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Vervierfachung des Investitionsbedarfs in der (Ab-)Wasserwirtschaft: 800 Milliarden Euro Investitionsbedarf für die deutsche Wasserinfrastruktur bis 2045

Um die Qualität und Versorgungssicherheit mit der bestehenden Infrastruktur langfristig zu sichern, steht die (Ab-)Wasserwirtschaft vor (kapitalintensiven) Herausforderungen. Wesentliche Anteile der bestehenden Infrastruktur erreichen zeitnah das Ende ihrer Nutzungsdauer oder haben diese bereits erreicht. Es ist daher zwingend notwendig, diese zu erneuern. Doch das ist nicht die einzige Herausforderung: Klimawandel, demografische Entwicklungen und neue gesetzliche Vorgaben erhöhen den Anpassungsdruck auf die Branche zusätzlich.

Die jährlichen Investitionen der Branche lagen bisher bei rund 10 Mrd. €. Angesichts der zuvor genannten Entwicklungen sowie der hohen Kostensteigerungen der letzten Jahre dürfte dieser Betrag in den nächsten Jahrzehnten jedoch deutlich steigen.

Für die (Ab-)Wasserwirtschaft besteht die Herausforderung eines erhöhten Investitionsbedarfs dann nicht ausschließlich in der technischen und personellen Umsetzung. Vielmehr gilt es auch, Akzeptanz und Unterstützung für die notwendigen Maßnahmen zu schaffen, um diese finanziell stemmen zu können.

Vor diesem Hintergrund durfte die BBH-Gruppe im Auftrag des Verbands kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) eine umfassende Studie zur Ermittlung des Investitionsbedarfs in die (Ab-)Wasserwirtschaft in den nächsten 10 bzw. 20 Jahren erstellen. Ziel der Studie war es, ein Bewertungsmodell zur Prognose des Investitionsbedarfs für die beiden nächsten Jahrzehnte zu entwickeln, welches zusätzlich im Rahmen einer Umfrage bei den Mitgliedern des VKU validiert wurde.

Umfrage zur Validierung der Erkenntnisse

Im Rahmen der Studie wurden rund 300 Mitgliedsunternehmen des VKU eingeladen, zentrale Annahmen für das Bewertungsmodell zu validieren. Da die Mitglieder des VKU strukturell und größentechnisch heterogen sind, wurden Unternehmen unterschiedlicher Größe und Betriebsmodelle einbezogen. Somit konnten sowohl Unternehmen mit einem Fokus, auf Anlagenbetrieb oder auf reine Verteil- und Transportnetze einbezogen werden. Für eine umfassende Betrachtung gab es keine Einschränkungen hinsichtlich Unternehmensform, -struktur oder -sparten.

Zur Einordnung der Struktur und Größe der Unternehmen wurden Standort, Versorgungsstruktur, Unternehmensgröße sowie Informationen zum Versorgungsgebiet abgefragt. Zudem wurden Daten zum Alter der Netze, zu geplanten Rehabilitationsraten, zu aktuellen Sanierungskosten pro Meter Leitung und zu den erwarteten Investitionen eingeholt.

Von den rund 100 teilnehmenden Unternehmen aus ganz Deutschland waren rund 45 % reine Trinkwasserversorger, rund 35 % reine Abwasserentsorger und rund 20 % in beiden Sparten tätig. Darüber hinaus war ein Großteil der Unternehmen mit eher geringen Gesamtnetzlängen vertreten, während Unternehmen mit größeren Netzlängen weniger vertreten waren. Diese Verteilung spiegelt auch die Ver- bzw. Entsorgerstruktur für Gesamtdeutschland wider.

Eine wichtige Erkenntnis aus der Umfrage ist die Altersstruktur der bestehenden Netze. So gab der Großteil der befragten Unternehmen sowohl im Trinkwasser als auch im Abwasser an, dass mindestens 20 % der Netze Baujahre vor 1965 aufweist. Bezüglich der geplanten Rehabilitationsraten erwarten in beiden Sparten etwa 20 % der befragten Unternehmen eine Rate von über 1,5 und jeweils ca. 45 % der befragten Unternehmen eine Rate zwischen 1 und 1,5.

Abbildung 1: Umfrageergebnisse zum Anteil der Netze mit Baujahren vor 1965 und erwarteten Reha-Raten in den nächsten 10 Jahren

Die Erkenntnisse aus der Umfrage waren ein wichtiger Baustein, um die Ergebnisse aus dem Bewertungsmodell zu plausibilisieren.

