Wird der Unternehmenskauf gesetzlich geregelt?
Die von der Justizministerkonferenz der Länder eingesetzte Arbeitsgruppe „Kodifizierung des Unternehmenskaufs“ empfiehlt in ihrem 107-seitigen Bericht, bestimmte gesetzliche Vorschriften, die für den Unternehmenskauf bedeutend sind, anzupassen bzw. zu ergänzen. Die Arbeitsgruppe schlägt dem Gesetzgeber konkrete Änderungen vor, die allesamt dispositiver Natur sein und als Angebot an die Praxis verstanden werden sollen.
Status Quo: Rechtlich nur rudimentär geregelt
Die Arbeitsgruppe sieht eine Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Bedeutung von Unternehmenskäufen und der rudimentären gesetzlichen Regelung des Rechtsgebietes. Durch eine stärkere rechtliche Kodifizierung sollen Unternehmensnachfolgen erleichtert und Transaktionskosten gesenkt werden. Zudem verspricht sich die Arbeitsgruppe eine höhere Attraktivität des Rechtsstandorts für Investoren und den Gewinn an Wettbewerbsfähigkeit.
Reformideen der Arbeitsgruppe
Nach den Vorschlägen der Arbeitsgruppe soll der Unternehmenskauf zunächst rechtlich definiert werden. Zudem sollen Unternehmenskäufe von einzelnen Formerfordernissen und der AGB-Kontrolle ausgenommen werden. Der Bericht enthält weiter Vorschläge für gesetzliche Regelungen zur Bestimmung der Kaufpreishöhe und -fälligkeit. Auch sieht die Arbeitsgruppe die Kodifizierung konkreter Pflichten für den Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Vollzug vor. Zudem soll gesetzlich geklärt werden, wie sich das Mängelgewährleistungsrecht und die Verjährung zum Unternehmenskauf verhalten.
Die Literatur hat zurückhaltend auf den Bericht der Arbeitsgruppe reagiert. Auch die Arbeitsgruppe erkennt, dass der Unternehmenskauf „angelehnt an das anglo-amerikanische Recht, Gegenstand einer ausgeprägten Kautelarpraxis ist“ und insbesondere das gesetzliche Gewährleistungsrecht in der Praxis „durch ein umfassendes und in sich geschlossenes Gewährleistungs- und Haftungssystem ersetzt wird“. Gleichwohl enthält der Bericht einige interessante und diskussionswürdige Vorschläge.
Vorschläge der Arbeitsgruppe (auszugsweise)
- Formerleichterungen: Nach der derzeitigen Gesetzeslage müssen Unternehmenskaufverträge häufig notariell beurkundet werden. Dies betrifft beispielsweise beim „Share Deal“ die Übertragung von Geschäftsanteilen (§ 15 GmbHG) oder beim „Asset Deal“ die Übertragung von Grundstücken (§ 311b Abs. 1 BGB). Ferner besteht eine Beurkundungspflicht nach § 311 b Abs. 3 BGB, wenn sich der Verkäufer verpflichtet, sein „gegenwärtiges Vermögen“ zu veräußern. Im letztgenannten Fall kann der Kaufvertrag nicht geheilt werden, weswegen der (nicht beurkundete) Kaufvertrag nichtig ist. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, den Unternehmenskauf aus dem Anwendungsbereich des § 311b Abs. 3 BGB durch eine klarstellende Regelung auszunehmen.
- Pflichten zwischen „Signing“ und „Closing“: Nach der Arbeitsgruppe soll im Stadium zwischen Vertragsschluss und Vollzug der Verkäufer explizit verpflichtet werden, das Unternehmen im Zweifel nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns fortzuführen. Die Vertragsparteien sollen wiederum wechselseitig verpflichtet werden, die vertraglich vereinbarten Mitwirkungshandlungen vorzunehmen. Es sei zudem sachgerecht, dem Käufer ein außerordentliches Rücktrittsrecht an die Hand zu geben, wenn nach ausgewogenen Kriterien festgestellt werden kann, dass sich das Unternehmen wesentlich verändert hat.
