Vergabe, Händeschütteln, Tisch

IT in der Vergabe: Rahmenvereinbarungen ausschreiben (Teil 2)

Das Beschaffungsinstrument der Rahmenvereinbarung (§ 103 Abs. 5 GWB) spielt  bei der Vorbereitung von IT-Vergaben eine zentrale Rolle. Sie ist vor allem dann mitzudenken, wenn mehrere ausgeschriebene Leistungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten benötigt werden und die konkret benötigte Menge noch nicht feststeht (vgl. Teil 1 unserer Blog-Reihe „IT in der Vergabe: Rahmenvereinbarungen ausschreiben“).

Gerade durch ihre Zweistufigkeit der Beauftragung schafft die Rahmenvereinbarung Flexibilität bei der Beschaffung von (IT-)Liefer- und Dienstleistungen.

Stufe 1: Abschluss der Rahmenvereinbarung

Die Rahmenvereinbarung wird nach den allgemeinen Regeln des Vergaberechts, d.h. nach den üblichen Verfahrensarten in einem Vergabeverfahren ausgeschrieben und vergeben. Mit Zuschlagserteilung und Abschluss der Rahmenvereinbarung ist das Vergabeverfahren (zur Vergabe der Rahmenvereinbarung) beendet.

Die Rahmenvereinbarung legt die wesentlichen Bedingungen aller Einzelaufträge fest, die während der Vertragslaufzeit vergeben werden sollen, insbesondere:

  • Abrufberechtigte,
  • Angaben zu Preisen (oder zur Preisermittlung),
  • Regeln für die Erteilung von Einzelaufträgen.

Darüber hinaus muss die Rahmenvereinbarung auch die Gesamt-/Höchstmenge der Lieferungen und Dienstleistungen benennen, die Gegenstand der Einzelaufträge sein können (EuGH, Urt. v. 17.6.2021, Az. C-23/20 – Simonsen & Weel).

Ferner regelt die Rahmenvereinbarung üblicherweise übergreifende Themen, die für alle Einzelaufträge gleichermaßen gelten sollen. Das sind insbesondere folgende Aspekte:

  • Laufzeit (im EU-Vergaberecht: grundsätzlich maximal 4 Jahre, § 21 Abs. 6 VgV; im nationalen Vergaberecht: grundsätzlich maximal 6 Jahre, § 15 Abs. 4 UVgO; im Sektorenvergaberecht: grundsätzlich maximal 8 Jahre, § 19 Abs. 3 SektVO);
  • Kündigung;
  • Rechnungsstellung;
  • Haftung und Haftpflichtversicherung;
  • Einsatz von Unterauftragnehmern;
  • Vertraulichkeit und Datenschutz.

Mit der Rahmenvereinbarung erhält der Auftraggeber üblicherweise zunächst ein Forderungsrecht. Eine konkrete Leistungsverpflichtung des Auftragnehmers (und damit ein korrespondierender Anspruch auf Abnahme der Leistungen) entsteht – in der Regel – erst, sobald der Auftraggeber einen Einzelauftrag erteilt.

Stufe 2: Vergabe der auf der Rahmenvereinbarung beruhenden Einzelaufträge

Jeder Einzelauftrag beruht grundsätzlich auf den Bedingungen der Rahmenvereinbarung sowie deren Anlagen (z.B. bezuschlagte Preise/Preisermittlungsgrundlagen, Bereitstellungs- oder Lieferfristen).

Bei der Einzelauftragsvergabe dürfen die Parteien keine wesentlichen Änderungen an den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vornehmen, vgl. § 21 Abs. 2 S. 3 VgV, § 15 Abs. 3 S. 3 UVgO. So können auch Vertragsparteien eines Einzelauftrages ausschließlich die in der Rahmenvereinbarung genannten öffentlichen Auftraggeber und Unternehmen sein. Ein nachträglicher Beitritt ist daher nur in engen Grenzen möglich – bei der Rahmenvereinbarung handelt es sich insoweit um ein „geschlossenes System“.

Die Einzelaufträge regeln die Besonderheiten der jeweiligen Einzelleistungen und können abhängig vom Regelungsbedürfnis unterschiedliche Formen annehmen, z.B.:

  • Abruf-/Bestellschein (z.B. mit Angaben zu Menge, Lieferdatum und -Ort);
  • Einzelvertrag, z.B. auf Basis eines EVB-IT Musters.

Soweit die Einzelabrufe nicht nur Standard-IT-Artikel (wie Monitore oder Drucker) betreffen, die mit einem einfachen „Bestellschein“ ausgelöst werden können, sondern technisch – und damit auch rechtlich – komplexere Leistungen, werden in der Praxis Einzelverträge geschlossen. Diese „Mustereinzelverträge“ sind bereits zusammen mit der Rahmenvereinbarung zu entwerfen und den Vergabeunterlagen als Muster beizufügen.

Je nachdem, wie konkret die Rahmenvereinbarung ausgestaltet ist und ob sie mit nur einem Auftragnehmer oder mehreren geschlossen wurde, werden die Einzelaufträge in der zweiten Stufe entweder direkt als konkretisierter Auftrag/Vertrag (vgl. oben) oder nach einem erneuten Vergabeverfahren (sogenannter „Miniwettbewerb“) zwischen den Vertragsparteien der Rahmenvereinbarung geschlossen (vgl. § 21 Abs. 3 bis 5 VgV).

In Teil 3 unserer Blog-Reihe „IT in der Vergabe: Rahmenvereinbarungen ausschreiben“ erläutern wir, wie sich EVB-IT Verträge in der Praxis sinnvoll für die Ausschreibung von IT-Rahmenvereinbarungen mit verschiedenartigen Leistungen einsetzen lassen.

Ansprechpartner:innen: Malte Müller-Wrede/Dr. Roman Ringwald/Dr. Melanie Plauth/Jacqueline Ahlbach

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