Nachhaltigkeitsbericht, Hände, Papiere, grüne Tasse, Diagramme

„Stop-the-Clock“: EU verschiebt Verpflichtung zu Nachhaltigkeitsberichterstattung um zwei Jahre

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) hat die Europäische Union einen neuen Rahmen geschaffen, der die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa grundlegend verändern soll. Ziel ist es, mehr Transparenz über Nachhaltigkeitsinformationen und Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen und Branchen herzustellen. Die CSRD verpflichtet schrittweise Unternehmen verschiedener Größenklassen anhand verbindlicher europäischer Standards (ESRS) umfassend über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte zu berichten.

Am 26. Februar 2025 stellte die EU-Kommission das sogenannte „Omnibus I“-Paket vor – eine Initiative, um Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und Bürokratie abzubauen. Dieses Paket umfasst zwei zentrale Teile: zum einen die Verschiebung der Anwendungsfristen für die CSRD und die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive), zum anderen die Anpassung des Anwenderkreises der CSRD und der Taxonomieverordnung (TaxVO) sowie inhaltliche Überarbeitungen der drei Regelwerke. Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem Blogbeitrag zum Omnibus-Paket.

Entscheidung über „Stop-the-Clock“ – den ersten Teilvorschlag aus dem Omnibus-Paket

Am 3. April 2025 hat das Europäische Parlament nun in einem Eilverfahren der Verschiebung der Anwendungsfristen aus dem „Omnibus-Paket“ zugestimmt – mit klarer Mehrheit: 531 Abgeordnete stimmten für den Vorschlag, 69 dagegen, 17 enthielten sich. Der letzte formale Schritt – die finale Zustimmung durch den Rat – steht zwar noch aus, gilt jedoch als reine Formsache.

Sobald der Rat der Europäischen Union dem „Stop-the-Clock“-Vorschlag zustimmt, kann der Entwurf in geltendes EU-Recht überführt werden. Anschließend müssen die EU-Mitgliedstaaten die Vorgaben in nationales Recht umsetzen. Gemäß dem Entwurf der EU-Kommission soll dies bis spätestens 31. Dezember 2025 erfolgen.

Für Unternehmen bedeutet dieser Beschluss vor allem eines: mehr Zeit. So sollen einerseits betroffene Unternehmen mehr Zeit für die Umsetzung der Anforderungen gewinnen und andererseits auf EU-Ebene mehr Zeit bleiben, um die Vorschläge des zweiten Teils des „Omnibus-Pakets“ auszuarbeiten und zu diskutieren.

Konkret wird die Anwendung der CSRD für die zweite und dritte Welle betroffener Unternehmen um zwei Jahre verschoben. Große Kapitalgesellschaften (Gruppe 2) sind damit erstmalig im Geschäftsjahr 2027 berichtspflichtig – mit Veröffentlichung im Jahr 2028. Kleine bzw. mittelgroße kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (Gruppe 3) müssen erstmals über das Geschäftsjahr 2028 berichten. Der Anwendungszeitpunkt für große kapitalmarktorientierte Unternehmen bleibt von „Stop-the-Clock“ unberührt – diese müssen weiterhin ab dem Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß CSRD aufstellen.

Sorgfaltspflichten der CSDDD

Auch die geplanten Sorgfaltspflichten der CSDDD zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards in der Lieferkette werden später greifen: Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum 26. Juli 2027 Zeit, die CSDDD in nationales Recht zu überführen. Die betroffenen Unternehmen – darunter solche mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und 1,5 Milliarden Euro Umsatz – müssen diese Pflichten damit frühestens ab 2028 umsetzen. Auch für die zweite Welle (ab 3.000 Mitarbeitenden und 900 Millionen Euro Umsatz) verschiebt sich der Erstanwendungszeitpunkt entsprechend.

Aufgrund der noch ausstehenden Umsetzung der CSRD in deutsches Recht gibt es derzeit formell keine gesetzliche Grundlage für die Berichterstattung. Demnach sind auch große kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften in Deutschland aktuell nicht unmittelbar zur Berichterstattung nach CSRD/ ESRS verpflichtet – auch wenn einige Unternehmen aufgrund der unternommenen Implementierungsmaßnahmen aus den Vorjahren bereits CSRD-konforme Berichte veröffentlicht haben. Auch für Unternehmen aus der Gruppe 2 besteht in Deutschland aktuell keine gesetzliche Verpflichtung, einen Nachhaltigkeitsbericht nach CRSD aufzustellen. Es ist davon auszugehen, dass die künftige Bundesregierung nun die CSRD inklusive der „Stop-the-Clock“-Maßnahmen gebündelt umsetzen wird, wodurch Unternehmen der Gruppe 1 ab diesem Moment zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD verpflichtet werden, Unternehmen der Gruppen 2 und 3 aber von dem zeitlichen Aufschub des Erstanwendungszeitpunktes profitieren.

Wie geht es nun weiter?

