Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz: Entlastung oder Verschlimmbesserung?
Der Gesetzgeber möchte weiter Bürokratie abbauen und Unternehmen entlasten. Dafür hat er das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verabschiedet, das zum 01.01.2025 in Kraft getreten ist und insgesamt 72 Gesetze und Verordnungen ändert. Dies betrifft unter anderem das Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Nachweisgesetz und das Arbeitszeitgesetz. Hierdurch sollen u.a. Digitalisierungsvorhaben vorangetrieben und Formerleichterungen geschaffen werden.
Änderungen im Gesellschaftsrecht
Bislang mussten börsennotierte Aktiengesellschaften bei bestimmten Hauptversammlungsbeschlüssen den gesamten Wortlaut der Unterlagen mit in die Einladung aufnehmen und im Bundesanzeiger veröffentlichen. Dies ändert sich nun jeweils für die Billigung der Vergütung des Aufsichtsrats (§ 113 Abs. 3 AktG), des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder (§ 120 a Abs. 1 AktG) und des jährlichen Vergütungsberichts (§ 120a Abs. 4 AktG).
Mit dem BEG IV ist es nunmehr ausreichend, wenn die Unterlagen „alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung“ über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind (§ 124a Nr. 4 AktG).
Außerdem ist künftig bei diversen gesetzlichen Bestimmungen, für welche bisher ein Schriftformerfordernis (eigenhändige Namensunterschrift oder notariell beglaubigtes Handzeichen, § 126 Abs. 1 BGB) galt, nur noch die Textform (Abgabe einer Erklärung auf einem Datenträger, § 126b BGB) einzuhalten. Im Gesellschaftsrecht finden sich die Formerleichterungen unter anderem im AktG und GmbHG.
So können die Mitteilungspflichten in den §§ 20 f. AktG (Halten von mehr als 25 % des Kapitals an einer nicht börsennotierten Gesellschaft oder das Halten wesentlicher Beteiligungen an einer anderen Kapitalgesellschaft), welche bisher schriftlich erfolgen mussten, nunmehr auch in Textform erfüllt werden.
Der Gesetzgeber hat außerdem die Möglichkeit der Abstimmung außerhalb von Gesellschafterversammlungen einer GmbH (sog. schriftliches Umlaufverfahren) in Textform auf Mehrheitsentscheidungen erweitert. Damit hat sich nun auch der Streit um die Auslegung des „alten“ Gesetzestexts, der diese Möglichkeit ausdrücklich nur bei einstimmiger Beschlussfassung vorsah, erledigt. Beschlüsse können nun immer dann im Umlaufverfahren gefasst werden, wenn die Gesellschafter einverstanden sind, ihre Stimme in Textform (insbesondere E-Mail) abzugeben (§ 48 Abs. 2 Alt 2 GmbHG).
Mit den Änderungen gehen spürbare Erleichterungen für die Praxis einher. Die Einladungen zu Hauptversammlungen können jetzt erheblich schlanker ausfallen, wodurch sowohl der Zeitaufwand als auch die Fehlerquote (mit anschließender Korrektur der Einladungen) deutlich sinken dürfte. Auch ist es begrüßenswert, dass bei Mitteilungspflichten und Beschlussfassungen nun häufiger nur noch die Textform eingehalten werden muss.
Änderungen im Arbeitsrecht
Mit dem BEG IV gehen auch zahlreiche Änderungen für das Arbeitsrecht einher. So können ab dem 01.01.2025 die wesentlichen Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz auch lediglich in Textform (§ 126b BGB) nachgewiesen werden. Dies bedeutet, dass künftig Verträge auch via E-Mail und sogar Messenger-Diensten (wie WhatsApp) abgeschlossen werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und (kumulativ!) der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, den Empfang zu bestätigen.
Hiervon ausgenommen sind Branchen, die unter das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz fallen (wie bspw. Bau-, Gaststätten-, Speditionsbranche, Gebäudereinigung). Weitere Ausnahmen können sich aus anderen Vorschriften ergeben. So haben Befristungen von Arbeitsverhältnissen (§ 14 Abs. 4 TzBfG) sowie Vereinbarungen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote (§ 74 Abs. 1 HGB) weiterhin schriftlich zu erfolgen. Zudem kann der Arbeitnehmer auch nach wie vor verlangen, dass ihm die Arbeitsbedingungen in Schriftform ausgehändigt werden (§ 2 Abs. 1 S. 3 NachwG n.F.).
Eine Lockerung der Formanforderung erfolgt auch bei Altersbefristungen, § 41 Abs. 2 SGB VI n.F., welche nun auch in Textform möglich sind.
Auch Arbeitszeugnisse können zukünftig – mit Einwilligung des Arbeitnehmers – in elektronischer Form ausgestellt werden; allerdings mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 109 Abs. 3 GewO, § 126 a BGB).
Auch für Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen Ver- und Entleiher (§ 12 Abs. 1 S. 1 AÜG) sowie Anträge auf Elternzeit, Teilzeit in Elternzeit und deren Ablehnung gilt nun auch nur noch die Textform (§§ 15 Abs. 4, 5, 7, 16 Abs. 1 BEEG).
Bekanntmachungen im Betrieb nach dem Arbeitszeit- und Jugendarbeitsschutzgesetz können zukünftig in elektronischer Form (bspw. Einstellen im Intranet) erfolgen (§ 16 Abs. 1 ArbZG, § 47 f. JArbSchG).
Die Herabstufung der Formerfordernisse sind zu begrüßen und stellen deutliche Erleichterungen für die Praxis dar. Die Digitalisierung der Arbeitswelt nimmt Fahrt auf.
Änderungen im Gewerbemietrecht
Auch Gewerbemiete- und Pachtverträge können nach dem BEG IV nun einfacher abgeschlossen werden; diese Änderungen stellten wir schon in unserem Beitrag vom 06.11.2024 vor.
Ansprechpartner: Wolfram von Blumenthal/Thomas Krebs/Ulrich Forster