Ermittlung des Investitionsbedarfs

Zur Ableitung der anstehenden Investitionen aus dem Erneuerungsbedarf der bestehenden Infrastruktur war es zunächst notwendig, ein Mengengerüst für die Infrastruktur der
(Ab-)Wasserwirtschaft für Deutschland zu erstellen. Um eine makroökonomische Abschätzung im Sinne einer modellhaften Betrachtung zu ermöglichen, wurden daher die aktuell verfügbaren Informationen zur Infrastruktur je Sparte und Netz- bzw. Anlagentyp für ganz Deutschland verarbeitet und ergänzt. Anschließend wurden diese anhand von Angaben zu Längen bzw. Mengen und der Altersstruktur bewertet. Dabei kamen marktübliche Nutzungsdauern und ermittelte spezifische Preise zum Bewertungsstichtag zum Einsatz, um die Wiederbeschaffungswerte zu berechnen. Zur Weiterentwicklung der angesetzten aktuellen spezifischen Preise für den Gesamtbetrachtungszeitraum wurden Indexreihen des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Die Erkenntnisse der Umfrage sind hierbei insbesondere bei der Beurteilung der Altersstruktur sowie bei der Festlegung der aktuellen spezifischen Preise und der marktüblichen Nutzungsdauern eingeflossen.

Neben dem Erneuerungsbedarf der bestehenden Anlagen und Netze wurden auch Maßnahmen zur Anpassung an zukünftige Bedarfe, klimatische und technologische Veränderungen, höhere Anforderungen aus den rechtlichen Rahmenbedingungen etc. berücksichtigt. Da die Auswirkungen der vorgenannten Entwicklungen derzeit schwer einzuschätzen sind, können die getroffenen Annahmen mitunter zukünftig stark von den individuellen Anpassungsbedarfen einzelner Unternehmen abweichen.

Ergebnisse zur Ermittlung des Investitionsbedarfs

Über die zuvor beschriebene Vorgehensweise wurde für den Zeitraum von 2025 bis 2044 ein Investitionsvolumen von rund 800 Milliarden Euro für die (Ab-)Wasserwirtschaft ermittelt. Von der Summe entfallen rund 65 % auf die Abwasserentsorgung sowie rund 35 % auf die Trinkwasserversorgung. Etwa 10-15 % dieser Anpassungen sind auf den Klimawandel und weitere Ereignisse zurückzuführen.

Fdie beiden folgenden Jahrzehnte ergeben sich somit durchschnittliche Investitionen von rund 40 Mrd. € pro Jahr. Dabei wird erwartet, dass zwischen 2025 und 2034 die Investitionen nochmal höher ausfallen als im Zeitraum zwischen 2035 und 2044. Für den Gesamtzeitraum ergibt sich daraus ein Investitionsvolumen von rund 10 T € pro Einwohner in Deutschland, welches natürlich über die Nutzungsdauer der Netze und Anlagen sowie über alle Nutzer der Infrastruktur verteilt wird.

Fazit

 Die ermittelten Investitionen für die beiden kommenden Jahrzehnte verdeutlichen den enormen finanziellen Aufwand, der erforderlich ist, um die Infrastruktur zu erhalten und an die aktuellen sowie zukünftigen Anforderungen anzupassen.

Der VKU fordert daher, die Wasser- und Abwasserinfrastruktur in das Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen aufzunehmen. Außerdem werden gezielte Förderungen und kostensenkende Maßnahmen vorgeschlagen, bspw. die Absenkung der Mehrwertsteuer für den Bezug von Trinkwasser, die Rückführung von Wasserentnahmeentgelten und Abwasserabgaben in die Infrastruktur, die Etablierung der Herstellerverantwortung im Bereich der Trinkwasserversorgung und eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Unternehmen sollten sich zunächst darauf konzentrieren, Investitionen strategisch zu planen und Prioritäten zu setzen. Außerdem ist es wichtig, sich frühzeitig mit der Finanzierung auseinanderzusetzen und die Auswirkungen auf die Entgelte zu berücksichtigen.

Ansprechpartner:innen Finanzierung Wasserwirtschaft: Thomas Straßer/Tobias Sengenberger/Carolin Mießen/Philip Hanke 

Ansprechpartner:innen Wasser-Infrastruktur: Daniel Schiebold/Beate Kramer/Sascha Köhler 

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