- Wissenszurechnung: Ein in der Rechtsprechung wenig thematisierter und in der Literatur umstrittener Aspekt ist die Reichweite des zurechenbaren Wissens des Verkäufers. Die Arbeitsgruppe schlägt nun vor, die Reichweite der Wissenszurechnung zu Lasten des Verkäufers (§§ 442, 444 BGB) nach den in der Rechtsprechung des BGH erarbeiteten Grundsätze zur Wissensorganisation in Unternehmen gesetzlich zu präzisieren. Wenn Unternehmen relevante Informationen nicht gesichert und/oder weitergeleitet haben, könnten sie dadurch die Organisationspflicht verletzt haben, die dem Unternehmen dann als Ganzes zugerechnet wird.
- Verjährung: Im Recht der Verjährung schlägt die Arbeitsgruppe vor, klarstellend eine einheitliche Verjährungsfrist für Sachmängelansprüche aus einem Unternehmenskaufvertrag festzulegen, die bspw. an die bestehende gesetzliche Regelung des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB (2 Jahre) anknüpfen könnte. Außerdem solle gesetzlich geregelt werden, dass der Anspruch auf Kaufpreisanpassung nach den allgemeinen Vorschriften verjährt.
- Übergang von Rechtsverhältnissen beim Asset-Deal: Die Arbeitsgruppe möchte den Übergang der Rechtsverhältnisse beim Asset Deal erleichtern und auch ohne Zustimmung des Vertragspartners (Dritter) ermöglichen. Die Voraussetzungen für den Rechtsübergang und die angemessene Kompensation eines Eingriffs in die Rechte des Dritten sollen gesetzlich festgelegt werden. Auch die hoch umstrittenen Rechtsnormen der §§ 25, 26 HGB sollen reformiert werden. Hierzu will die Arbeitsgruppe dem Dritten ermöglichen, der gesetzlichen Überleitung der Rechtsverhältnisse auf den Erwerber zu widersprechen oder das entsprechende Rechtsverhältnis zu kündigen.
- Überleitung von Genehmigungen: Ergänzend zu einem erleichterten Übergang privatrechtlicher Rechtspositionen sollen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts personenbezogene Berechtigungen leichter auf den Käufer übergehen und dadurch Hemmnisse für die Unternehmensnachfolge abgebaut werden. Konkret empfiehlt die Arbeitsgruppe, dass unternehmensbezogene Erlaubnisse und andere Berechtigungen für einen Übergangszeitraum fortgelten sollen, soweit keine zwingenden öffentlich-rechtlichen Belange entgegenstehen.
- Ausnahme der AGB-Kontrolle: Die bisherige Rechtsprechung des BGH legt nahe, dass weite Teile der Unternehmenskaufverträge unter die Voraussetzungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen fallen. Für das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen empfiehlt die Arbeitsgruppe im Anschluss an die Neuregelung in § 310 Abs. 1a BGB unter Beteiligung der Praxis zu prüfen, ob für große Unternehmen eine beschränkte Bereichsausnahme gelten solle.
Ausblick
Das Unternehmenskaufrecht und die Vertragsgestaltung orientieren sich an internationalen Marktstandards. Etwaig bestehende gesetzliche Unwägbarkeiten oder Regelungslücken (insbesondere in Bezug auf Mängelrechte und Haftung, Wissenszurechnungen sowie Pflichten zwischen „Signing“ und „Closing“) werden durch maßgeschneiderte Verträge abgefedert. Insofern dürfte das Bedürfnis an einer Kodifizierung in der Praxis eher gering ausfallen. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe zu Formerleichterungen, Übertragung von Vertragsverhältnissen und Genehmigungen beim Asset-Deal sowie der Vorschlag dem Unternehmenskauf der AGB-Kontrolle zu entziehen, könnten jedoch Erleichterungen für die Praxis bringen.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber die Empfehlungen der Arbeitsgruppe aufgreift und umsetzt und sich hierdurch die Vertragsgestaltung punktuell erleichtert. Die Justizministerkonferenz hat auf Grundlage des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe den Bundesjustizminister gebeten, eine Expertenkommission einzusetzen, um den gesetzgeberischen Handlungsbedarf für den Unternehmenskauf zu konkretisieren.
Ansprechpartner: Wolfram von Blumenthal/Oliver Eifertinger/Ulrich Forster