszuklammern. Im Rahmen der doppelten Wesentlichkeitsanalyse werden sowohl die wesentlichen Auswirkungen des Unternehmens auf Menschen und Umwelt (Inside-Out) als auch die wesentlichen finanziellen Risiken und Chancen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen (Outside-In) untersucht und bewertet. Das Unternehmen soll weiterhin „die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung enthaltenen Informationen über das Bericht erstattende Unternehmen [..] durch Informationen über die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen […], die mit dem Unternehmen durch seine direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette im Zusammenhang stehen“ ergänzen (ESRS 1, 5.1, Abs. 63). Somit stellt sich die Frage, in welchem Umfang Unternehmen ihre Wertschöpfungskette in die Nachhaltigkeitsberichte einbeziehen müssen.
Die Bedeutung der Wertschöpfungskette im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse
Da sich die Dimension der Wertschöpfungskette für fast jedes Geschäftsmodell beliebig ausweiten lässt und weder die ESRS selbst noch die Implementation Guidance zur Wertschöpfungskette (EFRAG IG 2 Value Chain) klar vorgeben, wie weit oder wie granular die Wertschöpfungskette zu betrachten ist, bedarf es einer Abgrenzung, um den Prozess der Wesentlichkeitsanalyse effizient zu steuern und für Unternehmen abbildbar zu machen. In der Ergänzung der ESRS heißt es dazu: „Eine Wertschöpfungskette umfasst die Tätigkeiten, Ressourcen und Beziehungen, die das Unternehmen nutzt und auf die es angewiesen ist, um seine Produkte oder Dienstleistungen von der Konzeption über die Lieferung und den Verbrauch bis zum Ende der Lebensdauer zu gestalten.“ (Anhang der Delegierten Verordnung (EU) …/… der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, S.38).
Um die Wertschöpfungskette abzugrenzen, wurde der Lebenszyklus eines Produktes oder einer Dienstleistung für die Abgrenzung der Wertschöpfungskette betrachtet. Das bedeutet, dass in der vorgelagerten Wertschöpfungskette alle vorgelagerten Produkte von der Exploration der Rohstoffe über den Transport, die Weiterverarbeitung und den Handel mit Rohstoffen, bzw. Zwischenprodukten bis zu der Fertigstellung des eigentlichen Produktes bzw. der Dienstleistung miteinbezogen werden.
Berücksichtigung der Wertschöpfungskette
Die nachgelagerte Wertschöpfungskette wird jedoch nur bis einschließlich zum Verkauf des Produktes oder der Dienstleistung und in Hinblick auf dessen Widerverwendbarkeit bzw. Umwelt- und/ oder Sozialrisiken bei der Nutzung berücksichtigt. Nicht betrachtet werden somit die Nutzer an sich und dessen Verwendung des Produktes oder der Dienstleistung.
Dementsprechend würde bspw. für ein Produkt, wie dem Verkauf von Strom „lediglich“ die Gewinnung des Energieträgers, die Erzeugung, der Handel und die Verteilung des Stroms inkl. der Wertschöpfungsketten der Erzeugungsanlage sowie der Netzinfrastruktur, bis zur Lieferung an den Endkunden inkl. der Umwelt- und/oder Sozialrisiken des Produktes beim Kunden betrachtet. Die Anforderungen der CSRD können jedoch allein aus Gründen der Praktikabilität nicht beinhalten, dass ein Stromlieferant durch die Nutzung des Stroms bei nachgelagerten Unternehmen, die dort vorhandenen Wertschöpfungsketten in seinen Nachhaltigkeitsbericht mit einbeziehen muss. Dafür fehlen etwa Informationen von zum Teil zehntausenden Privatkunden. Und auch bei Dienstleistern ließe sich die nachgelagerte Wertschöpfungskette nicht in diesem Sinne verfolgen.
Anforderungen an die Berichterstattung entlang der Wertschöpfungskette
Die Wertschöpfungskette spielt somit in Bezug auf die Wesentlichkeitsanalyse eine zentrale Rolle – soll jedoch bei der Erhebung der Offenlegungspflichten nur teilweise einbezogen werden. So ist die Wertschöpfungskette bei den Umweltstandards (ESRS E1-E5) nur im Rahmen der Angabe von qualitativen Angabepflichten zu Strategien, Maßnahmen und Zielen, sobald diese Akteure der Wertschöpfungskette betreffen, einzubeziehen. Bei den Sozialstandards werden insbesondere im Rahmen des ESRS S2 die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette berücksichtigt; und auch bei dem ESRS S3 zu den betroffenen Gemeinschaften spielt die Wertschöpfungskette eine wichtige Rolle. Darüber hinaus berücksichtigt der Governance-Standard ESRS G1 bspw. die Auswirkungen auf die Lieferanten des Unternehmens und die Lieferkette und bezieht somit zumindest teilweise die Wertschöpfungskette mit ein.
Fazit
Die Einbeziehung der Wertschöpfungskette ist ein zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD. Unternehmen stehen dabei vor der Herausforderung, ihre Wertschöpfungskette vollumfänglich zu analysieren und zu bewerten. Die Ergebnisse müssen im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse einbezogen werden, betreffen aber nicht alle Offenlegungsanforderungen. Auch sind Unternehmen nicht verpflichtet, aus den gewonnenen Erkenntnissen Maßnahmen oder Entscheidungen abzuleiten; denn die CSRD ist eine reine Transparenzanforderung. Ein möglicher und legitimer Weg, die Abgrenzung der nachgelagerten Wertschöpfungskette zu bewerkstelligen, ist die Betrachtung des Lebenszyklus eines Produktes oder einer Dienstleistung.
Ansprechpartner:innen: Tobias Sengenberger/ Carolin Mießen / Anna-Marlena Miedl