Transformation des Vergaberechts Teil 2: Vereinfachte Beschaffung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 18.10.2024 die Referentenentwürfe für das sog. Vergabetransformationspaket veröffentlicht. Das Paket soll Vergabeverfahren vereinfachen, beschleunigen und digitalisieren sowie die öffentliche Beschaffung sozial, ökologisch und innovativ ausrichten. In Teil I stellten wir die wichtigsten geplanten Neuregelungen zur Stärkung der nachhaltigen Beschaffung vor. In diesem Teil gehen wir auf zentrale Regelungen ein, die Vergabeverfahren vereinfachen und hierdurch Bürokratie abbauen sollen.

Flexibleres Gebot zur losweisen Aufteilung

Die derzeitige Rechtslage sieht ein strenges Gebot der losweisen Aufteilung des öffentlichen Auftrags nach § 97 Abs. 4 GWB und § 22 Abs. 1 S. 2 UVgO vor. Von einer solchen Aufteilung dürfen Auftraggeber nur absehen, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Das Reformpaket soll diese Anforderungen absenken. Die neue Regelung soll lauten:

Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen ganz oder teilweise zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe dies rechtfertigen.

Die Regelung lockert das Gebot der losweisen Aufteilung in zweierlei Hinsicht auf. Zum einen mildert sie den Begründungsmaßstab für die Zusammenfassung von Losen grundlegend ab. Wirtschaftliche oder technische Gründe müssen hiernach eine Zusammenfassung von Losen nicht mehr erfordern, sondern nur noch rechtfertigen. Zum anderen können Lose – neben wirtschaftlichen und technischen Gründen – ausdrücklich auch aufgrund von zeitlichen Gründen zusammengefasst werden.

Vereinfachte Eignungsprüfung

Die Referentenentwürfe sehen diverse Erleichterungen vor, einerseits für Auftraggeber bei der Eignungsprüfung und andererseits für Unternehmen bei der Nachweisführung zur Eignung. Dies soll den bürokratischen Aufwand für Auftraggeber und Unternehmen vermindern und den Anreiz der Unternehmen zur Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen erhöhen, um so den Wettbewerb zu stärken.

Der bereits auf Verordnungsebene vorgesehene Grundsatz der Forderung von Eigenerklärung (§ 48 Abs. 2 S. 1 VgV) soll im GWB verankert werden (§ 122 Abs. 3 S. 1 GWB-E). Fremderklärungen (Bescheinigungen, Zertifikate u.ä.) sollen nur noch im Verlauf des Verfahrens von aussichtsreichen Bewerbern oder Bietern verlangt sein (§ 122 Abs. 3 S. 1 GWB-E).

Für Vergabeverfahren nach der UVgO soll ein sog. Once-Only-Light-Prinzip gelten (§ 35 Abs. 5 UVgO-E). Auftraggeber sollen hiernach in Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb auf die Vorlage von Eignungsnachweisen verzichten dürfen, wenn die Eignung des Unternehmens innerhalb eines Jahres vor der Auftragsbekanntmachung festgestellt wurde.

Nach derzeitiger Rechtslage müssen Unternehmen auch die Eignungsleihe von einem konzernverbundenen Unternehmen nachweisen. Der Referentenentwurf will dies erleichtern (§ 47 Abs. 1 S. 1 VgV-E). Hiernach müssen der Bewerber oder Bieter künftig lediglich angeben, dass eine Eignungsleihe erfolgt.

Vereinfachte Verfahrenswahl und Direktaufträge nach UVgO

Nach derzeitigem Stand der UVgO können Auftraggeber zwischen der Öffentlichen Ausschreibung und der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb frei wählen. Der Referentenentwurf zur Neufassung der UVgO sieht vor, dass auch die Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb zur freien Wahl steht (§ 8 Abs. 2 S. 1 UVgO-E). Für die Verfahrensarten ohne Teilnahmewettbewerb sollen bestimmte Wertgrenzen gelten. Die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb soll nach dem Entwurf bis zu einem geschätzten Auftragswert unterhalb von 100.000 Euro netto (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UVgO-E) und die Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb bis zu einem geschätzten Auftragswert unterhalb von 50.000 Euro netto (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 UVgO-E) zulässig sein.

Nach dem derzeitigen Stand der UVgO können Leistungen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 1.000 Euro netto beschafft werden, ohne ein Vergabeverfahren durchzuführen (sog. Direktauftrag). Diese Wertgrenze soll auf 15.000 Euro netto angehoben werden (§ 14 Abs. 1 UVgO-E). Zudem sollen spezifische Wertgrenzen gelten: Für die Beschaffung auf Online-Marktplätzen soll eine Wertgrenze von 50.000 Euro netto (§ 14a UVgO-E) und für die Beschaffung von innovativen Lösungen eine Wertgrenze von 100.000 Euro netto (§ 14b UVgO-E) maßgeblich sein.

Ausblick

Die vorgesehenen Vereinfachungen haben das Potenzial, Auftraggeber vor allem bei Beschaffungsvorgängen nach der UVgO deutlich zu entlasten. Diese Vereinfachungen dürften den Aufwand für die Einhaltung der vorgesehenen Verpflichtungen zu einer nachhaltigen Beschaffung zumindest in gewissem Maße ausgleichen können. Es bleibt aber abzuwarten, ob und inwieweit das Reformpaket in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt wird.

Ansprechpartner: Dr. Roman Ringwald/Malte Müller-Wrede/Dr. Sascha Michaels/Frederic Delcuvé

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