Koalitionsvertrag: Schneller planen und genehmigen?
Im Koalitionsvertrag 2025 findet sich das Wort „Beschleunigung“ exakt zwanzig Mal. Das ist nicht sonderlich häufig, sagt aber für sich genommen noch nichts. Schauen wir deshalb genauer hin: Mehr Tempo beim Netzausausbau und den Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Umsetzung der Energiewende will die neue Koalition in sehr unterschiedlichen Bereichen. So z.B. in den Beihilfe- und Asyl- bzw. Staatsangehörigkeitsverfahren, bei der Genehmigung von Industrieanlagen, in den Bereichen Verkehr und Infrastruktur sowie Bauen und Wohnen, aber auch beim Netzausausbau und den Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Umsetzung der Energiewende.
Die Maßnahmen sind jeweils unterschiedliche. Einige Ansätze werden jedoch wiederholt angesprochen:
So soll der Bund-Länder-Prozess zur Umsetzung des Paktes für die Planungs-, Umsetzungs- und Genehmigungsbeschleunigung „entschlossen“ fortgesetzt und weiterentwickelt werden. Das ist richtig und wichtig, denn nicht der Bund, sondern die Länder administrieren ganz überwiegend die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Besonders wichtig wird es dabei sein, mehr Tempo beim Netzausausbau und den Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Umsetzung der Energiewende zu erreichen. Die Koalitionäre wollen außerdem Expertenpools einrichten, vermehrt das Mittel der Zustimmungsfiktion nutzen und den Bestandsschutz für Ersatzeinrichtungen erweitern.
Potentiale für vereinfachte Zulassungsverfahren
Interessant dürfte sein, welche Potentiale die neue Regierung in der Möglichkeit sieht, Beschleunigungsgebiete (auf planerischer Ebene) auszuweisen und dafür das jeweilige Zulassungsverfahren zu vereinfachen. Für Windenergieanlagen an Land gibt es bereits seit einigen Jahren eine Regelung (§ 6 WindBG), die allerdings zum 30.06.2025 ausläuft. Mehr Tempo beim Netzausausbau und den Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Umsetzung der Energiewende ist daher unabdingbar. Eine gesetzliche Vorgabe zur Fortsetzung drängt, zumal die Erneuerbare-Energien-Richtlinie in ihrer aktuellen Fassung (RED III) ohnehin dazu verpflichtet, dies nicht nur für Windenergieanlagen, sondern auch für Photovoltaik, Geothermie und Energiespeicher zu regeln. Deshalb ist sehr zu hoffen, dass die Ankündigung, „schnellstmöglich ein verbessertes Geothermie-Beschleunigungsgesetz auf den Weg“ zu bringen, tatsächlich rasch umgesetzt wird. Vergleichbares gilt für Photovoltaik, Wasserstoffinfrastruktur und Energiespeicher; auch hier drängt die Zeit und die Bundesregierung hat sich im Sofortprogramm „Verantwortung für Deutschland“ dazu verpflichtet, „grundsätzliche Überarbeitungen [bis] zum Sommer […] auf den Weg“ zu bringen.
Verfahren zu beschleunigen, ohne gleichzeitig den inhaltlichen Prüfungsumfang zu reduzieren, wird nur schwerlich möglich sein. Die Koalition hat sich deshalb auch auf ihre Fahnen geschrieben, europarechtlich zulässige Spielräume zu prüfen, mit der die materiellen Anforderungen gesenkt werden können, etwa über den Populationsansatz im Artenschutz, die Eingrenzung UVP-pflichtiger Vorhaben oder die Verschärfung von Präklusionsbestimmungen. So könnten sie effektiv zu Mehr Tempo beim Netzausausbau und den Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Umsetzung der Energiewende beitragen.
Interessant wird auch sein, ob es gelingt, anstelle des Planfeststellungsverfahrens die Plangenehmigung zum maßgeblichen Verfahren zu machen. Jedenfalls für den Ersatz „maroder Infrastrukturen“ soll dies der Regelfall werden.
Infrastrukturvorhaben sollten im Fokus stehen
Und noch ein Punkt ist sehr grundsätzlich: Nicht nur der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Strom- und Wärmeversorgung soll im überragenden öffentlichen Interesse liegen, sondern auch das Bundesraumordnungsrecht und bestimmte Infrastrukturvorhaben – wobei offenbleibt, welche konkret. Gesetzliche Vorgaben werden zunehmen beeinflussen, wie verschiedene Belange unter- und gegeneinander gewichtet werden. Auch hier ist unumgänglich, Mehr Tempo beim Netzausausbau und den Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Energiewende zu erzwingen.
Wie rechtlich tragfähig die Vorschläge sind und was das für Projektierer, kommunale Vertreter und betroffene Verbände bedeuten wird, werden wir in den nächsten Monaten (oder auch Jahren) aufmerksam verfolgen und bewerten.
Klar ist: Spielräume können nur dann genutzt werden, wenn sie mit Europarecht, der Rechtsprechung des EuGH und Verfassungsrecht übereinstimmen. So sind substantielle Änderungen eines Vorhabens nach dem EuGH nicht ohne Weiteres verfahrensfrei (vgl. EuGH, Urteil v. 29.07.2017, C-411/17). Einschnitte in Umwelt- und Beteiligungsrechte bergen das Risiko, in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten angegriffen zu werden und damit das Gegenteil von Beschleunigung zu bewirken. Das sollte möglichst vermieden werden. Der Weg wird daher wohl in einer möglichst ausgewogenen Balance zwischen Effizienz und rechtsstaatlicher Qualität liegen (müssen).
Ansprechpartner:innen: Andreas Große/Joshua Hansen/Julia Ludwig
Weitere Ansprechpartner:innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow