Kraftwerke, Rauch, Bäume

Kraftwerksstrategie 3.0: Was die neue Bundesregierung plant 

Nachdem die Ampelkoalition im November letzten Jahres auseinandergebrochen ist, konnte die scheidende Bundesregierung eine Reihe bedeutender energiepolitischer Vorhaben nicht mehr umsetzen. Eines dieser Vorhaben war die Kraftwerksstrategie, die bereits zuvor wiederholt angepasst wurde, bzw. das darauf aufbauende Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG)

Streitpunkte und politische Meinungen 

Während für vereinzelte besonders dringliche Maßnahmen, etwa die Verlängerung der KWK-Förderung, noch Mehrheiten im Bundestag gefunden wurden, galt dies nicht für die Kraftwerksstrategie. Zu den größten Streitpunkten zwischen den Fraktionen zählte insbesondere die Frage, welchen Anteil reine Gas- bzw. H2-ready und reine Wasserstoffkraftwerke im Rahmen der notwendigen neuen Kraftwerkskapazitäten erhalten sollte. Dessen unbenommen scheint aber weitgehend Konsens zu bestehen, dass es notwendig ist, rasch erhebliche Mengen an steuerbarer Back-Up-Kraftwerksleistung zuzubauen. Dadurch kann das immer stärker auf die Einspeisung volatiler EE-Kraftwerke setzende Stromsystem stabilisiert werden. 

Koalitionsvertrag und zügig geplante Überarbeitung 

Dementsprechend findet sich das Thema auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD, der am 5.5.2025 unterzeichnet wurde. Danach soll die Kraftwerksstrategie zügig überarbeitet werden, um „den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 technologieoffen anzureizen“. Diese Leistung entspräche bis zu 50 neuen bzw. ggf. modernisierten Kraftwerken der 400 MW-Größe. Die wesentlichen Details – etwa der eben genannte relative Anteil reiner Gaskraftwerke sowie H2(-hybrid-)Kraftwerke – bleibt hingegen offen.

Insbesondere die CDU/CSU hatte die bisherige Ausrichtung aber im Wahlkampf wiederholt kritisiert und mit Verweis darauf auch eine Zustimmung zum KWSG noch in der alten Legislaturperiode verweigert. Insoweit dürfte also mit einer deutlichen Akzentverschiebung zu rechnen sein. Wie stark diese Änderungen ausfallen werden, dürfte sicherlich auch Einfluss darauf haben, wie „zügig“ erste Ausschreibungen an den Start gebracht werden können, da es für das bisher im Raum stehende Ausgestaltungsdesign bereits eine grundsätzliche Übereinkunft mit der EU-Kommission gab, die unter Umständen neu verhandelt werden müsste. Der Koalitionsvertrag gibt hierzu keine Auskunft. 

Technologiediskussion und CCS-Technologie 

Offen bleibt zudem bisher auch die Frage, inwieweit die Ausschreibung von 20 GW Gaskraftwerksleistung tatsächlich technologieoffen wäre. Nach dem Verständnis der Koalitionspartner könnte auch die Nutzung der CCS-Technologie in Frage kommen – also der Abscheidung und Speicherung des aus den Kraftwerken emittierten CO2 zur Emissionsreduktion –, die bereits nach der bisherigen Fassung der Kraftwerksstrategie in gewissen Konstellationen möglich wäre. Nach einer Anfang April von energate durchgeführten Branchenumfrage ergab sich hierzu unter den Marktteilnehmern ein insgesamt eher skeptisches Bild. Angeführt wurde unter anderem, dass die Nutzung von CCS an Gaskraftwerken mit wenigen Vollbenutzungsstunden wirtschaftlich und technisch wenig sinnvoll sei und die CCS-Technologie sich stattdessen eher dazu eigne, blauen Wasserstoff herzustellen, der dann in Wasserstoffkraftwerken genutzt werden könne.  

Integration in den Energiemarkt 

Die neuen Gaskraftwerke, die deutschlandweit vorrangig an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen und regional entsprechend der Bedarfe wirken sollen, sollen in einen technologieoffenen und marktwirtschaftlichen Kapazitätsmechanismus integriert werden. Beide letztgenannten Eigenschaften schreibt die Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung vor. Erklärtes Ziel ist dabei nach dem Koalitionsvertrag ein „systemdienlicher Technologiemix aus Kraftwerken und Erzeugungsanlagen (zum Beispiel Bioenergie und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)), Speichern und Flexibilitäten“. Auch zur näheren Ausgestaltung dieses Kapazitätsmarktes hält sich der Koalitionsvertrag bedeckt. Das vom BMWK im letzten Jahr ins Spiel gebrachte hybride Modell aus zentralen und dezentralen Elementen hatte die Union jedenfalls stets als „hochkomplex“ abgelehnt. 

Dringlichkeit und Zukunftsausblick 

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung bleibt zu hoffen, dass nun im „dritten Anlauf“ tatsächlich kurzfristig erste Kraftwerkskapazitäten ausgeschrieben werden; denn der Anteil erneuerbaren Stroms im System steigt beständig und somit auch die Volatilität des Systems. Denn bis zu deren Inbetriebnahme werden ab Beginn der Ausschreibungen wohl weitere 4-5 Jahre vergehen. Dass dies auch der neuen Bundesregierung bewusst sein dürfte, zeigt sich schon daran, dass diese den Zeitplan für die Stilllegung bzw. Inreservenahme der noch betriebenen Kohlekraftwerke vom tatsächlichen Ausbaupfad steuerbarer Gaskraftwerke abhängig macht. Darüber hinaus erwägt sie sogar – von der Branche weitgehend stark kritisiert – die Marktrückkehr von Reservekraftwerken, um den Strompreis zu stabilisieren. Für die Erreichung der Klimaschutzziele wäre beides kein optimales Szenario. 

Ansprechpartner:innen: Prof. Dr. Olaf Däuper/Roland Monjau/Dr. Håvard Nymoen/Lars Dittmar/Frederik Braun 

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