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ENTSO-E zu Strompreiszonen: Mehr Fragen als Antworten?

Worum geht es?

Eine Stromgebots- oder -preiszone ist ein Netzgebiet, in dem ein einheitlicher Marktpreis für Strom existiert. Das impliziert, dass der Strom überall gleich gut ausgeliefert werden kann, es also keine Engpässe in diesem Netz gibt. Stand heute bildet Deutschland (zusammen mit Luxemburg) eine einheitliche Strompreiszone von der Waterkant bis zum Alpenrand.

In der Realität gibt es aber durchaus Engpässe im deutschen Netz. Um diese zu „umfahren“, nutzen die Übertragungsnetzbetreiber den sog. Redispatch; sie weisen also Kraftwerke vor dem Engpass an, ihre Leistung zu reduzieren, und bezahlen Kraftwerke hinter dem Engpass dafür, diese Leistung stattdessen bereitzustellen. Jahr für Jahr entsteht so ein Milliardenblock an Kosten, den die Netzbetreiber über die Netzentgelte an die Netznutzer weitergeben.

Deshalb gibt es Stimmen, die dafür plädieren, Deutschland in mehrere Preiszonen (mind. Nord und Süd) aufzuteilen. In der Folge würden in den Preiszonen unterschiedliche Großhandelspreise entstehen und damit auch ohne Redispatch die Kraftwerke richtig zum Einsatz kommen (und sich so auch Investitionsanreize für die weniger gut versorgten Regionen mit hohen Preisen ergeben). Andere Stimmen plädieren dagegen, weil das nicht nur die Liquidität des Marktes einschränke, sondern natürlich auch politisch relevante Verteilungsdebatten bedeute.

Was war die Aufgabe von ENTSO-E?

ENTSO-E als die Vereinigung der Stromübertragungsnetzbetreiber sollte nun dieses komplexe Optimierungsproblem wirtschaftlich-mathematisch lösen. Im „Bidding Zone Review of the 2025 Target Year“ musste sie bestimmte Preiszonenszenarien nach einer von der europäischen Energieregulierungsagentur ACER vorgegebenen Methodologie durchrechnen und letztlich bestimmen, welche Konfiguration die höchsten Wohlfahrtsgewinne brächte.

Die einheitliche deutsche Strompreiszone nimmt dabei den Hauptteil der Arbeit ein, mussten doch für Zentraleuropa allein fünf Konfigurationsmodelle mit deutschem Bezug geprüft werden.

Zu welchem Ergebnis ist ENTSO-E gelangt?

Die beteiligten Übertragungsnetzbetreiber kommen zu dem Ergebnis, dass nach den Kriterien der (vorgegebenen) Methodologie eine Aufteilung Deutschlands in fünf verschiedene Preiszonen den höchsten Wohlfahrtsgewinn aufweisen würde.

Gleichzeitig machen sie aber auch im Report selbst und der parallelen Pressemitteilung sehr deutlich, dass sie es gefährlich fänden, weitreichende Entscheidungen über das Stromsystem an diesen Ergebnissen auszurichten. So weisen sie z. B. darauf hin, dass die Zahlen nicht mehr aktuell sind und die Berechnung für 2025 erfolgte. Aber eigentlich läge der relevante Zeitraum, den man beeinflussen könnte, in den 2030er Jahren, für den man keine fundierten Berechnungen durchgeführt habe. Auch verweisen sie auf mögliche (negative) Folgen für den Handel, die Regelenergie oder auch die Grünstromversorgung von Industrie im Süden, die nicht angemessen in der Untersuchung berücksichtigt werden konnten.

Anstelle einer eindeutigen Empfehlung der Übertragungsnetzbetreiber, mit denen die Mitgliedstaaten die Review-Prozesse hätten fortführen können, steht nun die irgendwie unbefriedigende Antwort: Die Übertragungsnetzbetreiber empfehlen, bei der Entscheidung der Mitgliedstaaten Aspekte zu berücksichtigen, die sie in der Vorarbeit für diese Entscheidung in ihrer Rolle als Experten nicht berücksichtigen durften.

Damit bleibt die Frage: Und wer soll es dann machen?

Im schlechtesten Fall einigen sich die Mitgliedstaaten nicht auf eine weiteres Vorgehen und ACER muss nach den einschlägigen europäischen Vorgaben entscheiden. Für die könnte es schwierig werden, von ihrer festgelegten Methodologie abzuweichen. Bekommen wir dann eine Aufteilung Deutschlands in fünf Gebotszonen, die nicht mal die Übertragungsnetzbetreiber so haben wollen?
Fortsetzung folgt …

Ansprechpartner:innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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