Daneben gibt es weitere Anpassungsvorschläge, über die diskutiert und entschieden werden muss. Die EU-Kommission hat die European Financial Reporting Advisory Group damit beauftragt, bis Ende Oktober 2025 die ESRS zu überarbeiten. Ziel ist es, die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD zu vereinfachen und die Kompatibilität mit anderen Rahmenwerken zu verbessern. Dazu gehört, die verpflichtenden Datenpunkte zu reduzieren, quantitative statt qualitative Angabepflichten zu priorisieren, zwischen verpflichtenden und freiwilligen Datenpunkten weiter zu unterscheiden sowie uneindeutige Textstellen und Begriffe klarzustellen. Unternehmen müssen sich also auf inhaltliche Änderungen einstellen.

Wie können Unternehmen damit umgehen?

Auch wenn sich viele Unternehmen bereits intensiv mit der Umsetzung der Berichterstattungspflichten beschäftigt haben, verschafft der Aufschub der CSRD und der CSDDD Unternehmen der Gruppen 2 und 3 nun erstmal mehr Zeit, sich vorzubereiten. Doch diese Zeit sollte nicht ungenutzt bleiben. Im Gegenteil: Jetzt ist der richtige Moment, um sich systematisch und strategisch mit den Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beschäftigen und den Aufbau der internen Prozesse anzustoßen – ohne unmittelbaren externen Druck, aber mit dem Wissen, dass die Anforderungen kommen werden. Unternehmen, die durch die Änderungen des Anwenderkreises des von der EU-Kommission vorgeschlagenen „Omnibus-Pakets“ künftig nicht mehr unmittelbar unter die Berichtspflicht fallen, sollten die bereits geleistete Vorarbeit keinesfalls als vergeblich betrachten. Vielmehr bietet sich die Gelegenheit, die bisherigen Erkenntnisse und Strukturen zu nutzen, beispielsweise in einem freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht nach VSME oder in Anlehnung an die ESRS. Die aktuelle Entwicklung eröffnet diesen Unternehmen die Möglichkeit, die ESRS bedarfsgerecht an ihre eigene Unternehmensgröße und -realität anzupassen und so einen pragmatischen Ansatz für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung weiterzuverfolgen.

Empfehlenswert ist etwa, über die doppelte Wesentlichkeitsanalyse mit einer vorangehenden nachhaltigkeitsbezogenen Due Diligence einzusteigen – diese bildet das Herzstück der CSRD und hilft dabei, die für das eigene Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren. Darüber hinaus bietet sich eine Gap-Analyse an, um Lücken im Datenmanagement, in der Steuerung oder in der Kommunikation frühzeitig zu erkennen und zu schließen. Ob mit internen Tools, externen Partnern oder Rahmenwerken wie dem VSME – entscheidend ist, dass die Grundlagen gelegt werden. Denn am Ende geht es nicht nur darum, formale Anforderungen zu erfüllen, sondern die eigene Unternehmensstrategie nachhaltig und zukunftsfähig auszurichten.

Fazit

Die CSRD – und die dahinterstehende Transformation – ist mehr als eine Berichtspflicht. Sie ist ein Instrument zur Unternehmenssteuerung, zur Identifikation von Risiken und zur positiven Positionierung am Markt. Durch den „Stop-the-Clock“-Beschluss ändert sich daran nichts – er setzt lediglich einen neuen zeitlichen Rahmen. Wer diesen nutzt, ist später im Vorteil. Denn Unternehmen, die jetzt handeln, können sich nicht nur strategisch besser aufstellen, sondern auch regulatorische Risiken minimieren. Nachhaltigkeit bleibt – auch ohne Berichterstattungspflicht – ein entscheidender Wettbewerbsfaktor der Zukunft.

Ansprechpartner:innen: Tobias Sengenberger/Carolin Mießen/Anna-Marlena Miedl

Share
Weiterlesen

18 November

Monopolkommission veröffentlicht neues Sektorgutachten „Energie“  

Die Monopolkommission hat am 4.11.2025 das „10. Sektorgutachten Energie“ mit Empfehlungen für mehr Wettbewerb und Effizienz für ein zukunftsfähiges Energiesystem veröffentlicht, das den Stand und die absehbare Entwicklung des Wettbewerbs im Energiesektor bewertet. Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Beratergremium und berät die Bundesregierung und gesetzgebende Körperschaften zu wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen. Laut Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) soll die Monopolkommission alle zwei Jahre...

14 November

Spielverderber Verkehrssicherung? Verkehrsrechtliche Anordnungen im Glasfaserausbau  

Das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) gibt Gas für mehr Glasfaser in Deutschland: Seit diesem Sommer ist das „überragende öffentliche Interesse“ des Glasfaserausbaus bis 31.12.2030 in § 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) verankert. Der BMDS-Stakeholder-Dialog am 28.10.2025 hat die Stellschrauben für mehr Tempo klar benannt: Förderkulisse, Open-Access-Anreize, Kupfer-Glas-Migration, Genehmigungsverfahren. Eine TKG-Novelle soll zeitnah dringend benötigte Klarstellungen und Logiklöcher schließen – unter anderem rund um die Wegerechte nach § 125 ff. TKG.  Diese Novelle ist wichtig und...