Nachhaltigkeitsumfrage zum aktuellen Umsetzungsstand der Nachhaltigkeitsberichterstattung bei Energieversorgern und Stadtwerken
Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr, sondern wird für Unternehmen zunehmend zu einer Pflicht im Rahmen ihrer Berichterstattung. Mit der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Taxonomieverordnung (TaxVO) hat die EU umfassende Regelwerke geschaffen, um die Transparenz in der nicht-finanziellen Berichterstattung zu erhöhen. Diese Standards zielen darauf ab, Investoren und Stakeholdern verlässliche Informationen bereitzustellen und den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu fördern. Die CSRD fordert eine intensive Auseinandersetzung mit der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette eines Unternehmens, um umfangreiche qualitative sowie quantitative Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten offenlegen zu können. Die TaxVO ist ein Klassifizierungssystem, das Wirtschaftsaktivitäten hinsichtlich ihrer ökologischen Nachhaltigkeit bewertet. Beide Rahmenwerke stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen und eine strategische Neuausrichtung.
Mithilfe einer Umfrage bei Mandanten aus der Energiebranche wurde der aktuelle Vorbereitungs- und Wissensstand ermittelt. Viele kommunale Energieversorger werden hinsichtlich des Jahresabschlusses aufgrund von landesrechtlichen Vorschriften teilweise mit großen Kapitalgesellschaften gleichgestellt. Deshalb sind diese Gesellschaften ebenfalls von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Umfrage im Überblick
1. Betroffenheit
Etwa 87 % der befragten Unternehmen sind ab dem Berichtsjahr 2025 entweder originär als große Kapitalgesellschaft oder aufgrund landesrechtlicher Vorschriften und Vorschriften in ihren Satzungen/ Gesellschaftsverträgen nach CSRD berichtspflichtig. Rund 72 % der Befragten gelten nach § 267 Abs. 3 HGB als große Kapitalgesellschaft und werden ab dem Geschäftsjahr 2025 auch von der TaxVO betroffen sein. Da es bei der Beurteilung, welche Unternehmen ab welchem Zeitpunkt von welchen Regularien betroffen sind und ob sie Befreiungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen können, immer auf die individuelle Situation des Unternehmens (u.a. Konzernstruktur, Standort, Gesellschaftsverträge/ Satzungen) ankommt, empfiehlt sich stets eine Einzelfallprüfung und -würdigung durch einen Wirtschaftsprüfer und/oder Rechtsanwalt.
2. Kenntnisstand der Unternehmen
Der inhaltliche Kenntnisstand zu beiden Rahmenwerken ist noch verbesserungswürdig. 64 % der Befragten fühlen sich mit den Inhalten der CSRD mäßig oder gar nicht vertraut. Bei der TaxVO liegt dieser Wert sogar bei 81 %. In der Tendenz fühlen sich die Unternehmen eher mit den Inhalten der CSRD, als mit denen der TaxVO vertraut.
3. Externe Unterstützung und Schulung
Viele Unternehmen haben die Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erkannt und planen, mit externer Unterstützung die Wesentlichkeitsanalyse umzusetzen (58 %), die Datenerhebungsstrukturen zu implementieren (28 %), eine Treibhausgasbilanz zu erheben (26 %) und die Managementsysteme anzupassen (13 %). Diese Arbeitsschritte entsprechen den Anforderungen aus der CSRD. Betrachtet man jedoch Prozesse rund um die TaxVO, haben sich 47 % der Befragten noch nicht mit der Möglichkeit befasst, externe Unterstützung bei der Implementierung in Anspruch zu nehmen. Dies deutet entweder darauf hin, dass Unternehmen die Anforderungen aus der TaxVO eher intern umsetzen wollen oder – vor allem in Verbindung mit den unter 2. dargestellten Erkenntnissen betrachtet – dass der niedrige Informationsstand zu einem Mangel an Vorbereitung hinsichtlich der TaxVO führt.
4. Interne Arbeitsgruppen und Verantwortlichkeiten
Ein Viertel der Befragten hat weder für die CSRD noch für die TaxVO interne Arbeitsgruppen gegründet bzw. die Verantwortlichkeiten im Unternehmen zugeteilt. Wertet man die Antworten der restlichen Befragten aus, zeigt sich, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung als Teil des Lageberichtes zwar überwiegend im Rechnungswesen bzw. Controlling verankert ist, diese Tendenz jedoch stärker bei der Verantwortung für die Umsetzung der TaxVO ausgeprägt ist. Bei der CSRD sind unterschiedliche Fachbereiche für die Umsetzung verantwortlich.
Darüber hinaus kann man erkennen, dass einige Unternehmen bereits eigenständige Bereiche für das Nachhaltigkeitsmanagement geschaffen haben.
5. Schätzung taxonomiekonformer Umsätze
Eine Schätzung zur Höhe der voraussichtlich taxonomiekonformen Umsatzerlöse im ersten Berichtsjahr haben zu erheblich variierenden Antworten geführt: Die Spannweite der Antworten reicht von 0 % bis 100 %, was auf eine große Unsicherheit in der Anwendung und auf viele Auslegungsfragen hinweist. Rund 57 % der Befragten konnten bzw. wollten keine Angaben machen.
6. Wichtigkeit der European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Die Umfrageteilnehmer wurden außerdem gefragt, wie wichtig sie die einzelnen ESRS in Bezug auf ihre Geschäftsfelder bewerten. Der Umweltstandard ESRS E1 zum Klimawandel und der Sozialstandard ESRS S1 werden dabei als die beiden wichtigsten Themen eingeschätzt, gefolgt von Umweltverschmutzung (ESRS E2), Verbraucher und Endnutzer (ESRS S4) sowie Unternehmenspolitik (ESRS G1). Die Standards zu biologischer Vielfalt & Ökosysteme (ESRS E4) und zu betroffenen Gemeinschaften (ESRS S3) haben durchschnittlich die niedrigsten Bewertungen erhalten. Dies wirft die Frage auf, ob diese Standards tatsächlich weniger relevant sind oder hier bei den Unternehmen noch die größte Unsicherheit bei der Einordnung besteht. Beide Standards sind äußerst komplex gestaltet und beinhalten offene Fragen zu Umfang und Abgrenzung in der Betrachtung.
Fazit
Die Umfrage zeigt, dass deutsche Energieversorger noch am Anfang der Umsetzung der CSRD und der TaxVO stehen. Empfehlenswert ist grundsätzlich, die ersten Schritte zur Identifikation der berichtspflichtigen Datenpunkte (Wesentlichkeitsanalyse im Rahmen der CSRD und Identifikation der Wirtschaftstätigkeiten im Rahmen der TaxVO) im Idealfall bis zum 1. Januar 2025 abzuschließen, um die Datenerhebungsstrukturen zeitnah einrichten zu können. Nur wenn die Datenerhebungsstrukturen eingerichtet sind, ist es möglich, die benötigten Informationen kontinuierlich über das Geschäftsjahr 2025 zu erheben. Andernfalls droht ein Mehraufwand, wenn Daten retrograd aufbereitet werden müssen.
Ansprechpartner*innen: Tobias Sengenberger/ Dr. Martin Karl/Anna-Marlena Miedl