Transformation des Vergaberechts (Teil I): Stärkung der nachhaltigen Beschaffung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 18.10.2024 die Referentenentwürfe für das sog. Vergabetransformationspaket veröffentlicht. Das Paket soll Vergabeverfahren vereinfachen, beschleunigen und digitalisieren sowie die öffentliche Beschaffung sozial, ökologisch und innovativ ausrichten. In diesem ersten Teil fassen wir die wichtigsten geplanten Neuerungen zur nachhaltigen Beschaffung für Sie zusammen.

Unboxing

Was ist drin? Das Paket setzt sich aus den folgenden Entwürfen zusammen:

  • – Referentenentwurf eines Gesetzes zur Transformation des Vergaberechts (sog. Vergaberechtstransformationsgesetz),
  • – Referentenentwurf für eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (sog. AVV Sozial und umweltbezogen nachhaltige Beschaffung) und
  • – Referentenentwurf zur Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO).

Die Entwürfe sehen wesentliche Anpassungen im Hinblick auf eine nachhaltigere Beschaffung für Vergaben nach Teil 4 GWB und den Vergabeverordnungen (VgV, SektVO, VSVgV, KonzVgV) sowie der UVgO vor. Die zentralen Normen sind hierbei in § 120a GWB und § 22a UVgO enthalten. Sie sehen ein dreistufiges Konzept vor, um soziale und umweltbezogene Aspekte in das Vergabeverfahren einzuführen.

Grundsatz der Berücksichtigung von sozialen und umweltbezogenen Kriterien (Stufe 1)

Bisher steht es Auftraggebern im Wesentlichen frei, soziale und umweltbezogene Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen. Dies kann auf allen Stufen des Vergabeverfahrens geschehen (z.B. in der Leistungsbeschreibung oder bei den Zuschlagskriterien). Nach dem Reformpaket wird sich dies ändern. Es sieht in § 120a Abs. 1 S. 2 GWB-E und § 22a Abs. 1 S. 2 UVgO-E folgende Regelung vor:

Zu diesem Zweck sollen öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Leistungsbeschreibung oder, soweit im Einzelfall mit Blick auf den Auftragsgegenstand geeigneter, auf anderen Stufen des Vergabeverfahrens mindestens ein soziales oder ein umweltbezogenes Kriterium im Sinne der Absätze 2 und 3 berücksichtigen.

Auftraggeber sind hiernach grundsätzlich verpflichtet, soziale und umweltbezogene Kriterien bei der Gestaltung des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Nur in begründeten Einzelfällen dürfen Sie hiervon absehen. Auftraggeber werden sich daher bei der Vorbereitung von Vergabeverfahren damit befassen müssen, ob sie soziale und ökologische Kriterien in die Verfahrensgestaltung einfließen lassen müssen und gegebenenfalls auf welcher Stufe des Vergabeverfahrens sie dies tun.

Besondere Eignung zur nachhaltigen Beschaffung (Stufe 2)

Allerdings sollen Auftraggeber ausnahmslos zur Berücksichtigung von sozialen oder umweltbezogenen Kriterien bei der Gestaltung des Vergabeverfahrens verpflichtet sein, wenn es um die Vergabe solcher Leistungen geht, die für eine umweltbezogen oder sozial nachhaltige Beschaffung besonders geeignet sind (§ 120a Abs. 4 S. 1 und 2 GWB-E und § 22a Abs. 4 S. 1 und 2 UVgO-E) . Welche Leistungen dies sind, ergibt sich aus den sog. Nachhaltigkeitslisten von § 2 und § 3 AVV-E Sozial und umweltbezogen nachhaltige Beschaffung. Hierzu zählen beispielsweise die Beschaffung von IT und Hardware, Büropapier, Textilien und Holzwaren.

Negativliste (Stufe 3)

§ 4 AVV-E Sozial und umweltbezogen nachhaltige Beschaffung enthält einen Katalog an Leistungen, die Auftraggeber grundsätzlich nicht beschaffen dürfen (sog. Negativliste). Dieser Katalog entspricht im Wesentlichen der Anlage 1 AVV Klima. Er sieht u.a. folgende Leistungen vor:

  • – Baustoffe, die teilhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe und teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe enthalten oder unter Verwendung dieser Stoffe hergestellt wurden,
  • – Multisplit/VRF-Klimageräte mit mehr als 10 Kilowatt Nennkälteleistung,
  • – Kühl- und Gefriergeräte und sonstige stationäre und mobile Kälte- und Klimaanlagen mit halogenierten Kältemitteln,
  • – Geräte zur Beheizung und zur Kühlung des Luftraums außerhalb von umschlossenen Räumen,
  • – Mineralwasser, Bier, Säfte, Milch und Erfrischungsgetränke in Einwegverpackungen,
  • – Einweggeschirr und Einwegbesteck in Kantinen und Mensen sowie bei Großveranstaltungen.

Diese Leistungen dürfen Auftraggeber nur ausnahmsweise beschaffen, wenn es aus Gründen des öffentlichen Interesses dringend geboten ist.

Ausblick

Auftraggeber werden durch die Vorgaben des Reformpakets zur Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien stärker als bislang in die Verantwortung genommen, zur sozialen und ökologischen Transformation der Marktwirtschaft beizutragen. Sie werden die Einhaltung dieser Vorgaben sorgfältig prüfen und dokumentieren müssen, wenn sie die Vergabeverfahren vorbereiten. Ob und inwieweit das Reformpaket in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Ansprechpartner: Dr. Roman Ringwald/Malte Müller-Wrede/Dr. Sascha Michaels/Frederic Delcuvé

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