Interviewreihe: Prof. Dr. Christian Theobald, Partner Becker Büttner Held
Am 21.5.2025 findet die BBH-Jahreskonferenz in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin statt. Im Mittelpunkt steht das Thema „Standortfaktor Energie“, welches auch Fragen nach Energiekosten, Energieversorgung, die Energieinfrastruktur, aber auch die damit verbundene Bürokratie beinhaltet. Die BBH-Jahreskonferenz zum Thema „Standortfaktor Energie“ verspricht spannende Einblicke und greift diese Themen auf.
Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehören Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Verbänden – und mit eben diesen Impulsgeberinnen und Impulsgeber haben wir im Vorfeld Interviews geführt, die wir an dieser Stelle veröffentlichen werden. Die Interviewreihe setzen wir heute mit Prof. Dr. Christian Theobald, Partner Becker Büttner Held, fort.
BBH-Blog: Im Titel unserer Konferenz verknüpfen wir ganz selbstverständlich das Thema Energie mit der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Wie stellt sich die Energiefrage für Sie ganz direkt?
Prof. Dr. Christian Theobald: Die Energiefrage ist eine zentrale Standortfrage, die inzwischen nahezu alle Dimensionen gesellschaftlicher, politscher und unternehmerischer Handlungsfelder berührt. Ohne eine stabile, planbare und zugleich nachhaltige Energieversorgung wird Deutschland weder als Industriestandort wie bisher fortbestehen, noch wird es seinen angemessenen Beitrag zur geopolitischen Stabilisierung leisten können. Die aktuelle Lage zeigt, wie verwundbar energieintensive Branchen sind – und wie sehr sich auch mittelständische Unternehmen in ihrer Innovationskraft ausgebremst fühlen, wenn Energiepreise volatil oder überproportional hoch sind. Gleichzeitig bietet der Umbau unserer Energieversorgung eine historische Chance: Wenn wir jetzt in Infrastruktur, Sektorenkopplung, Speichertechnologie und dezentrale Versorgungssysteme investieren, dann stärken wir nicht nur unsere Unabhängigkeit, sondern schaffen auch einen Zukunftsmarkt, in dem Deutschland technologisch führend sein kann. Die Verbindung von Energie und Wettbewerbsfähigkeit ist daher kein Nebenaspekt, sondern ein vielmehr zentral für unsere wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit.
BBH-Blog: Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Maßnahme, die die nächste Regierung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ergreifen muss?
Prof. Dr. Christian Theobald: Wir brauchen eine umfassende Wettbewerbsinitialisierung, die über kleinteilige Einzelmaßnahmen hinausgeht. Wichtigste Aufgabe ist: Den Standort wieder planbar und dynamisch zu machen. Das bedeutet konkret: verschlankte Verfahren, digitale Verwaltung, verlässliche Regulatorik – aber auch eine aktive Industriepolitik, die Schlüsseltechnologien gezielt fördert. Klar ist auch: Ohne eine Bildungsoffensive und gezielte und auch ins Ausland gerichtete Fachkräfteentwicklung wird auch die beste Technologiepolitik ins Leere laufen. Wir müssen den Mut aufbringen, Bildung als Infrastruktur zu denken – als langfristige Investition in unsere Fähigkeit, Wandel zu gestalten. Wettbewerbsfähigkeit bedeutet heute nicht mehr „billiger“ zu sein als andere, sondern intelligenter, schneller und resilienter. Dafür braucht es eine Politik, die Gestaltung zulässt, statt sich in Detailregelungen zu verlieren.
BBH-Blog: Wie können und sollen wir die finanziellen Mittel aktivieren, die für die dringenden Investitionen in die Energie- und sonstige Infrastruktur nötig sind?
Prof. Dr. Christian Theobald: Wir stehen vor einer mehrfachen Herausforderung: Einerseits müssen wir in erheblichem Umfang investieren – in Stromnetze, Wasserstoffinfrastruktur, Mobilität, digitale Netze. Andererseits sind die Spielräume der öffentlichen Haushalte begrenzt. Die Lösung liegt in Anreizen privater Mittel durch gezielte öffentliche Impulse. Das gelingt, wenn wir Investitionssicherheit schaffen. Unternehmen investieren dort, wo politische Zielkorridore stabil, Genehmigungsverfahren kalkulierbar und Förderstrukturen transparent sind. Die Einführung von Transformationsfonds, staatlichen Beteiligungen an Pilotprojekten oder sogenannten „Zukunftsanleihen“ kann privates Kapital aktivieren. Wir sollten die Schuldenbremse nicht dogmatisch, sondern strategisch betrachten. Wenn wir heute nicht investieren, zahlen wir morgen dreifach – durch verlorene Märkte, gestiegene Folgekosten und eine dauerhaft schwächere Wirtschaftsleistung. Infrastrukturausbau ist eine Zukunftsinvestition und kein Konsum und sollte auch haushaltspolitisch als solche behandelt werden.
BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Theobald, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Rahmen unserer Jahreskonferenz am 21. Mai 2025.